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Bereits zwei Tage später lief Walker Emilys Klassenkameradin erneut über den Weg. Gerade als er aus seiner Auffahrt biegen wollte, sprang sie ihm fast auf die Motorhaube. Aus Reflex trat er so stark auf die Bremse, dass der schwere Wagen noch ein bisschen auf dem Pflaster weiterrutschte. Dann ließ sich eine schwer atmende Alice Morgan auf den Beifahrersitz fallen.

Walker drehte sich betont langsam zu der jungen Frau herum, bevor er sie von oben bis unten musterte. Sie trug enge Laufklamotten, die an den Achseln und der Brust durchgeschwitzt waren, und hatte sich ihre Haare zu einem straffen Zopf gebunden. Offensichtlich hatte sie ihre Joggingrunde ein bisschen modifiziert, um sich von ihm überfahren zu lassen. Nach ihrer letzten Begegnung hatte er eigentlich gedacht, sie würde die nächsten hundert Jahre einen großen Bogen um ihn machen, doch da hatte er sich wahrscheinlich geschnitten. Aber ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien das kein erneuter Annäherungsversuch, sondern etwas Ernstes zu sein.

Und genau aus diesem Grund verkniff sich Walker auch eine dämliche Bemerkung.

„Hallo Alice“, begrüßte er sie stattdessen betont neutral.

„Entschuldigen Sie, Mister Walker, dass ich Sie so einfach überfalle“, setzte sie zu einer Erklärung an. „Aber ich muss mit Ihnen reden.“ Dann strich sie sich eine nasse Haarsträhne aus der Stirn. „Nachdem Sie mir vorgestern auf sehr drastische Weise die Augen geöffnet haben, bin ich Ihnen etwas schuldig.“

„Aha“, gab er interessiert zurück. „Und das wäre?“

Alice holte tief Luft.

„Josh ist nicht gut für Emily“, platzte es aus ihr heraus.

„Inwiefern?“, wollte Walker alarmiert wissen, während ihm eine heiße Welle über den Nacken rann.

„Na ja … also an etwas Konkretem kann ich das nicht festmachen“, druckste die junge Frau herum. „Es ist eher so ein Bauchgefühl.“

„Hmmm …“, brummte Walker zustimmend. Das Bauchgefühl war ein recht guter Indikator, wenn man nichts Greifbares hatte.

„Früher war sie immer sehr kritisch was die angeblichen Traumprinzen anbelangte“, fuhr sie fort. „Aber seitdem sie mit Josh zusammen ist, scheint sie immer weniger einen eigenen Willen zu haben und rennt ihm hinterher wie ein Hündchen.“ Alice machte eine dramatische Pause. „Sorry, aber es fehlt nur noch, dass sie durch einen Reifen springt.“

Wenn es sich nicht um seine Tochter handeln würde, dann hätte Walker über die Bemerkung durchaus lachen können. Auch er hatte schon festgestellt, dass Emily sich veränderte. Nur hatte er das auf die üblichen Stimmungsschwankungen geschoben, mit denen sich die Mädchen in ihrem Alter herumschlagen mussten. Immerhin wurde sie weder besonders zickig oder so unzuverlässig, dass es ihm sofort aufgefallen wäre. Aber irgendetwas ging in ihr vor. Etwas, das ihm mit einem Mal höllische Angst einjagte. Denn wenn sich schon ihre Freundin mit ihren Bedenken an ihn wandte, dann war es mehr als ernst.

Und dass Alice sich Sorgen machte, war nicht zu übersehen. Schon allein ihre Körperhaltung sprach Bände. Nur einen ganz kurzen Moment dachte er daran, dass sie ihn verarschen könnte. Aber inzwischen war er ein Experte auf dem Gebiet der nonverbalen Kommunikation. Und zwar nicht nur, weil er mehr als einmal in sterbende Augen geblickt hatte.

„Na ja, ist das aber nicht normal, dass man am anderen klebt, wenn man verliebt ist?“, versuchte Walker, Alice aus der Reserve zu locken.

„Ja, schon …“, musste sie zugeben. „Aber dann doch eher so mit Schmetterlingen im Bauch und ‚Josh hier‘ und ‚Josh da‘ und einem Dauergrinsen im Gesicht.“ Alice machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sorry, aber Emily kommt mir dagegen so vor wie ein dressierter Affe.“

„Hast du schon einmal versucht, mit ihr zu reden?“, forschte Walker weiter.

„Was denken Sie denn?“, antwortete Alice aufbrausend. „Natürlich habe ich versucht, mit ihr zu reden, bevor ich Ihnen das erzähle. Glauben Sie ernsthaft, es fällt mir leicht hier zu sitzen … ich meine, nach dem was passiert ist?“ Dann wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen. „Am Ende war ich dann auch noch die Blöde, die das alles falsch sieht und sich das nur einbildet…“ Alice schniefte. „… und das, obwohl es Amber und Robyn auch schon aufgefallen ist.“

„Und was glaubst du, läuft da?“

„Keine Ahnung.“ Sie zuckte ratlos mit den Schultern. „Drogen, irgend so ein Psycho-Ding oder vielleicht will er auch nur ein bisschen Geld abziehen.“ Dann verschränkte sie trotzig die Arme. „Ich will auf jeden Fall meine alte Emily zurück!“

„Also Geld kann es schon mal nicht sein“, murmelte Walker nachdenklich. „Soviel ich weiß, ist Joshs Mutter Anwältin und sein Vater Vizepräsident einer Versicherung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihren Sohn finanziell so sehr an der kurzen Leine halten, dass er auf diese Art von Nebeneinkünften angewiesen ist.“

„Genau das ist es!“ Alice schnippte mit dem Finger. „Josh hat immer das neueste Smartphone, die geilsten Sneakers und schmeißt die coolsten Partys. Weil sie zu wenig Zeit für ihn haben, stecken sie ihm so viel Geld in den Hintern, dass er vor lauter Blödsinn nicht mehr weiß, was er machen soll.“ Dann schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Vielleicht läuft da auch irgendeine Challenge …“ Plötzlich wurde Alice kalkweiß. „… oder er will sie auf den Strich schicken“, murmelte sie so leise, dass Emilys Vater es kaum verstehen konnte. Den unfreiwilligen Aufenthalt in dem Club würde sie ihr Leben lang nicht vergessen.

„Partys … was für Partys?“, wollte Walker irritiert wissen, während sein Gehirn auf Hochtouren arbeitete.

„Sorry, aber für so naiv hätte ich Sie nicht gehalten“, antwortete Alice entgeistert. „Wenn vier Mädchen auf eine Party wollen, dann gehen sie da auch hin!“ Doch sie hob sofort beschwichtigend die Hände. „Also nur mit ein paar Bierchen abfeiern, aber keine Drogen oder so.“

Trotzdem dachte Walker gerade darüber nach, seiner Tochter einen GPS-Tracker implantieren zu lassen.

„Vielen Dank für die Information, Alice“, stellte Walker deshalb so sachlich wie möglich fest. Dann wurde ihm glücklicherweise bewusst, dass die Lösung praktisch vor seiner Nase lag. „Ihre Mutter liegt mir seit einer Ewigkeit in den Ohren, dass Emily sie doch endlich einmal besuchen soll“, fuhr er, dieser plötzlichen Eingebung folgend, fort. „In einer Woche sind Ferien und vielleicht erledigt sich das Problem dann von selbst.“ Jetzt konnte er sich wirklich nicht mehr zurückhalten, Alice dankbar über den Arm zu streichen. „Meine Tochter kann sich echt glücklich schätzen, eine solche Freundin zu haben.“

Der Fotograf - Tagebuch eines Killers

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