Читать книгу Der Fotograf - Tagebuch eines Killers - J.S. Ranket - Страница 9
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Оглавление„Hey Schätzchen“, säuselte Erins Gesicht auf dem Handydisplay ihrer Tochter, „wie geht’s dir?“
„Gut, Mom“, antwortete Emily gelangweilt, bevor sie ein wenig von ihrer eiskalten Coke schlürfte. „Dad schießt jetzt Pornos und wir können uns vor Kohle kaum retten.“
Walker fiel vor Schreck sein Käse-Sandwich auf den gefliesten Küchenboden. Dann tippte er sich demonstrativ an die Stirn. Doch insgeheim musste er grinsen. Auch wenn seine Tochter so hübsch wie ihre Mutter war, hatte sie diesen Humor eindeutig von ihm.
Und Gott sei Dank noch mehr essentielle Charaktereigenschaften.
Nach Emilys Geburt lief im Prinzip alles schief, was nur schief laufen konnte. Erin ging weiter studieren, während Walker sich nicht zu schade war, auch den dämlichsten Auftrag anzunehmen. Wie zum Beispiel Portraits von aufgestylten Chihuahuas samt ihren durchgeknallten Frauchen zu machen. Oder einem zweifelhaften Club zu einem Hochglanzauftritt im Netz zu verhelfen.
Im Streit ums Geld argumentierte Erin immer wieder, dass sie mit einem Abschluss, in was auch immer, viel mehr zum Haushaltseinkommen beitragen könne. Nur wann das denn endlich sein würde, ließ sie offen. Zum Glück sprangen ihre Eltern trotzdem immer wieder ein und halfen so, das größte Chaos abzuwenden.
Irgendwann überraschte sie ihn dann mit der frohen Botschaft, dass sie sich erst selbst finden müsse, bevor sie als Mutter Verantwortung für Emily übernehmen könne. Zu diesem Zweck wollte sie für eine Weile einem zwielichtigen Rastafari-Guru nach Caye Caulker, einer mikroskopisch kleinen Insel in der Karibik, folgen. Zufälligerweise hielt der gerade einige pseudowissenschaftliche Kurse an Erins Universität. Walker konnte sich sehr gut vorstellen, wie Dutzende Studentinnen seine entgeistigten Botschaften aufsaugten und sie danach in cannabisvernebelten Dachwohnungen diskutierten. Im Prinzip konnte man den Kanzler der Hochschule, der so etwas zuließ, nur bei Wasser und Brot in den Tower werfen.
Doch Walkers Wut auf den Idioten und Emilys noch idiotischere Mutter verflog recht schnell, nachdem er den schicksalhaften Brief der Stadtverwaltung erhalten hatte. Das alte Fabrikgebäude in den Docklands, in das er investiert hatte, sollte in eine Art Künstlerquartier umgestaltet werden. Mit Werkstätten, Ateliers und Geschäften, einschließlich dem ganzen gastronomischen Drumherum. Praktisch von einen Tag auf den anderen war Walker Besitzer eines der begehrtesten Filetstücke südlich der Themse.
Und hatte dadurch natürlich absolut keine Geldprobleme mehr.
„Er schießt Pornos?!“, stieß Erin erschrocken auf der anderen Seite des Ozeans hervor.
Offensichtlich war sie immer noch auf der Suche nach sich selbst und wahrscheinlich auch auf der, nach ihrem Verstand.
„Nein, Mom“, antwortete Emily altklug, „das war ein Scherz.“
„Gott sei Dank“, gab sie erleichtert zurück. „In dieser Beziehung bist du wie dein Vater.“ Dann holte sie tief Luft. So als müsste sie für die nächste Frage genügend Kraft sammeln. „Wann kommst du mich denn einmal besuchen?“
Walker verdrehte im Hintergrund genervt die Augen. Eigentlich reichte es aus, wenn sie über das Internet chatteten und Erin in unregelmäßigen Abständen nach London kam. Gegen ihre Vorträge über vegane Ernährung, allumfassende Liebe und der Gleichheit aller Menschen, die sie dabei den Leuten unter anderem auch an der Speakers Corner im Hyde Park hielt, war im Prinzip nichts einzuwenden. Auch wenn sie wegen ihrer Dreadlocks und den nackten Füßen von vielen belächelt wurde.
„Ich gehe erst seit diesem Semester auf die Vanbrugh und muss mich noch an das Lerntempo gewöhnen“, zog sie sich gekonnt aus der Affäre. Anschließend lächelte sie honigsüß in die Kamera ihres Smartphones. „Aber jetzt zeige ich dir erstmal mein neues Zimmer“, fuhr sie fort, bevor sie sich aus dem Staub machte.
Es war eben nicht bei allen Teenagern Hopfen und Malz verloren, stellte Walker befriedigt fest. Aber die Vanbrugh Academy verlangte ihren Schülern tatsächlich einiges ab. Dafür standen den Absolventen danach sämtliche Türen offen. Die von Oxford und Cambridge eingeschlossen. Außerdem waren sie erst vor Kurzem nach Greenwich gezogen. Nachdem Walker das Untergeschoss seiner Fabrikhalle an einen Restaurator antiker Möbel vermietet hatte, hatte er Nägel mit Köpfen gemacht. Auch wenn der ganz große berufliche Durchbruch noch nicht ganz geschafft war, residierten sie jetzt in einem schicken Häuschen mit Garten an der Grenze zu Lewisham.
Ein paar Minuten nachdem es sich Walker vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte, tauchte Emily wieder auf.
„Manchmal frage ich mich wirklich, wer von uns beiden das Kind ist“, seufzte sie theatralisch. Dann griff sie sich eine unverschämt große Portion Chips aus der Schüssel, die Walker für das Spiel von Manchester gegen Liverpool bereitgestellt hatte, und stopfte sie sich in den Mund. „Aber so ein oder zwei Wochen Karibik könnte ich mir schon ganz gut vorstellen“, fuhr sie fort, nachdem sie die fettigen Kohlenhydrate hinuntergeschluckt hatte.
„Wenn du in mindestens fünfzig Prozent deiner Fächer bis zum Ende des Schuljahres ein A hast und sonst nur B, dann spendiere ich dir ein Ticket“, bot Walker an. „Und bei fünfundsiebzig Prozent A lege ich noch ein großzügiges Taschengeld drauf.“
„Das ist Erpressung!“, stellte Emily trotzig fest.
„Nein, das nennt man Motivation“, konterte Walker.
„Sklaventreiber …“, murmelte sie, während sie in Richtung ihres Zimmers davontrottete.
Im Großen und Ganzen konnte sich Walker eigentlich nicht beschweren, allerdings glaubte er, dass seine Tochter ihr Potential nicht vollständig ausschöpfte. Aber bevor er gründlicher darüber nachdenken konnte, klingelte es. Allerdings wollte der junge Mann, der vor der Tür stand, nicht zu ihm.
„Guten Abend, Mister Walker“, grüßte er freundlich. „Mein Name ist Josh Graham und ich möchte zu Emily.“
Walker musterte ihn von oben bis unten. Graham trug stylische Klamotten, die mit Sicherheit aus der Regent Street stammten und mit denen er ein bisschen Eindruck schinden wollte. Vom Typ her war er der Traum aller Schwiegermütter, doch er wirkte auf Walker eher wie der Wolf im Schafspelz. Natürlich war das nicht weiter schlimm. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich seine wählerische Tochter einem Milchgesicht an den Hals warf.
Auch wenn ihre Mutter das getan hatte.
Erst nachdem er während des Trubels um die alte Fabrikhalle vergaß, sich zu rasieren, stellte er fest, dass er mit einem gepflegten Kinnbärtchen gar nicht schlecht aussah.
„Und woher genau kennen Sie meine Tochter?“, forschte Walker weiter. „Für einen Klassenkameraden scheinen Sie mir ein wenig alt zu sein.“
„Ähhh … ja, das stimmt“, bestätigte Graham, „ich bin ein Jahr älter als sie, gehe aber ebenfalls auf die Vanbrugh.“
Walker nickte zufrieden. Die Schüler an Emilys Schule stammten in der Regel aus der oberen Mittelschicht. Deshalb gab er auch ohne weiteren Kommentar die Tür frei und deutete einladend auf die Treppe.
„Sie ist oben“, forderte er ihn zum Eintreten auf.
Trotzdem konnte er es sich nicht verkneifen, demonstrativ auf die Uhr zu sehen, als der junge Mann an ihm vorbeiging.