Читать книгу Wut - Julia Ebner - Страница 13
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ОглавлениеDieses Buch untersucht die Dynamik zwischen „neuen“ Rechtsextremisten und islamistischen Extremisten und ihre Auswirkungen auf die weltweite terroristische Bedrohung. Im Licht des Aufstiegs von Rechtsextremismus und islamistischem Extremismus ist es von größter Wichtigkeit, unser Verständnis der Wechselwirkung dieser beiden Bedrohungen, die bislang von Kommentatoren und Politikern größtenteils als isolierte Phänomene behandelt wurden, zu verbessern. Die Wahlen in den USA, Frankreich, Deutschland und anderen Ländern, in denen die extreme Rechte momentan Erfolg hat, haben eine Debatte über wechselseitige Radikalisierung wichtiger denn je gemacht.
Die nachstehenden Kapitel versuchen, Antworten auf Fragen wie die folgenden zu geben: Wie verstärken rechtsextreme und islamistische Narrative sich gegenseitig? Wie können wir diese beiden binären Weltbilder demontieren? Was bedeuten Siege rechtsextremer Führer überall in der westlichen Welt für den globalen dschihadistischen Aufstand? Müssen wir im Kampf gegen den islamistischen Extremismus auch den Rechtsextremismus bekämpfen?
Um in diesen Fragen weiterzukommen, greife ich auf Gespräche mit militanten Rechtsextremisten, islamistischen Extremisten, Hackern, Geheimdienstoffizieren, Psychologen, ehemaligen Dschihadisten, Terroropfern und politischen Entscheidungsträgern zurück. Ich analysiere Zahlen, Menschen und deren Verhalten, um Einblicke in die Dynamik zwischen Rechtsextremisten und islamistischen Extremisten im Internet wie außerhalb des Word Wide Web zu bieten. Die Befunde basieren auf einer Mischung aus Interviews, Exkursionen, statistischen Analysen und der Beobachtung der sozialen Medien. Da es in diesem Buch um äußerst heikle Themen geht, wurden die Namen jener interviewten Personen geändert, die es zum Schutz ihrer Privatsphäre vorzogen, anonym zu bleiben, oder die nicht wussten, dass sie interviewt wurden. Auch für alle Internet-Accounts, die ohne Wissen des Account-Inhabers beobachtet wurden, habe ich Pseudonyme verwendet.
Extremismus in all seinen Ausprägungen und Formen ist ein höchst kontroverses Thema. Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs, der selbst für extremistische Zwecke missbraucht worden ist: Einige repressive Regime nehmen den Kampf gegen den Extremismus zum Vorwand, um drakonische Maßnahmen gegen ganze Minderheitengruppen einzuleiten. Die britische Regierung definiert Extremismus als „lautstarke oder aktive Opposition gegen grundlegende britische Werte, darunter Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, individuelle Freiheit sowie gegenseitige Achtung und Toleranz unterschiedlicher Bekenntnisse und Überzeugungen“.17 In diesem Buch wird jeder als „Extremist“ bezeichnet, der bewusst Hass und Ängste schürt, um bestehende oder provozierte Spannungen für seine politische Agenda zu instrumentalisieren. Es gibt extremistische Politiker, Aktivisten, sogar Journalisten – rechtsextreme, linksextreme, christliche und atheistische. Ich beabsichtige nicht, den Begriff „Extremist“ als Beleidigung oder dauerhaftes Etikett zu verwenden. Ein Extremist, ob männlich oder weiblich, wird als solcher lediglich durch seine Handlungen definiert, nicht durch seinen Charakter. Tatsächlich waren einige der Extremisten, mit denen ich sprach, sympathischer und freundlicher als der Durchschnittsbürger, dem ich vielleicht in der Londoner U-Bahn begegnete. Weil Extremismus stets mit der Entmenschlichung von Menschen anfängt, werde ich mein Möglichstes tun, um nicht in dieselbe Falle zu tappen, und stattdessen bestrebt sein, jede einzelne Person als menschliches Wesen mit guten und schlechten Eigenschaften darzustellen. Ziel dieses Buches ist es nicht, Öl ins Feuer zu gießen, sondern zu zeigen, dass die Handlungen von Extremisten eines der drängendsten Probleme unserer Zeit – die wachsende Wut – verschärfen und dadurch unseren Planeten zu einem immer gefährlicheren Ort machen. Außerdem versucht es, nachzuweisen, dass die Dynamik nicht unumkehrbar ist und dass es Wege aus diesem Teufelskreis gibt.
Das Buch nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf eine Reise mit acht Zwischenstopps. Jedes Kapitel beleuchtet das Problem des Extremismus aus einem anderen Blickwinkel und versucht auf diese Weise, dem Puzzle ein fehlendes Teil hinzuzufügen. Von einer Untersuchung der Ursprünge des Extremismus ausgehend, zeigt Kapitel 1, wie gut es Rechtsextremisten und islamistischen Extremisten gelungen ist, gegenwärtige Probleme und Möglichkeiten zu instrumentalisieren, um ihre Schwarzweiß-Geschichten Realität werden zu lassen. Während Kapitel 2 die Ideen, Beweggründe und Erscheinungsformen des globalen dschihadistischen Aufstands analysiert, untersucht Kapitel 3 die Ideen und Triebkräfte hinter der boomenden „neuen“ extremen Rechten. Um zu zeigen, wie der Aufstieg der Identitätspolitik den Extremisten in die Hände gespielt hat, zeichnet Kapitel 4 den Zusammenbruch der politischen Mitte in den westlichen Nationalstaaten nach. In Kapitel 5 wird die Rolle der Medien beim Ausschmücken extremistischer Geschichten einer Bewertung unterzogen, wobei ein besonderes Augenmerk der neuen Dynamik von i-Propaganda, Sensationsgier, alternativen Fakten und Fake News gilt. Kapitel 6 führt die Leserinnen und Leser in die dunklen Internet-Räume von IS und militanten Rechtsextremisten, um das Wechselspiel der Geschichten zu untersuchen, die sie erzählen. Kapitel 7 gewährt auf der Grundlage einer Reihe von Exkursionen Einblicke in die weltweit gefährlichsten Hochburgen wechselseitiger Radikalisierung überall in Europa und den USA, wo Wie-du-mir-so-ich-dir-Gesetze gelten. Kapitel 8 liefert abschließend Ideen für den Weg, der vor uns liegt, und erzählt die Geschichten Einzelner, die handfeste Beiträge geleistet haben, um den neuen Teufelskreis aus Angst und Hass zu durchbrechen. Auch wenn dieses Buch nicht beansprucht, fertige Lösungen für eines der komplexesten Probleme der Welt anzubieten, wird es hoffentlich einen kleinen Beitrag dazu leisten, das allgemeine Bewusstsein zu schärfen, mehr Klarheit in die Debatte zu bringen und, vor allem, das Einfühlungsvermögen zu steigern.