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III.Stellvertretung 1.Grundlagen

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113Im Rechtsverkehr sind oft derjenige, der bei der Abgabe von Willenserklärungen handelt und derjenige, den die Folgen der Willenserklärung treffen sollen, nicht identisch.

Beispiel:

– Die Angestellte in einem Laden schließt die Kaufverträge für den Ladeninhaber.

– Der Geschäftsführer einer GmbH schließt die Verträge für die Gesellschaft ab.

114Die Frage, wann jemand aus der Willenserklärung eines anderen berechtigt und verpflichtet wird, beantwortet § 164 Abs. 1 BGB, der sich mit der Wirkung der Erklärung des Vertreters beschäftigt. Dieser lautet:

„Eine Willenserklärung , die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen.“

115Die sich aus dem § 164 Abs. 1 BGB ergebenden vier Voraussetzungen für eine wirksame Stellvertretung sind:

1. Zulässigkeit der Stellvertretung (steht nicht im Gesetz),

2. eigene Willenserklärung des Vertreters,

3. Abgabe der Willenserklärung im Namen des Vertretenen und

4. Handeln innerhalb der dem Vertreter zustehenden Vertretungsmacht.

Sind diese vier Voraussetzungen erfüllt, wirkt die Willenserklärung des Vertreters unmittelbar für und gegen den Vertretenen.

Abbildung 14: Vertretung eines Dritten § 164 Abs. 1 BGB


116a) Zulässigkeit der Stellvertretung. Die Einschaltung eines Stellvertreters ist bei fast allen Rechtsgeschäften zulässig. Lediglich bei sogenannten höchstpersönlichen Rechtsgeschäften, also Rechtsgeschäften, die der Erklärende selbst abschließen muss, ist die Stellvertretung ausgeschlossen.

Beachten Sie:

Diese Voraussetzung ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 164 Abs. 1 BGB. Die Stellvertretung ist nur bei rechtsgeschäftlichen Handlungen, nicht aber bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften (bspw. Eheschließung oder Testamentserrichtung) zulässig.

Beispiel: Die Eheschließung kann nach § 1311 Satz 1 BGB nur höchstpersönlich erfolgen. Weiterhin kann die Testamentserrichtung nach § 2064 BGB ebenfalls nur höchstpersönlich erfolgen. Auch ein Erbvertrag kann nach § 2274 BGB nur selbst geschlossen werden.

117Die Höchstpersönlichkeit darf nicht mit der gleichzeitigen Anwesenheit der Parteien verwechselt werden. Sieht das Gesetz die gleichzeitige Anwesenheit von Parteien vor, wie bspw. bei der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, so ist die Vertretung zulässig.

118b) Abgabe einer eigenen Willenserklärung durch den Vertreter. Nach dem Wortlaut des § 164 Abs. 1 BGB muss der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgeben. Aus § 165 BGB ergibt sich, dass der Vertreter hierzu zumindest beschränkt geschäftsfähig sein muss. Sinn und Zweck dieser Voraussetzung ist es, den Vertreter vom sogenannten Boten abzugrenzen. Der Bote gibt keine eigene Willenserklärung ab, sondern er überbringt lediglich eine fremde Willenserklärung.

Beachten Sie:

Irrt sich der Bote und überbringt die zu übermittelnde Willenserklärung falsch, so kann der Geschäftsherr die Erklärung nach § 120 BGB anfechten (s. Rn. 78 ff.)

119Die Abgrenzung zwischen einem Vertreter, der eine eigene Willenserklärung abgibt, und einem Boten, der eine fremde Willenserklärung überbringt, kann im Einzelfall durchaus schwierig sein. Hier muss die Abgrenzung anhand des Empfängerhorizonts des Erklärungsempfängers erfolgen. Tritt der Erklärende eigenständig auf und hat eigene Erklärungs- und Entscheidungsbefugnis, handelt es sich um einen Stellvertreter. Tritt der Erklärende unselbstständig, lediglich als „Sprachrohr“ des Geschäftsherren auf und hat keinen eigenständigen Entscheidungsspielraum, handelt es sich um einen Boten.

Beispiel: A erklärt, er möchte im Namen des B eine bestimmte Uhr kaufen und fragt beim Juwelier nach dem Preis. Nachdem A mit dem Juwelier über den Preis verhandelt hat, erklärt er sich namens des B damit einverstanden, die Uhr zu kaufen. Hier hat A erkennbar eine eigene Entscheidungsbefugnis und ist daher Vertreter.

Erklärt A gegenüber dem Juwelier, er solle von B ausrichten, dass dieser eine bestimmte Uhr zum Kaufpreis von 650 € erwerben möchte, hat A keinen eigenständigen Entscheidungsspielraum. Er ist daher Bote.

120c) Handeln im Namen des Vertretenen. Aus dem Wortlaut des § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich, dass die Stellvertretung für den Geschäftspartner erkennbar, also offenkundig sein muss. Macht der Vertreter dies nicht erkennbar, so ergibt sich aus § 164 Abs. 2 BGB, dass er ein Eigengeschäft geschlossen hat.

Beispiel: A beauftragt den B damit, beim Juwelier C in seinem Namen eine bestimmte Uhr zum Preis von max. 1000 € zu erwerben. Macht B beim Kauf gegenüber dem C nicht ausreichend erkennbar, dass er den Vertrag nicht für sich, sondern für den A abschließen will, liegt ein Eigengeschäft vor. Dass bedeutet, dass B dann selbst die Verpflichtungen des § 433 Abs. 2 BGB eingegangen ist. Er kann, wie sich aus § 164 Abs. 2 BGB ergibt, seine Erklärung auch deshalb nicht wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten.

121Wie sich aus § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, kann der Vertreter entweder ausdrücklich erklären, dass er nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Vertretenen handelt oder dies kann sich aus den Umständen ergeben.

122Beispiele für eine ausdrückliche Erklärung sind, „Ich bestelle für den B diese Uhr.“, aber auch, wenn der Erklärende mit Abkürzungen unterzeichnet, die klarmachen, dass er nicht für sich selbst, sondern für einen Dritten handelt. Etwa durch Vermerke wie:

– i. V. für in Vertretung

– i. A. für im Auftrag

– ppa. für das Handeln als Prokurist.

Beispiele für Fälle, in denen sich das Handeln in fremdem Namen aus den Umständen ergibt:

– Die Kassiererin in einem Supermarkt schließt den Kaufvertrag erkennbar nicht im eigenen Namen, sondern für den Betreiber der Supermarktkette. Dies ergibt sich bereits aus den Umständen.

– Bestellt ein Mitarbeiter Ware auf dem Briefpapier seiner Firma, so ergibt sich ebenfalls unzweifelhaft aus den Umständen, dass er im Namen seines Arbeitsgebers handelt.

123Im Unterschied zu einem Handeln „in“ fremdem Namen liegt im Falle einer Identitätstäuschung ein handeln „unter“ fremdem Namen vor. Diese Fälle sind wie folgt zu behandeln:

– Ist es für den Geschäftspartner wichtig, mit wem er den Vertrag abschließt, so gelten die Vertretungsregeln entsprechend.

– Ist dem Geschäftspartner egal, wie die Identität des Vertragsschließenden ist und will er den Vertrag mit derjenigen Person schließen, die gerade vor ihm steht, dann liegt ein Eigengeschäft des Handelnden vor, d. h. der Handelnde wird unmittelbar Vertragspartner.

Beispiel: A kauft sich in einer Drogerie Kondome. Weil ihm dies peinlich ist, gibt er sich als C aus. Hier kommt der Vertrag unmittelbar mit A zustande, da dem Drogisten die Identität des A aufgrund des Bargeschäfts egal ist.

Verkauft hingegen A unter den Zugangsdaten des C bei e-bay Ware, ist es für den Käufer die Identität des Verkäufers durchaus wichtig, was sich nicht zuletzt daraus ergibt, dass die Zuverlässigkeit des Verkäufers für den Käufer ein wichtiges Entscheidungskriterium sein kann. In diesem Fall gelten die Regeln über die Stellvertretung entsprechend und ein Kaufvertrag kommt nicht zustande, da A zwar „unter“ dem Namen des C gehandelt hat, jedoch von diesem keine Vertretungsmacht hatte. A haftet dann nach § 179 BGB (s. Rn. 131 ff.).

124Bei Bargeschäften des täglichen Lebens wird eine Ausnahme von dem Offenkundigkeitsprinzip gemacht, denn bei Geschäften, die sofort bar beglichen werden, ist es für den Vertragspartner regelmäßig unwichtig, für wen der Handelnde aktiv ist. Es handelt sich um eine sogenanntes „Geschäft für den, den es angeht“.

Beispiel: A kauft für seinen Freund B Lebensmittel im Supermarkt. Hier kommt der Kaufvertrag (§ 433 BGB) und die Übereignungen (§ 929 Satz 1 BGB) unmittelbar mit dem A zustande, auch wenn A die Vertretung nicht erkennbar macht.

125d) Vertretungsmacht. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt weiterhin voraus, dass der Vertreter innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehandelt hat. Die Vertretungsmacht kann hierbei

– gesetzlich (Beispiele: §§ 1626, 1629, 1793, 1902, 1357 BGB),

– organschaftlich (Beispiele: §§ 35 GmbHG, 78 AktG, 24 Abs. 1 GenossG),

– gesellschaftsrechtlich (Beispiele: §§ 714, 709 BGB, 125, 126 HGB, 161 Abs. 2 HGB) oder

– rechtsgeschäftlich (Beispiel: § 167 BGB)

sein.

126Die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht heißt Vollmacht (§ 166 Abs. 2 BGB). Die Vollmacht wird durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Bevollmächtigung) erteilt. Sie kann entweder gegenüber dem Vertreter oder gegenüber demjenigen, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll, erteilt werden (§ 167 Abs. 1 BGB). Hierbei ist die Erteilung der Vollmacht nach § 167 Abs. 2 BGB grundsätzlich formfrei, auch wenn das Rechtsgeschäft, auf das sich die Vollmacht bezieht formbedürftig ist.

Beachten Sie:

Von der Formfreiheit gibt es bestimmte Ausnahmen, bspw. in §§ 2 Abs. 2 GmbHG, 134 Abs. 3, 135 AktG oder wenn der Vertreter durch die Vollmachtserteilung so gebunden wird, wie durch den abzuschließenden Vertrag selbst, was insbesondere bei einer unwiderruflichen Vollmacht zur Grundstücksveräußerung der Fall ist (hier greift § 311b Abs. 1 BGB).

127Die Vollmacht kann in verschiedensten Formen erteilt werden. Sie kann etwa nur für ein bestimmtes Rechtsgeschäft erteilt werden, oder auch für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften. Kaufleute können spezielle Arten der Vollmacht erteilen, bspw. Prokura nach § 48 HGB, eine Handlungsvollmacht nach § 54 HGB oder eine Ladenvollmacht nach § 56 HGB. Nach § 168 Satz 2 BGB können diese Vollmachten jederzeit frei widerrufen werden.

128Von der Vollmacht selbst ist das ihr zugrunde liegende Rechtsgeschäft zu unterscheiden. Das zugrunde liegende Rechtsgeschäft ist der Grund, warum die Vollmacht erteilt wird. Hierbei kann es sich bspw. um einen Auftrag (§ 662 BGB), einen Dienstvertrag (§ 611 BGB) aber auch um jedes andere Rechtsgeschäft handeln. Nach § 168 Satz 1 BGB endet grundsätzlich mit dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft auch die Vollmacht.

Beispiel: A hat seiner Sekretärin Vollmacht erteilt, im Rahmen ihres Dienstverhältnisses Büromaterial für die Firma einzukaufen. Wird der Arbeitsvertrag mit der Sekretärin gekündigt, erlischt mit dessen Beendigung nach § 168 Satz 1 BGB auch die Vollmacht.

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