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1.Willenserklärung

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57Nicht jede Willensäußerung stellt auch eine Willenserklärung im rechtlichen Sinn dar. Willenserklärungen im rechtlichen Sinn sind nur solche Willensäußerungen, die auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet sind. Damit eine solche Willenserklärung angenommen werden kann, muss der Erklärende

– Handlungswillen,

– Erklärungsbewusstsein (Rechtsbindungswille) und

– Geschäftswillen gehabt haben.

Der Handlungswille beschreibt hierbei den Willen, überhaupt etwas zu äußern, das Erklärungsbewusstsein beschreibt den Willen, etwas rechtlich Erhebliches zu erklären und der Geschäftswille den Willen, eine konkrete Rechtsfolge herbeizuführen.

Abbildung 8: Tatbestandsmerkmale einer Willenserklärung


58Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist hinsichtlich der Frage, ob Handlungs-, Rechtsbindungs- und Geschäftswille vorliegen, aber nicht auf den tatsächlichen Willen des Erklärenden abzustellen, sondern auf die Sicht des Erklärungsempfängers. Durfte der Erklärungsempfänger davon ausgehen, dass Handlungs-, Rechtsbindungs- und Geschäftswille gegeben sind, so liegt eine Willenserklärung im Rechtssinn vor, auch wenn der Erklärende tatsächlich keinen Rechtsbindungs- oder Geschäftswillen hatte.5

Beispiel: A befindet sich auf einer Versteigerung von teuren Weinen. Als er seinen Freund an der Tür sieht, hebt er zur Begrüßung die Hand. Der Auktionator versteht dies als Gebot und erteilt den Zuschlag. A hatte in diesem Fall zwar einen Handlungswillen, jedoch keinen Rechtsbindungswillen (er wollte ja nichts rechtlich Erhebliches erklären) und auch keinen Geschäftswillen (er wollte nicht einen bestimmten Wein zu einem bestimmten Preis kaufen). Der Erklärungsempfänger, also der Auktionator, durfte jedoch das Heben der Hand durch den A als Willenserklärung und damit als Angebot verstehen, denn aus seiner Sicht lagen objektiv Handlungswille, Rechtsbindungswille und Geschäftswille vor. Erteilt er daraufhin den Zuschlag (§ 156 BGB), ist dies die Annahme und der Kaufvertrag über den Wein ist zustande gekommen.

59Es gibt zwar Willenserklärungen, die nicht gegenüber einer anderen Person abzugeben sind (sogenannte „nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen“, wie z. B. Testamente), in der Regel hat eine Willenserklärung aber einen bestimmten Adressaten und setzt daher nach § 130 Abs. 1 BGB voraus, dass die Willenserklärung abgegeben wurde und zugegangen ist.

Beispiel: Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind bspw. Vertragsannahme und Vertragsangebot oder Kündigungserklärung.

60Hinsichtlich der Frage, wann eine Willenserklärung abgegeben und zugegangen ist, muss danach unterschieden werden, ob die Erklärung unter Anwesenden oder unter Abwesenden erklärt wird.

– Unter Anwesenden geht eine Willenserklärung in der Regel „sofort“ zu. Bei mündlichen oder fernmündlichen Erklärungen also, wenn der Empfänger sie akustisch richtig verstanden hat, bei Briefen, wenn diese übergeben wurden.

– Eine Willenserklärung unter Abwesenden ist dann abgegeben, wenn sie willentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger auf den Weg gebracht wurde. Sie geht in dem Zeitpunkt zu, indem die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt und dieser unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann. Ob der Erklärungsempfänger von der Erklärung tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht entscheidend.

Beispiel: Wird eine schriftliche Willenserklärung Sonntagnacht in einen Briefkasten eingeworfen, ist sie zwar in den Machtbereich des Empfängers gelangt, die Möglichkeit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen wird aber erst am Montagmorgen sein, sodass die Willenserklärung erst zu diesem Zeitpunkt zugegangen ist.

61Diese Unterscheidung gewinnt v. a. in Zeiten der digitalen Kommunikation immer mehr an Bedeutung. Eine E-Mail ist zugegangen, wenn sie auf dem Mailserver des Empfängers abrufbar ist. Hierbei ist zwischen geschäftlichem und privatem Mailverkehr zu unterscheiden:

– Bei geschäftlichen Mitteilungen ist der Zugang in der Regel am gleichen Arbeitstag anzunehmen. Wird die E-Mail allerdings außerhalb der Geschäftszeiten versandt, ist der Zugang erst am nächsten Arbeitstag.

– Bei E-Mails an einen Verbraucher (§ 13 BGB) kann erwartet werden, dass dieser seinen E-Mail-Account innerhalb von 24 Stunden kontrolliert. Der Zugang ist daher im Regelfall innerhalb von 24 Stunden nach Eingang auf dem Mailserver des Verbrauchers, wenn dieser nicht tatsächlich schon vorher Kenntnis von der Mail genommen hat.

Wird die Erklärung an einen Dritten übergeben, der vom Empfänger zur Entgegenahme und Übermittlung bestimmt ist, bspw. Ehegatte, Vermieter, Angestellter in einem Betrieb, geht die Erklärung in dem Zeitpunkt zu, in dem üblicherweise mit der Weiterleitung zu rechnen ist.

Beachten Sie:

Wichtig ist der Zeitpunkt des Zugangs einer Willenserklärung, weil diese ab diesem Moment für den Erklärenden bindend ist. Er kann die Erklärung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr widerrufen (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB).

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