Читать книгу Die Weltsicht einer ziemlich verrückten Puppenmacherin - Julianne Becker - Страница 18

Visitenkarten und Charakterpanzer

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Als ich mich mit dem Thema der inneren Visitenkarten beschäftigte, hatte ich mich gerade von Elvira verabschiedet. Und sie war auch so eine harte Nuss. Ich hatte wirklich alles versucht, um uns so bewusst und liebevoll wie möglich zu entflechten, seit mir klar wurde, dass bei mir keine Filzaccessoires dran waren. Aber ich hatte einsehen müssen, dass für Elvira keine mir dennoch mögliche Unterstützung willkommen war, und ich hätte ihr in meiner Dankbarkeit für die Einladung wirklich gerne geholfen. Aber was immer ich anbot, es war alles nicht recht gewesen. Ich traf in meinem Gegenüber auf einen wundervollen Charakterpanzer, der sich selbst und alles andere genau definierte, vor allem natürlich auch, wie jeder andere auf Elviras Muster zu reagieren hatte, und ansonsten wählte sie verletzt zu sein.

Ich wollte bestimmt niemanden verletzen, aber auch nicht einfach Muster energetisch bedienen, also mich vorhersehbar so verhalten wie es sich in ihren Augen gehörte, und mich damit fremd bestimmen und melken lassen. Und trotz unserer drei Wochen mit gemeinsamen Gesprächen über Erkenntnisse aus meiner neuen Weltsicht, auf die Elvira eigentlich auch neugierig war, hörte die Gute einfach nicht auf, massiv auf mich zu projizieren. Und das konnte ich wegen meiner psychischen und körperlichen Reaktionen auf Dauer einfach nicht hinnehmen. Bezeichnenderweise war ich dort auf ihrer kleinen Hazienda auch fast nur krank. Irgend etwas tat immer weh, nicht nur die Fliegen machten sich mit bösen Geschwüren über mich her.

Darüber beschwerte Elvira sich dann auch noch zusätzlich, die Absurdität der Situation war wieder einmal nicht zu überbieten. Ich würde ja nur jammern. Aber ich war doch völlig überlagert und bedrängt! Elvira verstand einfach nicht, was ich meinte, und da sie es nicht lassen konnte, blieb mir nur Entbinden und Flucht, obwohl ich wirklich hatte dableiben wollen.

Besonders anstrengend fand ich, dass Elvira unsere gemeinsamen Gespräche als Diskussion auffasste, etwas, was ich selbst schon lange bleiben ließ. Denn in Diskussionen, die man bekanntlich ja auch noch Streitgespräche nannte, ging es nicht darum, alle Puzzleteile zu diesem Thema gleichberechtigt auf den Tisch zu legen und es sich in aller Ruhe gemeinsam und in möglichst hoher Schwingung anzuschauen, und danach zu suchen, wie die alle so zusammen passten, und dabei noch offen für neue und verbindende Erkenntnisse zu bleiben, aber genau so wünschte ich mir mittlerweile ein gutes Gespräch.

Nein, die Spielregeln einer Diskussion waren ganz klar: Das Puzzleteil des "Gegners" musste so schnell wie möglich vom Tisch gefegt werden, und dafür suchte man ständig in sich nach Projektilen für die Breitsalven, um das gründlich zu erledigen, sobald man zu Wort kam, weil der andere gerade mal Luft holte. Der andere sollte gedanken-gefühls-energetisch kapitulieren, und man nannte das dezent: Überzeugen. Das war auch ein Krieg des Unfugs, nur eben auf Gedanken- und Gefühlsebene ausgetragen. Und ich hatte einfach kein Interesse mehr an Krieg.

Diese ganze Erfahrung konnte auch nur entstehen, weil ich fast zwei Jahre vorher über meine Tochter eine Bindung zu Elvira entstehen ließ und unbedacht weiter nährte. Ich ging mit Elvira in einen längeren, regen Emailaustausch, ich wusste es ja noch nicht besser. Ich hatte mich einfach auch so sehr darüber gefreut, dass Elvira meine Tochter in ihrem Au-Pair-Jahr künstlerisch und menschlich unter die Fittiche nahm, ich war so dankbar und hatte große Lust, Gran Canaria auch selbst kennen zu lernen. So viel Sonne! sagte ich mir immer wieder. Warum nicht, ich war doch Rentner.

Und meine Tochter hatte Elvira natürlich auch von ihrer Mama erzählt und auf meine Webseite verwiesen, kurzum, Elvira lud mich ein, bei ihr auf Gran Canaria zu leben und mit ihr zusammen zu filzen, und das war eigentlich ganz großzügig und wunderbar, und sie wollte mit mir gemeinsam sogar das Filzen auf der Insel einführen.

Meine Tochter und ich hatten in unserer Dankbarkeit immer den großen Wunsch gehabt, Elvira zu helfen, denn die lebte in einer Dauerkrise, so formulierte es meine Tochter jedenfalls, und das hätte sie zumindest ja auch über mein eigenes Leben sagen können, es schien also zu passen.

Die Einladung entwickelte sich dann auch sehr interessant, denn als ich wirklich kam, und ich musste, denn mein Wohnmobil war bereits verkauft, war Elvira überhaupt nicht da, und so gab es für drei Wochen eine fremde Haushüterin mit drei weiteren Akteuren, die ab und zu kamen. Meine Verabredung funktionierte also schon gleich nicht mehr.

Ich kannte Elvira also noch nicht persönlich und durfte das nun intensiv nachholen. Und weil ich die Verbindung zu Elvira noch zu einer Zeit gesucht hatte, wo ich noch ganz im Bewusstsein von "Heilen" und "Helfen" lebte, musste ich diese damalige Manifestation auch erst auslaufen lassen wie eine Welle, ich konnte mich dem auch nicht ganz entziehen, das Thema hielt mich beschäftigt, denn nur durch es hindurch kam ich zu meinem nächsten Schritt, das spürte ich deutlich. Und am Ende blieb mir nichts anderes übrig, obwohl ich Elvira wirklich sehr gern hatte: Ich musste den Kontakt total abbrechen, um mich vor ihren Feldern zu schützen, sonst hätte ich die Ruhe nicht fürs Buch gefunden.

Die Weltsicht einer ziemlich verrückten Puppenmacherin

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