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Die Gewissensbisse eines Vaters – »Summa culpa mea«

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Da Cicero zu dem Zeitpunkt die Provinz Cilicien verwaltete, war es ihm nicht möglich, sofort persönlich nach einem neuen Mann für seine Tochter Ausschau zu halten. Er beauftragte mehrere Vertraute mit dieser Angelegenheit, die ihm sehr am Herzen lag (»gratissimum … quo nihil carius«). Aus politischem Opportunismus schlug einer von ihnen einen zehn Jahre jüngeren Mann vor, P. Cornelius Dolabella, der einen ziemlich üblen Ruf als Draufgänger und Lebemann genoss, aber erklärter Parteigänger Cäsars war. Zweimal schon hatte Cicero den dreisten jungen Mann verteidigt und eine Verurteilung abwenden können. Diese dritte Verbindung war von Anfang an wenig glückverheißend für Tullia, aber im Augenblick politisch vorteilhaft. Nach einigem Widerstreben fügte sich Cicero und fand schließlich sogar Gefallen an seinem neuen Schwiegersohn (»gener suavis est mihi, Tulliae, Terentiae …«). Als der Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Cäsar ausbrach, versuchten beide Parteien den angesehenen Redner, der eine moralische Autorität darstellte, für sich zu gewinnen.

Das Kind, das Tullia am 17. Mai 49 zur Welt brachte, war eine Frühgeburt, die nicht überlebte. Bald darauf suchte Tullia Zuflucht bei ihrem Vater und beklagte sich über das Benehmen Dolabellas, der sich als Trinker und Schürzenjäger erwies und die Mitgift seiner Frau mit einer Geliebten verschwendete. Im Herbst 46 kam es zur endgültigen Trennung, obwohl Tullia ein zweites Kind erwartete. Cicero fühlte sich schuldig am Unglück seiner Tochter, die jetzt zum dritten Mal, ohne irgendwelches persönliches Verfehlen, eine schreckliche Enttäuschung erlebte (»id-que accidere nullo ipsius Tulliae delicto, summa culpa mea«, bekennt er Atticus XI, 17). Als Vater hatte er versagt, er hätte diese Ehe verhindern oder wenigstens das Leiden Tullias durch eine rasche Trennung verkürzen müssen. Er machte sich bittere Vorwürfe, dass er so blind war (»caeci fuimus«, ad Att., XI, 25). Dieses Kind, das ihm teurer als das eigene Leben war (»Tulliola, quae nobis nostra vita dulcior est«, Ad fam. XIV, 7), war trotz seiner höchsten Tugendhaftigkeit und seiner Güte durch den Fehler des Vaters (»nostra neglegentia«) in ein Unglück geraten, das es keineswegs verdient hatte.

Mittlerweile war auch in Ciceros eigener Ehe eine Krise ausgebrochen, die damit endete, dass er sich nach rund 30 Jahren von Terentia trennte. Diese heiratete daraufhin den Historiker Sallust, während Cicero sein junges Mündel Publilia ehelichte, zum nicht geringen Befremden seiner Umgebung. Ob ihre »Jugendschönheit«, wie Plutarch schreibt, oder ihre Wohlhabenheit den Ausschlag beim verschuldeten Cicero gaben, ist unklar geblieben. Max Brod hat dieser »Spätliebe« des berühmten Redners den Roman »Armer Cicero« (1955) gewidmet.

Requiem für ein Kind

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