Читать книгу Der Fotograf - Tagebuch eines Killers - J.S. Ranket - Страница 8
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ОглавлениеWutentbrannt schleuderte Sean Russell die Mistgabel in einen Stapel Strohballen, sodass Betsy, eine englische Vollblutdame, in der Nachbarbox erschrocken wieherte. Nachdem er die dämliche Kuh im Supermarkt getroffen hatte, war natürlich alles wieder hochgekocht. Warum musste sie sich auch in Sachen einmischen, die sie nichts angingen?
Denn selbstverständlich hatte es Ärger gegeben.
Nur weil sein Onkel um den guten Ruf des Gestüts besorgt war, hatte er mitgespielt. Nicht etwa wegen der vielen Preise, die er für ihn gewonnen hatte. Was konnte Russell denn schon dafür, wenn die jungen Dinger in den engen Reithosen so geil aussahen. Vielleicht sollte er der Verräterin einfach einen kleinen Besuch abstatten und sie richtig in den Arsch ficken. Aber erst nachdem er ihr mit einer Peitsche gründlich den Hintern verdroschen hatte.
Um ihren Fotografenfreund machte sich Russell dabei die wenigsten Sorgen. Auf ihn wirkte er immer wie einer dieser weichgespülten Jungs aus Chelsea, die zwar gut aussahen, aber schon bei einer simplen Ohrfeige flennend zusammenbrachen. Er selbst dagegen war zäh und hart im Nehmen. Selbst wenn er, wie alle Jockeys, nicht einmal sechzig Kilo auf die Waage brachte.
Russell riss die Mistgabel aus dem Ballen und stach anschließend noch so oft zu, bis er sich genug abreagiert hatte. Den Rest würde er auf dem abendlichen Heimweg mit seiner Motocross-Maschine erledigen. Es gab für ihn nichts Schöneres, als auf seiner KTM durch die Nacht zu jagen.
Fast andächtig fuhr Russell wenig später in seine martialisch wirkenden Handschuhe und klappte das Visier nach unten, dann trat er mit aller Kraft den Kickstarter durch. Zum Glück verfügte sein Bike noch über diese Methode, denn auf einen Knopf drücken konnte schließlich jedes Kind. Aber die Kurbelwelle aus eigener Kraft in Gang zu setzen, hatte etwas Brachiales an sich.
Kurz darauf schoss er vom Hof.
Russell wählte einen Weg über die Wiesen, den er eigentlich immer fuhr. Denn hier konnte er sich so richtig austoben. Er kannte jedes Schlagloch und jede Kurve mit Vornamen und musste nur bei einer kleinen Brücke aufpassen. Sie führte unter einer stillgelegten Bahnstrecke hindurch und der Weg verlief im Zickzack, sodass man ihn nicht einsehen konnte. Auch wenn zu dieser Zeit praktisch keine Sau unterwegs war, sorgte die Stelle trotzdem für jede Menge Nervenkitzel.
Die Scheinwerfer der KTM fraßen sich in die Dunkelheit. Nur ab und zu musste Russell einem Igel ausweichen, der mit seinen kurzen Beinchen nicht schnell genug das Weite suchen konnte. Oder einem Hasen, der es mit einem beeindrucken Sprint gerade noch in das hohe Gras des Seitengrabens schaffte. Dann kam die Brücke in Sicht. Er legte sich ein wenig nach rechts, um auf dem Schotter gut hindurchdriften zu können, doch plötzlich raste von der anderen Seite ein zweites Motorrad direkt auf ihn zu.
Geistesgegenwärtig riss er seine Maschine herum und brachte sie so in ein unkontrollierbares Trudeln. Blöderweise versuchte der andere Biker dasselbe. Mit blockierenden Bremsen vollführten die beiden einen äußerst seltsamen Tanz, bis sie völlig synchron gegen den Brückenpfeiler krachten.
Russell spürte, wie sämtliche Knochen in seinem Leib brachen. In seinen Ohren hörte es sich so an, als würde jemand leere Obststiegen zertreten. Seine Lunge flatterte wie ein kaputter Luftballon, während sein Herz das Blut ins Leere pumpte. Das Letzte, was er sah, waren die unnatürlich großen Poren des Betons, an dem sein zerschmetterter Körper klebte. Dann färbte sich sein Visier dunkelrot und er rutschte mit einem schmatzenden Geräusch zu Boden.
Nach dem ohrenbetäubenden Knall wirkte die anschließende Stille fast gespenstig.
Walker zog in aller Seelenruhe das Panzertape, mit dem er die riesige Spiegelfolie unter die Brücke gespannt hatte, von den Pfeilern und wickelte alles sorgfältig zusammen. Dann suchte er im Schein einer starken Taschenlampe das ganze Gelände nach verräterischen Überbleibseln ab. Es wäre doch jammerschade, wenn ein Polizist durch ein Schnipselchen des Hightech-Materials misstrauisch werden würde. Doch als der Strahl der Lampe auf sein Opfer traf, musste er ein leichtes Schmunzeln unterdrücken. Auf dem harten Beton konnte man deutlich Russells verschmierte Silhouette erkennen. Fast so, als hätte jemand eine blutgetränkte Stoffpuppe dagegen geschleudert. Wenn man keine vernünftigen Motorradklamotten trug, dann durfte man sich nicht wundern, wenn von einem nur ein bizarres Muster übrigblieb. Genauso wie in einem dieser blöden Zeichentrickfilme.
Es war schon erstaunlich, was man mit einer akribischen Planung alles erreichen konnte. Wenn erst einmal alle Unwägbarkeiten bedacht waren und man einen Plan B in der Hinterhand hatte, dann konnte man sich ganz entspannt zurücklehnen.
Und die Show genießen!