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Diagnose ≠ Häufigkeit von Burnout
ОглавлениеDie Häufigkeit der ärztlich oder psychotherapeutisch vergebenen Diagnosen sagt wenig über die tatsächliche Häufigkeit von Burnout in der Bevölkerung aus. Denn es ist davon auszugehen, dass die Zahl der nicht diagnostizierten Burnouts sehr hoch ist. Nicht alle ausgebrannten Menschen begeben sich in die Gesundheitsversorgung und werden dort registriert. Zudem werden vermutlich einige der von Burnout Betroffenen unter einer anderen Diagnose eingruppiert und tauchen daher in den Statistiken nicht auf. Ein gewichtiger Grund dafür liegt auch an der schwierigen Definition und Differenzierung der Kriterien für Burnout. Näheres erfahren Sie dazu in den Kapiteln 2 »Das Phänomen Burnout« und 4 »Die Begegnung mit dem Burnout« ( Kap. 2, Kap. 4).
Derweil ist dieses Phänomen sowohl im Arbeits- und Wirtschaftsbereich als auch im Sozial- und Gesundheitssystem eine nicht zu vernachlässigende Größe. Schließlich sind arbeitende Menschen durch das Burnout beeinträchtigt, werden krankgeschrieben, können somit weniger leisten und verdienen.
In den sogenannten Stress- oder Gesundheitsreporten der gesetzlichen Krankenversicherungen finden sich weitere Daten zu Häufigkeiten und Dauer der Krankschreibungen wegen Burnout in der arbeitenden Bevölkerung. Und hier ist es interessant sich die Veränderungen im Zeitverlauf anzusehen ( Abb. 1).
Da es leider keine Übersicht oder Zusammenschrift aller Berichte der verschiedenen Krankenversicherungen in Deutschland gibt, soll hier als charakteristisches Beispiel der Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen (BKK) aus dem Jahr 2016 dienen ( Abb. 1). Laut dieser Statistik hat sich zwischen 2005 und 2011 die Dauer der Arbeitsunfähigkeit – damit ist die Länge der Krankschreibung gemeint – aufgrund von Burnout um nahezu das Neunfache erhöht (von 10,1 auf 86,8 AU-Tage je 1.000 Versicherte). Gleichzeitig stieg insgesamt die Anzahl der krankgeschriebenen Versicherten um das Fünffache an (von 0,5 auf 2,5 AU-Fälle je 1.000 Versicherte). Dies ist eine enorme Steigerung und bedeutet
Abb. 1: Krankschreibungen wegen Burnout, BKK-Gesundheitsreport (aus: Knieps, F. & Pfaff, H. (Hrsg.). (2016). BKK Gesundheitsreport 2016. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, S. 63)
denn auch, dass die Zeichen der Überarbeitung von Menschen nicht ignoriert werden können.
In den nachfolgenden Jahren zeigt sich eine Stagnation der Werte ( Abb. 1). Zwar schwankt die Anzahl der Fälle von Krankschreibungen wegen Burnout leicht, bleibt aber grundsätzlich auf diesem hohen Niveau bestehen. Und tatsächlich fanden ab 2012 verschiedene Interventionen statt: Es wurden Gesetze zum Arbeitsschutz eingeführt, die psychische Belastungen am Arbeitsplatz eindämmen sollten ( Kap. 1.1.3 »Relevanz in unserer Gesellschaft«). In Wissenschaft und Forschung gab es vermehrte Projekte und Diskussionen zu Burnout und dessen Bewältigung. Die ärztlichen und psychotherapeutischen Weiterbildungen gingen verstärkt auf Unterschiede zwischen Burnout und anderen psychischen Erkrankungen ein. In der Sozialversicherungspraxis wurde zunehmend kontrolliert, wenn die Diagnose Burnout auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stand, denn diese Diagnose entspricht nicht dem Tatbestand einer Krankheit (Näheres in Kap. 2.4.4 »Unterschied zu verschiedenen Erkrankungen«). Deshalb achten seitdem die Krankenversicherungen verstärkt darauf, solche Diagnosen wie Burnout nicht als längerfristigen Arbeitsunfähigkeitsgrund gelten zu lassen.