Читать книгу Der Fotograf - Tagebuch eines Killers - J.S. Ranket - Страница 7
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Оглавление„Da kommt dieser Vollidiot“, stellte Erin fest, nachdem sie sich ein kaltes St. Peter’s geöffnet hatte. Anschließend deutete sie mit dem Kopf auf das orangefarbene Motocross-Bike, das auf dem schmalen Feldweg ein paar hundert Yards entfernt an ihnen vorbeischoss.
Die junge Frau hatte es sich im saftigen Gras einer kleinen Anhöhe gemütlich gemacht und genoss zusammen mit Walker den lauen Frühlingsabend. Eigentlich wäre er lieber ins Scottish Arms gegangen, doch auf dem Hügel war es eigentlich auch nicht schlecht. Hier im Süden von Bexley war London fast noch ländlich. Mit Pferdekoppeln, Country Clubs und einem ausgedehnten Waldgebiet, in dem sich Robin Hood und seine Mannen sicher eine ganze Weile verstecken könnten.
Vor einigen Wochen hatte sich Walker immer wieder anhören müssen, wie Sean Russell, ein ehemals preisgekrönter Jockey, junge Mädchen begrapschte. Anfangs fiel es den angehenden Reiterinnen wahrscheinlich nicht einmal auf, was der freundliche Lehrer da trieb. Schließlich konnte es ja durchaus einmal passieren, dass seine Hand zufällig zwischen ihre Beine rutschte, wenn er ihnen beim Aufsteigen half. Erst als Erin, die mit der Arbeit auf dem Gestüt ihre Studenteneinkünfte aufbesserte, ihn in einer leeren Pferdebox mit heruntergelassenen Hosen und einer völlig verängstigten Dreizehnjährigen erwischte, flog die Sache auf.
Dachte Erin jedenfalls.
Denn sie hatte nicht mit seinem Onkel gerechnet, dem der Reitstall gehörte. Und der sie, statt seinem Neffen, an die Luft setzte. In den Tagen danach hatten die beiden nichts anderes zu tun, als die Sache zu vertuschen und die Kleine unter Druck zu setzen. Da halfen auch Erins eindringliche Apelle nichts, den Vorfall anzuzeigen. Am Ende war sie dann auch noch die Dumme, der mit einer Verleumdungsklage gedroht wurde.
„Der Arsch hat gewartet, bis ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist, und will es mir jetzt wahrscheinlich heimzahlen“, fuhr sie mit einem abschätzigen Lächeln fort. „Aber da hat er sich gewaltig geschnitten.“
„Wie, heimzahlen?“, wollte Walker logischerweise wissen.
„Na ja …“, druckste Erin herum, „… er stand gestern im Supermarkt hinter mir an der Kasse und hat ganz leise ‚Das wirst du büßen, du blöde Fotze‘ gezischt.“
„Ohhh …“, antwortete Walker alarmiert.
In ihrem Bemühen, das Mädchen nicht noch mehr zu belasten, hatte sie ihm das Versprechen abgerungen, sich herauszuhalten. Offensichtlich nahm sie an, dass er Russell lediglich eine blutige Nase verpassen wollte und nicht an eine endgültigere Lösung dachte.
Aber das hatte sich jetzt natürlich erledigt.
Walker nahm Erin gedankenverloren das St. Peter’s aus der Hand und trank einen großen Schluck. Dann musterte er mit einem verzogenen Gesicht das Etikett.
„Wieso trinkst du denn alkoholfreies?“, stieß er überrascht hervor.
Erin riss das Bier wieder an sich und lächelte hintergründig.
„Ja warum wohl?“
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Walker es kapierte.
„Nein …?!“, hauchte er aufgeregt. Jetzt war ihm auch klar, warum sie nicht in ihr Lieblings-Pub gegangen waren, sondern sie ihn mit einem Picknickkorb auf die Wiese gelockt hatte.
„Doooch …“, kicherte Erin.
„Das … das … darf doch nicht wahr sein“, stotterte Walker mit einem dämlichen Grinsen. „Wir kriegen ein Baby!“
Er stürzte sich auf sie und einen Augenblick später kullerten beide mit wildem Gekreische den kleinen Abhang hinab.
„Also genau genommen bekomme ja ich das Baby“, stellte Erin fest, nachdem sie unten angekommen und atemlos auf dem Rücken gelandet waren. „Und ich glaube, es wird ein wunderschönes Mädchen.“
„Hmmm …“, murmelte Walker, während er mit einem nicht ganz unbeschwerten Lächeln die Schäfchenwolken beobachtete, die der Südwind in Richtung Themse wehte. Denn sein analytischer Verstand sagte ihm sofort, dass das alles andere als einfach werden würde.
Aus seiner ehemaligen Klassenkameradin war eine sehr attraktive, aber sprunghafte, Dauerstudentin geworden, die sich schon einmal in solche Studiengänge wie Freiraummanagement und Esoterik einschrieb. Logisch, dass ihr da ihre Eltern nach ein paar Jahren den Geldhahn zugedreht hatten.
Und er hielt sich mit seinem Job als Fotograf auch nur mehr schlecht als recht über Wasser. Seitdem Smartphones nach und nach zu Multitalenten mutiert waren, glaubte jeder er könne gute Bilder machen. Aber die Dinger waren lediglich mit Elektronik vollgestopft. Ohne ein gutes Auge für das richtige Motiv füllte man bloß die Festplatten mit Müll, den sich niemand mehr ansah. Wenn man einen Schimpansen vor eine Computertastatur setzte, kam irgendwann sicher auch einmal ein vollständiges Wort heraus. Deshalb hatte er auch sein letztes Geld in eine alte Fabrikruine in den Docklands investiert, die er nach und nach zu einem Atelier für hochwertige Werbefotografie umbauen wollte. Allerdings würde das mit einem Baby wahrscheinlich so lange dauern, bis die Herrin vom See das Schwert von König Artus endlich wieder herausgerückt hatte.
Also praktisch eine halbe Ewigkeit.
Aber Walker war ein Arbeitstier und irgendwie würden sie es schon schaffen. Jetzt musste er sich erst einmal um den Blödmann kümmern, der die Mutter seines ungeborenen Kindes bedrohte.