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Das »Wo«

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Wir befinden uns stets »irgendwo« im physischen Raum. Und dieser Ort verschafft uns, gleich ob es uns bewusst ist oder nicht, eine direkte Begegnung mit der Realität, die unsere Gedanken, Gefühle und Entscheidungen unbewusst formt und prägt.


Abb. E.1: Die HOME‐Perspektive (Die menschliche Sicht auf bedeutungsvolle Erfahrungen)

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit gezielt auf das »Wo« richten, und sei es auch nur für einen Augenblick, hilft uns diese bewusste Wahrnehmung, unsere Gedanken zu klären und zu reflektieren. Damit eröffnet sie uns die Möglichkeit, einen Schritt zurückzutreten und andere Gesichtspunkte einzubeziehen. Das bezeichnet man als »langsames Denken«, ein Begriff, den der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann geprägt hat. Langsames Denken ist von zentraler Bedeutung, um zu verhindern, dass »schnelles« oder reflexgesteuertes Denken den Vorrang einnimmt. Es gestattet uns, vielfältige Perspektiven in Betracht zu ziehen, was dazu führt, dass wir verschiedene Antworten auf komplexe Probleme entdecken und innovative Lösungen entwickeln können. Darauf kommen wir im 10. Kapitel über die seelenbasierte Führung zurück.

Das »Wo« der Daten erfasst in diesem Buch belastbare Ergebnisse aus Dutzenden Ländern, in denen virtuelle Distanz entdeckt, gemessen und das Problem behoben wurde. Hier sind die meisten Industrienationen der Welt, aber auch Entwicklungs‐ und Schwellenländer repräsentiert (siehe Tabelle E.4 als Liste und Abbildung E.2 als Landkarte).

Argentinien ArmenienAustralien Belgien Brasilien Chile China Dänemark Deutschland Ecuador ElfenbeinküsteEstland Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien Hongkong Indien IndonesienIrland Israel Italien Japan Jordanien Kanada Kenia Kolumbien Lettland Litauen Mali Mexiko Mikronesien Mozambique Niederlande NigeriaNorwegen Österreich Pakistan Peru Polen Russland Saudi‐Arabien Schweden Schweiz Singapur Spanien Südafrika Südkorea Südsudan Taiwan TansaniaTschechien Türkei USA Zambia

Tabelle E.4: Liste der Länder, die in den Benchmark‐Daten des Modells der virtuellen Distanz erfasst sind


Abb. E.2: Karte der Länder, die in den Benchmark‐Daten der virtuellen Distanz erfasst sind

Wir haben unsere Erkenntnisse 2011 im Rahmen der UN‐Weltfrauenkonferenz geteilt, an der mehr als 1200 Delegierte von NGOs aus mehr als hundert Ländern teilnahmen. Die Organisatorinnen fassten sie ihrem Abschlussbericht folgendermaßen zusammen:

Dr. Karen Lojeski präsentierte ihre Forschungsarbeit zum Thema »virtuelle Distanzierung«, eine wahrnehmbare interpersonelle Abgrenzung, die mit der vermehrten Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel zunimmt. Je enger wir als Gesellschaft vernetzt sind, desto isolierter fühlen wir uns paradoxerweise als Einzelpersonen. Wir sollten verstehen, welche Hilfen uns die Technologie bietet, aber auch welche Hindernisse sie für menschliche Interaktionen darstellt, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung und den Kampfgeist der Frauen. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmerinnen über die wachsende virtuelle Distanzierung.

Die Gruppe gelangte zu der Schlussfolgerung:

Virtuelle Distanz ist für Frauen von zentraler Bedeutung, doch die Herausforderungen der virtuellen Distanz und Kommunikation können die Fortschritte der Frauen hemmen und lassen sich nicht allein durch Lernprogramme und Trainings bewältigen. Jeder sollte einen aktiven Beitrag leisten, um dieses Problem in Angriff zu nehmen, einschließlich Bildungsexperten, politische Entscheidungsträger und alle, denen sich aufgrund ihrer Position die Möglichkeit bietet, »der Welt etwas mitzuteilen«.1

Die virtuelle Distanz ist ein Merkmal, das wir als Erwerbstätige auf globaler Ebene teilen. Es betrifft uns alle, gleich aus welchem Teil der Welt wir stammen. Bei jeder Schulung oder Topmanagement‐Beratung haben die Leute das Gefühl, zu »verstehen«, was virtuelle Distanz bedeutet, ungeachtet der geografischen, sprachlichen oder kulturellen Unterschiede, und sogar dann, wenn sie vielleicht nie etwas davon gehört haben, wie der UN‐Bericht betonte.

Menschen, die sich ausgrenzt und abgehängt fühlen, beginnen schon nach kurzer Zeit damit, Geschichten über die virtuelle Distanz in ihrem spezifischen Kontext auszutauschen. Das führt ebenso rasch zu der Erkenntnis, dass die Gemeinsamkeiten größer sind als sie ursprünglich dachten.

Unkontrollierte virtuelle Distanz stellt ein schwerwiegendes Hindernis für die Effektivität auf individueller und Unternehmensebene dar. Doch ironischerweise ist ihre Wirkung als einende, verbindende Kraft gleichermaßen groß. Kompetente Führungskräfte nutzen den positiven Aspekt dieser widersprüchlichen Situation, indem sie für eine erhöhte Wahrnehmung der virtuellen Distanz sorgen. Sobald verstanden wurde, was es damit auf sich hat, sind virtuell Beschäftigte mit Hilfe eines sinnstiftenden Rahmenwerks imstande, Probleme zu benennen und zu erklären, die oft unlösbar und unzusammenhängend erscheinen.

Ein Beispiel: Jemand erhält eine E‐Mail, die ihn ärgert. Er unterstellt dem Absender, dass er »keine Ahnung hat, in welcher Position ich mich befinde«. Nachdem er sich mit dem Konzept der virtuellen Distanz vertraut gemacht hat, neigt er vielleicht zu einer objektiveren Sichtweise und geht davon aus, dass die operative Entfernung zwischen ihnen zu groß ist, um sich in seine Lage zu versetzen.

Dazu kommt, dass sich virtuelle Teams oft aus Personen zusammensetzen, die in verschiedenen Teilen der Welt beheimatet sind, eine Realität, die der falschen und beeinträchtigenden Auffassung Vorschub leisten kann, dass wir uns auf der menschlichen Ebene erheblich voneinander unterscheiden.

Die Macht der virtuellen Distanz

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