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Оглавление4 Kompression und Dekompression
S. G. Scholz
Im Kapitel Kompression und Dekompression werden die Grundlagen der Dekompressionstheorie sowie erfolgreiche Dekompressionsstrategien beschrieben. Ziel ist es, ein fundiertes Verständnis für die Abläufe im Körper während eines Tauchgangs zu entwickeln. Dabei wird generell auf die Herleitung der zum Teil komplexen Mathematik, insbesondere bei den Zweiphasenmodellen, verzichtet. Stattdessen sollen die den Modellen zugrunde liegenden Ideen verständlich erläutert werden.
4.1 Dekompressionsgrundlagen
Im Folgenden werden die wesentlichen Zusammenhänge, die für das Verständnis von Dekompression und deren Modellierung notwendig sind, kurz erläutert. Schwerpunkt bildet das Verständnis von Perfusions- und Diffusionsvorgängen zwischen Gas und Körperflüssigkeit, da diese Mechanismen die Grundlage der später beschreibenden Dekompressionsmodelle bilden.
4.1.1 Auf- und Entsättigung
Der grundsätzliche Mechanismus für die Dekompressionserkrankung ist das Entstehen von Gasblasen im Körpergewebe, die zu Verschlüssen der Kapillaren und damit zu Sauerstoffmangel in den Geweben, die von den betroffenen Gefäßen versorgt werden, führen können. Bereits 1670 beschrieb Robert Boyle den Effekt der Blasenbildung in Flüssigkeiten. Er zeigte, dass sich Gase unter Druck in Flüssigkeiten lösen und es bei einem plötzlichen Druckabfall zu einem Ausperlen (Blasenbildung) des Gases kommt. Nach dem Gesetz von Henry lösen sich Gase, die unter Druck stehen, in Flüssigkeiten, wobei die Menge des gelösten Gases proportional zum Partialdruck des Gases an der Flüssigkeitsoberfläche ist (s. Kap. 2, Physikalische Grundlagen). Dabei dringen Gasmoleküle, die auf die Oberfläche einer Flüssigkeit treffen, in diese Flüssigkeit ein, bis ein Gleichgewichtszustand zwischen ein- und austretenden Gasmolekülen erreicht ist (Sättigung) und in der Nettobilanz kein weiteres Gas mehr in der Flüssigkeit gelöst wird. Erst durch Erhöhen des Drucks kann wieder Gas gelöst werden. Kommt es dagegen zum Druckabfall, wechselt das bereits gelöste Gas den Aggregatzustand und geht aus der Lösung in die Gasphase über. Dies kann an der Oberfläche der Flüssigkeit geschehen oder auch innerhalb des Flüssigkeitsvolumens. Die Menge des gelösten Gases hängt von der Temperatur, der Art der Flüssigkeit und der Art des Gases ab. Zu beachten ist, dass die von Henry postulierte Proportionalität zwischen gelöster Gasmenge und Druck des Gases über der Flüssigkeitsoberfläche nur für Drücke gilt, die in der Größenordnung des Umgebungsdrucks beim Tauchen liegen (0,7–20 bar).
Fallbeispiel. Ein Sättigungstaucher mit 80 kg Körpergewicht ist in einer Tiefe von 400 m gesättigt. Er atmet ein Gas mit 98 % He, 1 % N2 und 1 % Sauerstoff. Bei einem Umqebunqsdruck von pUmgebung = 41 bar 2 in400 m Tiefe ergeben sich folgende Partialdrücke (Teildrücke, s. Gesetz von Dalton, S. 21) (p): pHe = 40,18 bar; pN2 = 0,41 bar, p02 = 0,41 bar. Geht man davon aus, dass der Körper des Tauchers aus 60 l Wasser und 20 l Öl besteht (Löslichkeitskoeffizient [α] von He in Öl [αHe–Öl = 0,015] und Wasser [αHe–H2O = 0,009]), ergeben sich folgende Werte für die gelösten Heliummengen (QHe) im Körper: QHe–Öl = 0,015 × 20 l × 40,18 bar = 12 barl und QHe–H2O = 0,009 × 60 l × 40,18 bar = 21,7 barl. Die Gesamtlösungsmenge an Helium bei einem Umgebungsdruck von 41 bar ist demnach 33,7 barl. Bei einem plötzlichen Druckabfall auf 1 bar (Druck auf Meereshöhe) würde nahezu die gesamte gelöste Menge an Helium plötzlich ausperlen. Eine solche massive Gasblasenbildung im Organismus würde zum augenblicklichen Tod des Tauchers führen. Bereits um Zehnerpotenzen geringere Mengen Gasblasen im Körper können extreme Schädigungen verursachen.
Bei einem Tauchgang verändern sich mit wechselnder Tauchtiefe der Umgebungsdruck und damit die Partialdrücke der Inertgase, was dazu führt, dass sich unterschiedlich viel Inertgas in den Körpergeweben löst. Als Inertgase bezeichnet man Gase, die nicht an der Reaktion im Körper teilnehmen, z. B. Stickstoff oder Helium. Diese Gase diffundieren bei einem Partialdruckgefälle in Richtung des niedrigeren Partialdrucks. Je größer diese Differenz, desto schneller wird Inertgas aus den Geweben abgegeben. Gleichzeitig reagieren unterschiedliche Gewebsgruppen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf eine Veränderung des Inertgaspartialdrucks (Abb 4.1). Die Geschwindigkeit für die Auf- und Entsättigung der einzelnen Gewebsgruppen wird dabei durch das Maß der Kapillarisierung und damit der Durchblutung des Kompartiments bestimmt. Stark durchblutete Gewebsgruppen, wie z. B. das Gehirn oder die Nieren, reagieren schnell auf Änderungen des Inertgasdrucks, schwach durchblutete Kompartimente, wie Knochen oder Knorpel, reagieren entsprechend langsam. Hierauf wird im Abschnitt Dekompressionsmodelle noch ausführlicher eingegangen. An dieser Stelle soll nur kurz darauf hingewiesen werden, dass Körpergewebe bei der Berechnung von Dekompressionsmodellen als Flüssigkeiten betrachtet werden.
Ein Tauchgang kann aus dekompressionstechnischer Sicht in drei Phasen eingeteilt werden, Kompressions-, Isopressions- und Dekompressionsphase. Die Kompressionsphase zeichnet sich durch eine Zunahme des Umgebungsdrucks (Zunahme der Tauchtiefe) aus. Der zunehmende Umgebungsdruck bewirkt, dass vermehrt Inertgas in den Geweben gelöst wird. In der Isopressionsphase (Verweilen auf konstanter Tiefe) ist der Umgebungsdruck quasi konstant. Genau wie in der Kompressionsphase wird Inertgas als Funktion der Zeit in den Körpergeweben gelöst, wobei das treibende Potenzial der Partialdruckunterschied zwischen dem Inertgas in der Gasphase und dem bereits gelösten Inertgas ist. Mit zunehmender Tauchzeit wird diese Differenz immer geringer, wodurch sich die Aufnahme von Inertgas verlangsamt, bis sich ein stationärer Gleichgewichtszustand (Sättigung) einstellt. In der Dekompressionsphase (Verringerung der Tauchtiefe) sinkt der Umgebungsdruck, so dass der Inertgasdruck in der Lunge niedriger ist als der Gasdruck des Inertgases in der gelösten Phase. Dieser Druckunterschied bewirkt, dass Inertgas aus den Geweben diffundiert und über die Lunge abgeatmet wird. Ziel der Dekompressionsstopps ist es, das Blasenwachstum zu begrenzen bzw. durch gezielte Stopps in unterschiedlichen Tauchtiefen die Inertgaspartialdruckdifferenz zu minimieren, so dass genug Zeit besteht, entstandene Mikroblasen abzuatmen.
Abb. 4.1: Unterschiedliche Körpergewebe reagieren bezüglich Auf- und Entsättigung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf eine Änderung des Umgebungsdrucks
4.1.2 Diffusion und Strömung
Um die Mechanismen des Gastransports verstehen zu können, sind die Begriffe der Diffusion und Strömung aus der Thermodynamik entscheidend. Zusätzlich bildet Perfusion die Grundlage vieler Dekompressionsmodelle.
Diffusion
Diffusionsprozesse sind Transportprozesse von Teilchen entlang der Konzentrationsunterschiede. Diese Konzentrationsunterschiede werden von den Teilchen unter Ausnutzung ihrer thermischen Bewegungsenergie ausgeglichen. Jedes Teilchen bewegt sich dabei in eine nahezu beliebige Richtung, wobei sich ein Nettofluss in Richtung des Konzentrationsgefälles ergibt. Dieser Prozess endet bei Erreichen eines Gleichgewichtszustands. Die Ausgleichsgeschwindigkeit von Konzentrationsunterschieden ist umgekehrt proportional zum Konzentrationsunterschied (Fick‘sches Gesetz), wobei leichte Gase schneller diffundieren als schwere. Diffusion ist der treibende Mechanismus für den Gastransport am Übergang Lunge-Blutbahn und verantwortlich für den Transport von gelösten Inertgasen zwischen den Geweben/ Kompartimenten.
Perfusion
Perfusion bezeichnet die Durchblutungsrate eines Körpergewebes. Je besser die Kapillarisierung eines Gewebes ist, desto besser ist es in der Regel durchblutet, und je stärker die Durchblutung eines Kompartiments/Gewebes ist, desto schneller reagiert es auf die Veränderung des Inertgaspartialdrucks. Bei der Gruppe der perfusionsorientierten Dekompressionsmodelle beruhen die Auf- und Entsättigungsgeschwindigkeiten der einzelnen parallelen Kompartimente auf der Perfusionsrate (s. Abb 4.4).
Strömung
Bei Strömungsprozessen bewegen sich die Teilchen entlang von Stromlinien. Dies hat zur Folge, dass sich alle Teilchen quasi in gleicher Richtung und mit annähernd gleicher Geschwindigkeit bewegen. Strömungsprozesse werden durch Dichteunterschiede gesteuert, die durch Temperaturgradienten oder Konzentrationsunterschiede entstehen können. Warme Luft hat z. B. eine geringere Dichte als kalte Luft und steigt auf. Strömungsprozesse können aber auch durch äußere Einwirkungen, z. B. durch Pumpen verursacht werden. So wird der Blutstrom durch die Herzpumpe angetrieben.
4.1.3 Mechanismen der Blasenbildung und des Blasenwachstums
Im Zusammenhang mit Dekompressionsaspekten ist die Blasenbildung um so genannte Blasenkeime (Nuklei) entscheidend. Blasen benötigen Störstellen/Keime als Basis für das Blasenwachstum, da die Gasspannungen im Gewebe zu niedrig sind, um ein spontanes Aufspringen von Gasblasen zu ermöglichen. Dabei dient oft ein minimaler Gasrest als Pfad für die Diffusion von weiteren Gasmolekülen in die Blase. Das Wachstum einer Blase aus einem Blasenkeim heraus wird als Nukleation bezeichnet. Gasblasen können aber nicht nur an Störstellen (wie z. B. an den festen Bestandteilen des Blutes) entstehen, sondern auch an Stellen lokalen Unterdrucks (Kaviation), wie sie z. B. in turbulenten Strömungen oder in Reibungsbereichen zwischen Grenzschichten herrschen. Diese Art der Blasenentstehung wird als Tribonukleation bezeichnet (Abb 4.2).
Abb. 4.2: a In einer Störstelle des Gewebes (Blasenkeim) wird eine kleine Menge Gas eingefangen. Die Gasoberfläche ist zunächst konkav. b Zusätzliches Gas diffundiert in die Gasblase, wodurch diese wächst. c Überschreitet die Gasblase eine Grenzgröße, löst sie sich vom Gewebe und wird mit dem Blutstrom abtransportiert
Hinweis. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der Nuklei erreicht den kritischen Radius, der ein Anwachsen von stabilen Blasen ermöglicht. Der weit größere Prozentsatz der Nuklei kollabiert unterhalb des kritischen Radius. Da der Prozess der Blasenentstehung ein stochastischer Prozess ist, kann nicht exakt berechnet werden, wann und wo sich eine stabile Blase bilden wird. Vorhandene Gasreste, Kavitation und Störstellen jedoch unterstützen maßgeblich die Blasenentstehung und das Blasenwachstum.
Der Gasinnendruck einer Blase steht im Gleichgewicht zum umgebenden hydrostatischen Druck plus der Oberflächenspannung, die aus den umgebenden Flüssigkeitsmolekülen resultiert. Dabei sinkt der Einfluss der Oberflächenspannung mit zunehmender Blasengröße. Anschaulich lässt sich der Effekt der Blasenbildung an kohlesäurehaltigen Getränken diskutieren: In einer Sprudelflasche wird unter Druck Kohlendioxid zugesetzt. Nach dem Gesetz von Henry löst sich dieses Gas in der Flüssigkeit. Bei verschlossener Flasche ist der Druck über der Flüssigkeitsoberfläche konstant und das CO2 bleibt in Lösung. Wird die Flasche geöffnet und es kommt damit zu einem Druckabfall, wachsen die CO2-Blasen nach dem Gesetz von Boyle-Mariotte. Zusätzlich steigt die Diffusionsrate von Gas in die Blasen sprunghaft an. Die entstandenen Gasblasen wachsen auf dem Weg zur Oberfläche, wobei Diffusion der entscheidende Mechanismus ist, d. h., die Blase wächst dadurch, dass sich die Masse an Gas im Inneren der Blase stetig erhöht. Die Veränderung der Blasengröße auf Grund der Abnahme des hydrostatischen Drucks auf dem Weg zur Oberfläche ist dabei vernachlässigbar. Die Flüssigkeitsoberfläche in der geöffneten Flasche hat einen Druck von 1 bar (Meereshöhe). In einer gewöhnlichen Flasche ist die Höhe der Flüssigkeitssäule ca. 30 cm, wonach am Flaschenboden ein Druck von 1,03 bar herrscht. Das Volumen der Blase vergrößert sich beim Aufstieg nach dem Gesetz von Boyle-Mariotte um 3 %. Beobachtet wird allerdings ein Anwachsen des Volumens auf das Drei- bis Vierfache (300–400 %), was nur durch Diffusion erklärt werden kann. Ebenso kann das Entstehen der Blasen um Blasenkeime veranschaulicht werden; in der Regel entstehen Blasen an mikroskopischen Störstellen der Flaschenwand (Abb 4.3).
Abb. 4.3: Eine Gasblase wächst, wenn die Inertgasspannung im umgebenden Gewebe (Kurve Gewebe T N2) größer ist als der Blaseninnendruck (Gerade Blase p N2). Dementsprechend verkleinert sie sich, wenn die Inertgasspannung im umgebenden Gewebe kleiner ist als der Blaseninnendruck. Als Funktion der Zeit sind im oberen Bildteil die Zustände „Inertgasdruck im umgebendes Gewebe ist größer als der Blaseninnendruck“ (linkes Drittel) und „Inertgasteildruck kleiner als Blaseninnendruck“ (rechts) dargestellt. Der daraus resultierende zeitliche Verlauf des Blasenradius (untere Bildhälfte) hat das Maximum zum Zeitpunkt gleichen Blaseninnendrucks wie Inertgaspartialdruck im umgebenden Gewebe
4.2 Dekompressionsmodelle
4.2.1 Grundlagen der Modelltheorie
Dekompressionsmodelle lassen sich je nach Schwerpunkt des Modellansatzes in drei große Gruppen unterteilen, in Einphasen-, Zweiphasen- und statistische Modelle. Einphasenmodelle sind perfusionsorientiert. Sie beschreiben die Auf- und Entsättigung der Kompartimente in Abhängigkeit der Durchblutungsrate. Grundlage dieser Modelle ist die Theorie von Haldane, auf die alle weitere Theorien, die so genannten Neo-Haldane-Modelle, aufbauen. Hierzu gehören u. a. das Modell von Workman, der Bühlmann-Algorithmus und die Differenzialgleichung von Schreiner (s. dort). Zweiphasenmodelle berücksichtigen neben dem gelösten Inertgas auch die Gasphase. Im Vordergrund steht die mathematische Beschreibung der Blasenentstehung und des Blasenwachstums. Die Dekompressionsvorschriften während des Aufstiegs werden dabei so berechnet, dass das Blasenwachstum auf einen definierten kritischen Wert (Radius) beschränkt wird. Statistische Modelle analysieren real durchgeführte Tauchgangsprofile und werten diese im Hinblick auf das DCS-Risiko aus, wobei auf Datenbanken zurückgegriffen wird, die zusätzlich zu den Tauchgangsprofilen Beschreibungen zu Dekompressionserkrankungen enthalten. Eine fundierte Datenbasis mit statistischer Signifikanz ist Grundlage dieses Modellansatzes. Im Folgenden soll näher auf die unterschiedlichen Modelle eingegangen werden.
4.2.2 Einphasenmodelle
Einphasenmodelle berücksichtigen nur Gas in der gelösten Phase. Der Vorteil dabei ist, dass mit einfacher Mathematik Dekompressionspläne berechnet werden können. Nachteilig bei dieser Art der Modellbildung ist, dass in der Regel überdurchschnittlich lange und flache Stopps berechnet werden. Außerdem weisen die berechneten Dekompressionspläne einen relativ flachen ersten Dekompressionsstopp auf, so dass ein großer Druckgradient zwischen maximaler Tiefe und erstem Dekompressionsstopp entsteht und es somit zu vermehrtem Blasenwachstum und damit suboptimaler Dekompression kommen kann.
Haldane
Das Modell von Haldane basiert auf der Klassifizierung von fünf unterschiedlichen Gewebsgruppen (Kompartimente), die sich in ihrer Durchblutungsrate und damit in ihren Auf- und Entsättigungsgeschwindigkeiten unterscheiden. Kompartimente sind dabei Gruppen von Geweben, die sich aus dekompressionstechnischer Sicht durch quasi-identische Eigenschaften auszeichnen. In den Modellen von Haldane und Neo-Haldane sind die Kompartimente als voneinander unabhängig zu betrachten, d. h., sie können als parallele Gewebsgruppen angesehen werden, die mit dem Partialdruck des Einatemgases beaufschlagt und so als voneinander unabhängige Inertgasspeicher behandelt werden können (Abb 4.4).
Zur Beschreibung eines solchen Kompartiments führte Haldane den Begriff der Halbwertszeit ein, in Anlehnung an die Exponentialgesetze der Physik. Die Halbwertszeit ist dabei die Zeit, die benötigt wird, um die Hälfte des Partialdruckunterschieds auszugleichen. Nach einer Halbwertszeit sind danach 50 %, nach zwei Halbwertszeiten 75 % und nach drei Halbwertszeiten 87,5 % des Unterschieds überwunden. Man geht davon aus, dass nach sechs Halbwertszeiten die Kompartimente als gesättigt (98,5 %) anzunehmen sind. Haldane verwendete Halbwertszeiten von
5, 10, 20, 40 und 75 min für die fünf unterschiedlichen Kompartimente.
Weiterhin ermittelte Haldane experimentell die kritische Übersättigung eines jeden Kompartiments und zeigte, dass eine kritische Übersättigung von 2:1 für jedes von ihm untersuchte Kompartiment angenommen werden kann. Generell gilt bei dieser Art der Modellierung Folgendes: Ist der Umgebungsdruck niedriger als die jeweilige Gasspannung in einem Kompartiment, kommt es zur Entsättigung dieses Kompartiments. Während des Aufstiegs darf die kritische Übersättigung nicht überschritten werden. Das Haldane-Modell postuliert in diesem Fall, dass die Entsättigungsvorgänge symptomfrei, also ohne das Entstehen von Gasblasen ablaufen.
Neo-Haldane
Durch die Verwendung der Haldan’schen Dekompressionsvorschriften konnte die Zahl der Zwischenfälle bei Arbeiten unter Überdruckexposition deutlich reduziert werden. Dennoch gab es einige Zwischenfälle, die die Grenzen des Haldane-Modells aufzeigten. Ein wichtiger Fehler in diesem Modell war z. B., dass die Partialdruckberechnungen für die Dekompression auf dem Gesamtdruck des eingeatmeten Gases beruhen, also nicht zwischen Inertgasen und Gasen, die im Körper metabolisiert werden, unterschieden wird. Für die Sättigungsberechnung muss jedoch nur das Inertgas betrachtet werden. Weiterhin ging Haldane von einer tolerierten Übersättigung von 2:1 für jedes Kompartiment aus, d. h., jedes Kompartiment toleriert eine Druckhalbierung während des Aufstiegs symptomfrei. Wie schon erwähnt, ging er dabei fälschlicherweise vom Gesamtdruck des Gasgemisches und nicht vom Partialdruck der Inertgase aus.
Abb. 4.4: Neo-Haldane-Modelle zeichnen sich durch parallele Kompartimente aus, deren Auf- und Entsättigungsrate sich nach der Perfusion (Durchblutung) richtet. Exemplarisch sind hier 8 Kompartimente mit unterschiedlicher Durchblutungsrate dargestellt. Eine variierende Gesamtdurchblutungsrate verändert dabei die einzelnen Auf- und Entsättigungsgeschwindigkeiten und damit die Halbwertszeiten der Kompartimente. Die Durchblutungsraten von Kompartimenten, die für Muskelgewebe oder innere Organe stehen, können ihre Durchblutungsrate stark verändern. Bei adaptiven Dekompressionsmodellen versucht man, dies durch variable Halbwertszeiten zu simulieren
Workman
Als wichtigste Neuerung definierte Workman für jedes Kompartiment einen tolerierten Inertgasüberdruck. Dabei verwendet er eine lineare Beziehung zwischen Umgebungsdruck und toleriertem Inertgasüberdruck in den parallelen Kompartimenten. Die Einführung dieser Linearität ist die Grundlage fast aller heute gängigen Dekompressionsmodelle. Dekompressionsstopps während des Aufstiegs werden genau dann notwendig, wenn das Führungs- oder Leitkompartiment eine relative Sättigung von 100 % aufweist. Als Führungs- oder Leitkompartiment wird jenes Kompartiment bezeichnet, das zum betrachteten Zeitpunkt die höchste relative Sättigung aufweist.
Die tatsächliche Sättigung des Leitgewebes nimmt also den Wert der tolerierten Gasüberspannung (Übersättigungstoleranz) an. Während des Dekompressionsstopps nimmt die tatsächliche Sättigung als Funktion der Zeit ab, während die tolerierte Gasüberspannung, die allein vom Umgebungsdruck abhängt, konstant bleibt. Dies hat zur Folge, dass das Verhältnis aus der tatsächlichen Sättigung und der Übersättigungstoleranz (also die relative Sättigung) kleiner wird. Wird dort für das Führungskompartiment ein Wert erreicht, der ein Auftauchen zum nächst flacheren Stopp erlaubt, kann der Aufstieg zur höheren Dekostufe/Oberfläche begonnen werden.
Der Aufstieg wird also durch linear vom Umgebungsdruck abhängige Übersättigungstoleranzen paralleler Kompartimente gesteuert, wobei das Leitkompartiment den Aufstieg bestimmt. Es ist dabei zu beachten, dass die Rolle des Leitkompartiments während eines Tauchgangs oder während des Aufstiegs auf ein anderes Kompartiment übertragen werden kann.
Bühlmann
Das Modell von Bühlmann gilt bis heute als das Arbeitspferd unter den Dekompressionsmodellen (Abb 4.5). Modelltheoretisch basiert es auf den Annahmen von Workman, unterscheidet sich jedoch durch die Verwendung des absoluten Drucks. Damit ist dieses Modell auch ohne Erweiterungen z. B. für Dekompressionsberechnungen in Bergseen geeignet. Das Verhältnis zwischen Umgebungsdruck und symptomlos toleriertem Inertgasüberdruck wird dabei für jedes Kompartiment als konstant und vom Umgebungsdruck abhängig angenommen und geht als eigene Konstante in die Berechnung jedes Kompartiments ein.
Weiterhin berücksichtigt Bühlmann in seinem Modell sechzehn parallele Kompartimente, die gegen jeweils definierte Grenzwerte rechnen und von Halbwertzeiten zwischen 4 und 635 min ausgehen. Bei den experimentellen Ermittlungen der Übersättigungstoleranzen zeigte sich, dass Kompartimente mit einer kurzen Halbwertszeit symptomfrei die größte Gasüberspannung vertragen. Kompartimente mit langen Halbwertszeiten und damit schlechter Durchblutung vertragen dagegen symptomfrei nur relativ geringe Mengen an gelöstem Inertgas bei abnehmendem Umgebungsdruck. Das Bühlmann-Modell ist weit verbreitet, da der Algorithmus komplett veröffentlicht ist und die experimentell zu bestimmenden Parameter dieses Modells statistisch gut abgesichert sind. Schwächen weist das Modell bei kurzen, tiefen Tauchgängen und bei Wiederholungstauchgängen auf. Hier zeigt sich das grundsätzliche Verhalten der Einphasenmodelle, relativ flache Dekompressionstopps zu generieren.
Abb. 4.5: Parallele Kompartimente reagieren unterschiedlich schnell auf eine sprunghafte Veränderung des Inertgaspartialdrucks (PN2Gas). Jedes Kompartiment verträgt symptomfrei eine bestimmte tolerierte Gasüberspannung, die alleinig vom Umgebungsdruck abhängig ist (vgl. Rechteckprofile). Exemplarisch sind zwei Kompartimente mit unterschiedlichem Zeitverhalten/Halbwertszeiten (PN2Komp) und zugehöriger Übersättigungstoleranz dargestellt
Bühlmann mit Gradientenfaktoren (GF)
Eine Erweiterung der Modelle von Bühlmann und Workman um so genannte Gradientenfaktoren für die Übersättigungstoleranzen ermöglicht es, mit diesen Modellen tiefere Dekompressionsstopps zu berechnen (Abb 4.6). Dabei werden die Parameter der Übersättigungstoleranzen so korrigiert, dass die relative Sättigung für die einzelnen Kompartimente früher erreicht wird.
Mit dieser eleganten Methode können tiefere Dekompressionsstopps auf einfache Weise erzeugt werden. Vorteil dieser Methode ist es außerdem, dass alle tiefen Stopps tatsächlich in der Dekompressionszone liegen, d. h. dass es laut Modell auch wirklich zu einer Entsättigung, also zu keiner weiteren Aufsättigung kommt (bei einigen anderen regelbasierten Erweiterungen des Bühlmann-Modells zur Erzeugung von tiefen Dekompressionsstopps ist dies nicht zwingend der Fall.
Abb. 4.6: Mittels der Gradientenfaktoren (GF, Einflussfaktor, mit dem die Steigung der Übersättigungstoleranz beeinflusst wird) kann die Übersättigungstoleranz eines jeden Kompartiments reduziert werden. Somit können Dekompressionswerte konservativer gestaltet und tiefere Stopps generiert werden. Die mittels GF reduzierte Übersättigungstoleranz eines Kompartiments ist durch die gestrichelte Linie angezeigt. Exemplarisch sind hier zwei Kompartimente (K1 und K16) mit den Halbwertszeiten 4 min und 635 min dargestellt
Schreiner-Integration für Neo-Haldane-Modelle
Nachteilig bei den Modellen von Haldane und von Workman (und damit auch Bühlmann) ist, dass die zugrunde liegende Differenzialgleichung unter der Annahme eines konstanten Umgebungsdrucks für das betrachtete Zeitintervall gelöst wurde. Die Kompartimente reagieren damit exponentiell als Sprungantwort auf eine Veränderung des Umbebungsdrucks. Ändert sich der Umgebungsdruck bei Tiefenwechseln, so muss das Tauchprofil in einzelne Zeitabschnitte (Sekunden) zerlegt und für jedes Kompartiment die Sättigung am Ende des Zeitabschnitts berechnet werden. Der so errechnete Sättigungswert wird als Startwert für die Berechnung der Sättigung im nächsten Zeitabschnitt gesetzt. Diese iterative Vorgehensweise wird in den von Tauchcomputern verwendeten Dekompressionsmodellen gewählt. Dabei wird der reale Tauchverlauf in ein Treppenprofil zerlegt, so dass für relativ kurze Zeitintervalle der Umgebungsdruck als konstant angenommen werden kann. Die Annahme von solch idealisierten Tauchprofilen mit Auf- und Abstiegsrampe und Verweilen auf konstanter Tiefe stellt insbesondere für die Berechnung von Tauchtabellen sowie bei Simulationen oder Software-Tools eine elegante Methode dar, aufwändige numerische Verfahren zu vermeiden. Außerdem erlaubt die beschriebene Integrationsmethode, sprunghafte Änderungen des Inertgaspartialdruckes z. B. bei Gaswechseln durchzuführen.
4.2.3 Zweiphasenmodelle
In Einphasenmodellen wird davon ausgegangen, dass keine Gasblasen entstehen, solange korrekt dekomprimiert wird, d. h., Gasblasen entstehen nur, wenn Dekompressionsstopps ausgelassen und damit Übersättigungstoleranzen überschritten werden. Zweiphasenmodelle hingegen berücksichtigen gelöstes und „freies“ Gas, also auch Gasblasen, deren Wachstum zusätzlich zur Übersättigung der Gewebe berechnet wird. Der Aufstieg wird somit sowohl durch die tolerierte Übersättigung als auch durch die Anzahl/das Volumen der Blasen gesteuert. Während des Aufstiegs darf ein kritischer Radius der Gasblasen nicht überschritten werden. Da die exakte (mathematische) Beschreibung von Blasenentstehung und Blasenwachstum komplex ist, werden in den Dekompressionsmodellen einige vereinfachende Annahmen gemacht. Es wird z. B. postuliert, dass während des Aufstiegs eine konstante Anzahl von stillen (Mikro)Blasen vorhanden ist, die als Keime für das Wachstum größerer stabiler Gasblasen dienen. Auch bei der Berechung der Diffusionsvorgänge von Inertgas in die Blase hinein müssen Vereinfachungen gemacht werden, da die Blase durch zusätzliche Barrieren stabilisiert wird (z. B. durch fibrinoproteinöse Kokons, die durch die Blutgerinnung um die Gasblase herum verursacht werden und so die Diffusionseigenschaften beeinflussen).
Die Kontrolle des Aufstiegs durch die Begrenzung der Blasengröße unterhalb des kritischen Blasenradius erzwingt im Vergleich zu den Einphasenmodellen tiefere erste Dekompressionsstopps. Dafür sind die Dekompressionsstopps im oberflächennahen Bereich oft vergleichsweise kürzer. Der Vorteile von Zweiphasendekompressionsmodellen zeigt sich daher bei sehr kurzen tiefen Tauchgängen („bounce dives“), bei kurzen Oberflächenpausen oder bei Verwendung hoher Heliumanteile im Atemgas.
VPM/VPM B (Varying Permeability Model)
Das VPM-Modell wurde von D.E. Yount und D.C. Hoffmann 1986 entwickelt, um Blasenbildung, -wachstum und -auflösung bei Druckbe- und -entlastung zu simulieren. Grundlage des Modells sind dabei Experimente mit Flüssigkeiten und Gelatine. Die dem Modell zugrunde liegende Annahme ist, dass ein kritischer Blasenradius existiert, der eine Grenze zwischen Wachstum und Auflösung der Blase beschreibt. Der Aufstieg wird durch den Druckgradienten zwischen Gewebe- und Umgebungsdruck bestimmt und steht in direktem Zusammenhang mit dem Blasenwachstum.
Es liegt die Annahme zugrunde, dass Blasenkeime existieren, die klein genug sind, um in Lösung zu verbleiben, aber groß genug, um nicht vollständig zu kollabieren. Dabei werden Gleichgewichtsbedingungen für die Gasblase formuliert, in denen der Gasinnendruck im Gleichgewicht zur Oberflächenspannung und zum Außendruck steht. Dabei kann Gas sowohl in die Blase hinein- oder aus ihr herausdiffundieren; die Veränderung des Blasenradius wird über den Umgebungsdruck berechnet. Die Massenänderung der Gasblase (gesteuert durch Diffusion) basiert auf der Grundlage der Ergebnisse von Haldane.
Das VPM berechnet kontinuierlich die Veränderung des Blasenradius durch Erhöhung und Verminderung des Umgebungsdrucks. Im Gegensatz zu anderen Modellen, die mit Übersättigungstoleranzen arbeiten, wird im VPM ständig (iterativ) ein neuer Dekompressionsplan berechnet. Diese aufwändige iterative Berechnung der Dekompressionsdaten aus dem Gesamttauchgangsverlauf bedeutet, dass der Tauchgang in den numerischen Lösungsverfahren mehrere Male durchlaufen werden muss, bevor ein Ergebnis erzielt wird. Dies hat zur Folge, dass der Abstieg auch den Aufstieg beeinflusst: Schnelle Abstiege erlauben (modelltechnisch) eine schnelle Dekompression. Der Aufstieg wird dabei über den kritischen Druckgradienten, der sich aus der Wachstumsgeschwindigkeit der Gasblasen berechnet, bestimmt.
Hinweis. Die Tatsache, dass das Tauchprofil mehrfach ausgewertet werden muss, bevor ein Ergebnis vorliegt, schränkt die Verwendung dieses Algorithmus stark ein und reduziert ihn auf Simulationsrechnungen. VPM bildet jedoch eine wichtige Grundlage für andere Zweiphasenmodelle, die durch Vereinfachungen auf die oben beschriebene Iterationsmechanismen verzichten können und somit auch in Echtzeitdekompressionsrechnern eingesetzt werden können.
RGBM (Reduced Gradient Bubble Model)
Das VPM-Modell wurde 1991 von B. Wienke dahingehend erweitert, dass Wiederholungstauchgänge berechnet werden können. Entscheidend bei der Herangehensweise dieses Modells ist die Reduzierung des Druckgradienten, so dass zur Berechnung von Dekompressionsplänen keine Mehrfachiterationen mehr notwendig sind. Damit ist die Grundlage geschaffen, Zweiphasenmodelle in Echtzeitdekompressionsrechner („Tauchcomputer“) zu implementieren.
Das RGBM ist sehr verbreitet und wird neben einigen Software-Tools auch in Dekompressionsrechnern eingesetzt. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt das am weitesten verbreitete Zweiphasendekompressionsmodell.
TBDM (Tissue Bubble Diffusion Model)
Das TBDM ist eine Kombination aller vorangegangenen Modelle. Es ist charakterisiert durch das Gasblasenwachstum im Kompartiment, durch Diffusion an den Übergangstellen Gasblase/Gewebe und durch Perfusion im Bereich Blut/Kompartiment. Die Blasengröße wird zusätzlich an statistische Aussagen im Bezug auf die Blasengröße gekoppelt. Mathematisch ist dieses Modell extrem aufwändig und daher kaum verbreitet.
4.2.4 Statistische Modelle
MLM (Maximum Likelihood Model, maximale Wahrscheinlichkeit)
Beim MLM wird aus einer Datenbank mit Tausenden von Tauchgängen eine statistische Vorhersage über die Wahrscheinlichkeit von DCS-Zwischenfällen getroffen. Dabei ist es notwendig, dass in der gesamten Datenbank vollständige Informationen über Tauchprofile, Vorgeschichte, Dekompressionsprozeduren und Symptome vorhanden sind. Nur so ist es möglich, für ein vorgegebenes Tauchprofil das Risiko für einen DCS-Zwischenfall anzugeben.
Da die Datenbasis erheblich sein muss, um Aussagen mit statistischer Signifikanz machen zu können, beschränkt sich diese Methode mit einigen Ausnahmen auf Standardtauchprofile.
4.2.5 Regelbasierte Modelle
Langzeitexposition
Die Dekompressionsvorschriften einiger Tauchgruppen für den Bereich der Langzeitdekompression (bis zu 20 Stunden) beruhen zum großen Teil auf Regeln, die empirisch iterativ ermittelt wurden.
Deep-Stop-Methode nach Pyle
Die Deep-stop-Methode nach Richard Pyle stellt ein weiteres Verfahren dar, tiefe Dekompressionsstopps zu bestimmen. Dabei handelt es sich um kein eigenständiges Dekompressionsmodell, sondern lediglich um die Bestimmung von tiefen Stopps zusätzlich zu den (von einem gängigen Dekompressionsmodell) geforderten Dekompressionsstopps. Der erste zusätzliche tiefe Stopp liegt auf der Hälfte zwischen maximaler Tauchtiefe und erstem geforderten Dekompressionsstopp und dauert 2–3 min. Beträgt die Distanz vom ersten tiefen Stopp zum geforderten Dekompressionsstopp mehr als 10 m, wird auf der Hälfte ein weiterer Tiefenstopp (Verweilzeit von 2–3 min) eingefügt. Dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis die Distanz zum ersten geforderten Dekompressionsstopp kleiner als 10 m ist.
Kompaktinformation
In allen Dekompressionsmodellen gibt es freie Parameter, deren Koeffizienten lediglich experimentell bestimmt werden können. Daher bilden aufwändige klinische Tests die Grundlage aller Modelle. Die Validierung der gemachten Annahmen ist Voraussetzung dafür, Dekompressionszwischenfälle auf ein vertretbares Restrisiko zu reduzieren. Eine hundertprozentige Sicherheit zur Vermeidung von Dekompressionszwischenfällen kann Jedoch keines der Modelle gewähren. Generell können Dekompressionsphänomene nur näherungsweise modelliert werden. Das Optimum wäre dabei sicherlich eine individuell auf den einzelnen Taucher zugeschnittene Dekompressionsvorschrift.
Der Nachteil dieser Methode ist zum einen, dass sie keinerlei wissenschaftliche Grundlage birgt. Zum anderen wird nicht das gesamte Tauchgangsprofil in Betracht gezogen, so dass keine optimalen Stopptiefen errechnet werden können. Im Bereich der flacheren Stopptiefen befindet sich der Taucher immer noch sehr nahe an der kritischen Übersättigung. Zusätzlich können Wiederholungstauchgänge nicht berücksichtigt werden.
4.3 Dekompressionsplanungshilfen
Die in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Modelle und Algorithmen haben in unterschiedlichster Form Anwendung zur Berechnung von Kompressionsdaten gefunden. Grundsätzlich haben sich drei Formen etabliert: Aufgrund ihrer einfachen Bedienung und Handhabung werden im Sporttauchbereich hauptsächlich Tauchcomputer eingesetzt. Im Bereich des wissenschaftlichen und Berufstauchens wird maßgeblich auf Dekompressionstabellen zurückgegriffen, wohingegen im Bereich Technisches Tauchen/Mischgastauchen die Planung der Dekompression durch Softwareprogramme und Erfahrung geschieht.
4.3.1 Dekompressionstabellen
Je nach Anwendungsgebiet und Spezialisierung gibt es inzwischen eine Vielzahl unterschiedlicher Dekompressionstabellen und dazugehöriger Regelwerke, die sich zum Teil in den dort berechneten Dekompressionsvorschriften erheblich unterscheiden. Unverkennbar ist allerdings der Trend zu konservativeren (längeren) Gesamtdekompressionsforderungen. Alle Dekompressionstabellen basieren auf der Berechnung eines Rechteckprofils für den Tauchgang. Es wird angenommen, dass der Taucher bis zum Aufstieg auf der Maximaltiefe verweilt. In der Praxis wird jedoch oft in Form so genannter Multilevel-Tauchgänge mit wechselnden Tauchtiefen getaucht und die Verweilzeit auf der Maximaltiefe ist dabei meist wesentlich kürzer als die Gesamttauchzeit. Die Annahme eines Rechteckprofils liefert daher oft eine Überschätzung der tatsächlichen Verweilzeit auf maximaler Tauchtiefe, so dass Austauchtabellen bei realen Tauchgängen oft ein hohes Maß an Sicherheit beinhalten.
Beim Vergleich verschiedener Austauchtabellen ist zu beobachten, dass sich die Gesamtdekompressionsforderung für vergleichbare Tauchprofile in den letzten Jahren erhöht hat und die Dekompressionsprofile deutlich tiefenorientierter sind. Moderne Tabellen fordern einen deutlich tieferen ersten Dekompressionsstopp als noch vor einigen Jahren. Zudem erkennt man, dass je nach Anwendungsgebiet die Dekompressionsforderungen oft weit auseinander liegen. So zeichnen sich Tabellen, die für militärische Anwendungen berechnet wurden, in der Regel durch minimale Dekompressionsforderungen aus. Dies liegt zum einen an der Zielgruppe, die sich durch hohe körperliche Leistungsfähigkeit auszeichnet, zum anderen aber auch an der Tatsache, dass lange Dekompressionszeiten militärischen Anforderungen oft hinderlich sind. Im Gegensatz dazu sind Tabellen, die für Arbeitstaucher entwickelt wurden, oft durch lange Dekompressionsstopps gekennzeichnet, da Arbeitsleistung zu vermehrter Inertgasaufnahme führt.
4.3.2 Tauchcomputer
Mit der Entwicklung und Miniaturisierung von Mikroprozessoren nahm auch die Entwicklung von Dekompressionscomputern ihren Lauf. Bereits 1980 waren erste Modelle verfügbar. Moderne Tauchcomputer zeichnen sich vor allem durch ihre Vielseitigkeit aus. Sie berechnen bei Multilevel-Tauchgängen die Dekompressionsforderung exakt am zugrunde liegenden Tauchprofil und bieten einen Tauchgangsplanungsmodus, bei dem im Vorfeld die Dekompressionsforderung abgeschätzt werden kann, was besonders bei der Durchführung von Wiederholungstauchgängen hilfreich sein kann. Tauchcomputer mit adaptiven Dekompressionsmodellen sind in der Lage, die Dekompressionsforderung an Umwelteinflüsse wie Arbeit unter Wasser, Kälte, hoher Luftverbrauch oder die Durchführung eines Risikotauchprofils anzupassen. Einige Tauchcomputervarianten bieten die Möglichkeit, Atemgaswechsel in situ mit in die Berechnungen einzubeziehen. Zusätzlich verfügen moderne Tauchcomputer über Logbuchfunktionen und die Möglichkeit, Tauchgangsdaten auf den PC zu übertragen und dort zu visualisieren (Abb 4.7).
Abb. 4.7: Moderne Dekompressionscomputer berechnen nicht nur Dekompressionspläne. Durch die Integration der Gasverbrauchsberechnung kann auch adaptiv auf Umgebungseinflüsse reagiert werden (Fa. MARES, Feldkirchen)
4.3.3 Dekompressionssoftware
Moderne Dekompressionssoftware ist eine wertvolle Hilfe bei der Planung komplexer Dekompressionsabläufe (Abb 4.8). Kommen neben komplexen Profilen auch noch mehrere Atemgase als Grundgemische und verschiedene Dekompressionsgase zum Einsatz, können unterschiedliche Dekompressionspläne berechnet und verglichen werden. Die Simulation von Tauchgängen unter verschiedenen Randbedingungen ist ein wichtiges Hilfsmittel, um eine optimale Strategie für den Tauchgang zu entwerfen. Dabei ist die Planung von Notfallszenarien ein wichtiger Bestandteil. Oft bieten die Programme dem Benutzer eine Vielzahl von Eingriffsmöglichkeiten in die Modellparameter, setzen aber damit fundierte Kenntnisse in der Modelltheorie voraus. Häufig sind Dekompressionsplanungsprogramme mit Tabellengeneratoren ausgerüstet, die die Möglichkeit besitzen, ganze Dekompressionstabellen zu berechnen (Abb 4.9). Aufgrund der verfügbaren Rechenleistung bietet sich die Möglichkeit, mathematisch komplexe Algorithmen zur Berechnung heranzuziehen. Die Möglichkeit zur Visualisierung von Tauchprofilen ist ebenfalls gegeben.
Abb. 4.8: Software zur Dekompressionsplanung mit guter grafischer Oberfläche
Abb. 4.9: Dekompressionsplanung mit Hilfe von Software. Die Ausgabe der Informationen erfolgt hier in Textdateien, die sich einfach und leicht weiterverarbeiten lassen
4.4 Dekoprofile
Die Qualität der Dekompression hängt nicht nur von der Gesamtdekompressionszeit ab, sondern entscheidend auch vom Dekompressionsprofil und dem Verhalten des Tauchers während der Dekompression. Abbildung 4.10 zeigt die Dekompressionsforderung unterschiedlicher Dekompressionsmodelle für ein- und denselben Tauchgang. Alle aufgezeigten Modelle sind praxiserprobt und zeichnen sich nicht durch eine signifikant höhere DCS-Zwischenfallrate aus. Vergleicht man die Dekompressionsprofile, liegen die Diskrepanzen sowohl in der Gesamtdekompressionsforderung als auch in der Tiefe des ersten Dekompressionsstopps. Keines der Profile ist hierbei als Risikodekompressionsprofil zu werten.
Abb. 4.10: Bei gleicher Grundzeit und Tauchtiefe generieren verschiedene Dekompressionsmodelle unterschiedlich lange Stopps auf unterschiedlichen Tiefen. Auffällig ist, dass blasenorientierte Modelle generell tiefere Stopps generieren als Einphasenmodelle
4.5 Dekompressionspraxis
4.5.1 Aufstiegsgeschwindigkeit und Dekompressionsmethoden
Für die Qualität der Dekompression ist nicht nur die Einhaltung der Dekompressionsstopps entscheidend, sondern unter anderem auch die Geschwindigkeit, mit der sich der Taucher der Oberfläche annähert. Dabei ist aber die Druckabnahme pro Zeiteinheit entscheidender als die absolute Aufstiegsgeschwindigkeit. Fordert man eine konstante Druckabnahme, um optimale Dekompressionsvoraussetzungen zu erreichen, so muss die Aufstiegsgeschwindigkeit mit abnehmender Wassertiefe reduziert werden (Abb 4.11).
Für die im Sporttauchbereich üblichen Tiefen (bis 40 m) ist eine Druckhalbierung alle 2 min sinnvoll. Je nach Tiefe ergeben sich Aufstiegsgeschwindigkeiten von 10 m/min bis 1,25 m/min (Tabelle 4.1).
Hinweis. Aufstiegsgeschwindigkeiten größer als 10 m/min sind generell nicht sinnvoll. Ab einer Wassertiefe von 10 m reduziert sich die Aufstiegsgeschwindigkeit weiterhin. Die letzten 5 m des Aufstiegs eines Tauchgangs sollten in einer Zeit von 3–4 min zurückgelegt werden.
Tabelle 4.1: Im Tiefenbereich bis 40 m kann in guter Näherung eine Druckhalbierung alle 2 min angestrebt werden. Daraus ergibt sich eine variable Aufstiegsgeschwindigkeit mit reduzierter Annährungsgeschwindigkeit im oberflächennahen Bereich
Tiefe [m] | Druck [bar] | 1/2 Druck [bar] | Tiefe [m] | Aufstiegsgeschwindigkeit | |
40 | 5,0 | 2,5 | 15 | 25 m/2 min | 12,5 m/min |
30 | 4,0 | 2,0 | 10 | 20 m/2 min | 10,0 m/min |
20 | 3,0 | 1,5 | 5 | 15 m/2 min | 7,5 m/min |
10 | 2,0 | 1,0 | 0 | 10 m/2 min | 5,5 m/min |
5 | 1,5 | 1,0 | 0 | 5 m/2 min | 2,5 m/min |
Aufstiegsgeschwindigkeit ist keine Konstante, sondern der Druckgradient ist für das Blasenwachstum entscheidend. |
Abb. 4.11: Darstellung der optimalen Aufstiegsgeschwindigkeit (rote Linie) in Abhängigkeit der Tauchtiefe. Man erkennt, dass gerade im oberflächennahen Bereich eine deutlich reduzierte Aufstiegsgeschwindigkeit eingehalten werden sollte. Generell sollten Aufstiegsgeschwindigkeiten nicht mehr als 10 m/min und im Oberflächenbereich ca. 7 m/min betragen
In der Dekompressionsphase sind grundsätzlich zwei Vorgehensweisen denkbar. Die Druckabnahme kann kontinuierlich erfolgen, wobei sich die Druckabnahmegeschwindigkeit mit abnehmendem Umgebungsdruck immer weiter reduziert. Dies bedeutet, man nähert sich kontinuierlich der Oberfläche an, wobei die Aufstiegsgeschwindigkeit immer weiter reduziert wird, je näher man der Oberfläche kommt. Dieses Verfahren wird hauptsächlich benutzt, wenn die Dekompressionsphase unter quasi Laborbedingungen in einer Druckkammer stattfindet. Bei diesem Verfahren wird auch von Ceiling gesprochen.
Unter Freiwasserbedingungen stößt diese Methode schnell an ihre Grenzen. Bewährt hat sich ein Verfahren, bei dem man während des Aufstiegs in vorher definierten Tiefen unterschiedlich lange Stopps einhält. Man verweilt bis zum Ende der Stoppzeit konstant auf der jeweiligen Stopptiefe. Dabei sind Tiefenstufen im Abstand von 3 m bzw. 10 Fuß gebräuchlich. Mit abnehmender Wassertiefe verlängern sich die Zeiten auf der jeweiligen Tiefe.
4.5.2 Risikofaktoren
Auch wenn alle von der verwendeten Planungshilfe vorgegeben Dekompressionsstopps eingehalten werden, gibt es keine Garantie dafür, dass es nicht zu Dekompressionserkrankungen kommt. Eine Reihe von Größen hat Einfluss auf die Qualität der Dekompression, die von den entsprechenden Modellen in der Regel nicht berücksichtigt werden oder nicht berücksichtigt werden können. Im Folgenden werden die wichtigsten Risikofaktoren aufgelistet.
4.5.3 Verhaltensregeln
■ Gute allgemeine körperliche Fitness!
■ Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme vor dem Tauchgang
■ Möglichst keine Valsalva-Manöver während der Dekompressionsphase
■ Keine Anstrengungen direkt vor und nach dem Tauchgang (Schleppen von schwerer Ausrüstung, Sport, Bootsleiter, steile Böschung)
■ Einhaltung der maximalen Aufstiegsgeschwindigkeiten
■ Erhaltung der Körperwärme während der Dekompressionsphase
■ Konsequente Einhaltung der Dekompressionsstopps
■ Horizontale Position während der Dekompressionsphase
■ Dekompressionsphase in Bewegung, aber ohne Anstrengung verbringen
■ Während der Dekompressionsphasen keine längeren Muskelkontraktionen, wie z. B. Festklammern
■ Nach dem Tauchgang entspannen und ausreichend Flüssigkeit aufnehmen
Kompaktinformation
1. Das Patent Foramen Ovale (PFO, s. Kap. 32) ist ein entscheidender Defekt in der Herzscheidewand, bei dem es unter bestimmten Bedingungen zum massiven Übertritt von Bläschen in das arterielle System kommt. Diese Blasen im arteriellen System sind während des Aufstiegs einem massiven Wachstum unterzogen, was zu den bekannten Problemen der DCS führt.
2. Kälte: Ausgedehnte Tauchgänge in kalten Gewässern oder mit unzureichendem Kälteschutz sind im Bezug auf Dekompression als Risikotauchgänge zu werten, da bei solchen Tauchgängen die Gefahr einer Auskühlung besteht. Anweisungen von Dekompressionstabellen in Bezug auf Auskühlung müssen unbedingt eingehalten werden.
3. Körperliche Anstrengung vor, während oder direkt nach einem Tauchgang sollte vermieden werden, weil sie v. a. während eines Tauchgangs zu einer verstärkten Aufsättigung in den Muskelkompartimenten führt. Kommt es Jedoch während eines Tauchgangs ungeplant zu erhöhter Anstrengung (z. B. starke Strömung), ist die Dekompressionsphase entsprechend konservativer zu gestalten.
4. Unausgeglichener Flüssigkeitshaushalt (Dehydratation), z. B. bedingt durch Durchfallerkrankung oder mangelnde Flüssigkeitsaufnahme, kann zu veränderten Perfusionsraten der Kompartimente und damit zu verändertem Auf- und Entsättigungsverhalten führen.
5. Kurze Oberflächenpausen sind generelle Risikofaktoren genauso wie häufige/viele Tauchgänge pro Tag (so genanntes Non-Limit-Tauchen).
6. Tauchprofile mit häufigen Auf- und Abstiegen (Jojo-Tauchen) gehören zu den Risikofaktoren, da Blasen, die sich beim ersten Aufstieg im venösen System gebildet haben, in der nächsten Kompressionsphase verkleinert werden und ins arterielle System gelangen können.
7. Fitness: Beim Tauchen ist eine gute körperliche Konstitution und Fitness anzustreben. Insbesondere der Körperfettanteil spielt eine maßgebliche Rolle in Bezug auf Dekompression, da Fettgewebe im Gegensatz zu anderen Körpergeweben schlecht durchblutet ist, daher viel Inertgas speichert und nur sehr langsam wieder abgibt. Besser durchblutete Gewebe können freies Inertgas (Mikroblasen) schneller zum Lungenfilter transportieren und sind daher für die Dekompression von Vorteil. Außerdem bringt gute körperliche Fitness eine bessere Lungenfunktion und damit eine gesteigerte Sauerstoffaufnahmefähigkeit mit sich. Schlechte körperliche Fitness/Kondition bedeutet, dass die Kapillarisierung in vielen Kompartimenten unzureichend und damit der Abtransport von Inertgas in der Entsättigungsphase erschwert ist.
8. Drogen und Alkohol haben generell im Tauchsport nichts zu suchen, da sie einen negativen Einfluss auf die Dekompression haben. Die Wirkung von Medikamenten unter Überdruck ist weitestgehend ungeklärt und der Einfluss auf das Auf-, Entsättigungs- und Blasenbildungsverhalten im Organismus unbekannt.
9. Müdigkeit ist ein genereller Risikofaktor beim Tauchen und kann zusätzlich durch verstärkte Auskühlung des Körpers zu ineffizientem Dekompressionsverhalten führen.
10. Schlecht sitzende Tauchausrüstung (zu enger Anzug, Bebänderung) kann die Durchblutung in den Extremitäten einschränken und zur Verschlechterung der Dekompressionseigenschaften führen.
4.6 Begriffe und Definitionen
Für Dekompressionstabellen und Modelle existieren einige Begriffe, die kurz beschrieben werden sollen (Abb 4.12).
Aufstiegsgeschwindigkeit
Geschwindigkeit, mit der man sich in der Dekompressionsphase der Oberfläche nähert. Generell sollten Aufstiegsgeschwindigkeiten kleiner als 10 m/min sein.
Austauchen
Austauchen ist ein regelunterworfenes Auftauchen. Alle notwendigen Dekompressions- und Sicherheitsstopps werden eingehalten.
Grundzeit
Grundzeit ist die Zeit vom Beginn des Abtauchens bis zum Beginn des Austauchens.
Abb. 4.12: Bei der Verwendung von Dekompressionstabellen spielen Grundzeit (Zeit vom Abtauchzeitpunkt bis zum Beginn des Austauchens) und maximale Tauchtiefe die entscheidende Rolle, um die Dekompressionsstopps zu ermitteln. Dabei können in der Tabelle für jeden Stopp die Zeit auf der Dekostufe und die Tiefe des Dekostopps ermittelt werden
Wiederholungstauchgang
Als Wiederholungstauchgänge werden Tauchgänge bezeichnet, bei denen eine zusätzliche Dekompressionsforderung aus dem vorangegangenen Tauchgang berücksichtigt werden muss. Ein Wiederholungstauchgang liegt immer dann vor, wenn die Oberflächenpause kürzer ist als die Totalentsättigungszeit.
Dekostopp
Ein Dekompressionsstopp (Dekostopp) ist der Aufenthalt in einer laut Dekompressionsplan vorgegebenen Tiefe für eine vorgegebene Verweilzeit. Die Stopptiefen sind meist in 3-m-Schritte aufgeteilt.
Jojo-Tauchgang
Ein Jojo-Tauchgang beschreibt einen Tauchgang, dessen Tauchprofil häufige Auf- und Abstiege aufweist. Das Risiko in Bezug auf eine Dekompressionserkrankung ist bei dieser Art von Tauchgängen signifikant höher als bei Tauchgängen, die keine stark wechselnden Tauchtiefen aufweisen (quasi Rechteckprofile).
Kompression
Die Kompressions- oder Abtauchphase eines Tauchgangs ist gekennzeichnet durch die Zunahme des Umgebungsdrucks.
Isopression
Die Isopressionsphase zeichnet sich durch konstante Tauchtiefe und damit quasi konstanten Umgebungsdruck aus.
Dekompression
In der Dekompressionsphase wird der Umgebungsdruck durch das Auftauchen schrittweise abgebaut. Je nach Verweilzeit und Tauchtiefe kann direkt zur Oberfläche aufgetaucht oder es müssen in verschiedenen Tauchtiefen Dekompressionsstopps eingehalten werden.
Zeitzuschlag
Für Wiederholungstauchgänge muss zur tatsächlichen Grundzeit ein Zeitzuschlag addiert werden. Mit dieser neuen angenommen Grundzeit kann die Dekompressionsforderung für den Wiederholungstauchgang ermittelt werden.
Wiederholungsgruppe
Die Wiederholungsgruppe in einer Dekompressionstabelle enthält Informationen über die Inertgasbelastung des absolvierten Tauchgangs. Aus Wiederholungsgruppe und Länge der Oberflächenpause kann der Zeitzuschlag zur Grundzeit für einen Wiederholungstauchgang berechnet werden.
Oberflächenpause
Die Oberflächenpause ist die Zeit, die nach dem Ende des vorangegangenen Tauchgangs bis zum Beginn des nächsten Tauchgangs verstrichen ist. Dekompressionstabellen enthalten Informationen über Totalentsättigungszeiten. Ist die Oberflächenpause länger als die Totalentsättigungszeit, so braucht der vorherige Tauchgang für die Berechung des Wiederholungstauchgangs nicht berücksichtigt zu werden.
Nullzeittauchgang (NDL, „no decompression limit”)
NDL ist ein Tauchgang, bei dem keine expliziten Dekompressionsstopps eingehalten werden müssen. Am Ende der Grundzeit kann direkt zur Oberfläche getaucht werden.
Flugverbotszeit
Die Flugverbotszeit ist die Zeit, die nach einem Tauchgang gewartet werden muss, bevor ein Flug absolviert werden darf. Hintergrund ist der niedrige Kabinendruck im Flugzeug, der relativ zum Druck auf Meereshöhe abgesenkt wird. Ein aufgesättigter Taucher würde einer weiteren Dekompression mit den beschriebenen Effekten des Blasenwachstums unterzogen. Die Länge der Flugverbotszeit richtet sich nach Tiefe und Zeit des Tauchgangs. Prinzipiell gilt, dass Tauchgänge mit größerer Gesamtdekompressionsforderung eine längere Flugverbotszeit aufweisen als Tauchgänge mit geringerer Dekompressionsforderung. Beachtet werden muss, dass Höhenänderungen nach Tauchgängen, so z. B. das Überqueren einer Passstraße, auch unter dieses Flugverbotslimit fallen.
Bergseetauchen
Für das Tauchen in Bergseen ab einer Höhe von ca. 600 m müssen gesonderte Dekompressionstabellen berücksichtigt werden. Hintergrund ist die Verringerung des Luftdrucks mit zunehmender Höhe.
Dekostress
Der Begriff des Dekostresses wird in der Tauchmedizin verwendet. Man geht davon aus, dass es in der Auftauchphase immer zur Bildung kleinerer, zum größten Teil symptomfreier Blasen kommt. Anzahl und Größe dieser Blasen bestimmen das Maß des Dekompressionsstresses für den Organismus. Wenige kleine Gasblasen werden symptomfrei über den Lungenfilter abgeatmet. Steigt das Blasenaufkommen, so kommt es zu ersten Symptomen von Dekompressionsstress, wie z. B. Müdigkeit. Treten vermehrt Gasblasen mit einem Radius auf, der größer ist als der für die symptomfreie Abatmung, so kommt es zu Dekompressionserkrankungen mit den bekannten Krankheitsbildern. Die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen der Erkrankungen sind dabei fließend (Abb 4.13).
Abb. 4.13: Die Übergänge zwischen optimaler Dekompression und schwerer Dekompressionserkrankung sind fließend. In der Praxis sind je nach Maß des Dekompressionsstresses alle Zwischenstadien anzutreffen. Blasenhäufigkeit und -größe nehmen bei gleichem Tauchprofil mit abnehmender Dekompressionszeit zu
Bounce Dive
Hierbei handelt es sich um einen Tauchgang, bei dem die Maximaltiefe sehr schnell aufgesucht, kurz verweilt und dann zügig mit dem Austauchen begonnen wird. Häufig werden dabei große Tiefen aufgesucht.
Sicherheitsstopp
Der Sicherheitsstopp ist ein genereller Stopp in einer Wassertiefe von ca. 5 m für eine Zeitdauer von ca. 3 min mit dem Ziel, das Risiko von Dekompressionszwischenfällen zu reduzieren.
Halbwertszeit
Die Halbwertszeit ist die Zeit, die ein Kompartiment benötigt, um bei definierter Partialdruckdifferenz genau die Hälfte des Druckunterschieds auszugleichen.
Sättigung
Sättigung bezeichnet den Gleichgewichtszustand, bei dem aus einer Flüssigkeit pro Zeiteinheit die gleiche Menge Gas austritt wie in Lösung geht. Dieser Zustand wird durch das Gesetz von Henry beschrieben und richtet sich nach Art der Flüssigkeit, Art des Gases, der Höhe des Partialdrucks und der Temperatur.
Übersättigungstoleranz
Bei der Übersättigungstoleranz oder (symptomfrei) tolerierten Inertgasüberspannung handelt es sich um einen Intertgaspartialdruck, der höher ist als der des Umgebungsdrucks (z. B. in der Auftauchphase), bei dem aber noch keine stabilen Gasblasen oder Dekompressionssymptome zu erkennen sind.
Kompartiment
Kompartimente sind Gruppen von Geweben, die aus dekompressionstechnischer Sicht nahezu gleiche Eigenschaften besitzen und sich also vergleichbar auf- und entsättigen. Sie werden durch identische Halbwertzeiten und Übersättigungstoleranzen beschrieben.
Adaptive Dekompressionsmodelle
Bei den adaptiven Dekompressionsmodellen handelt es sich um Modelle, bei denen die Übersättigungstoleranzen im Verlauf des Tauchgangs an Umgebungsparameter angepasst werden, d. h., sie berücksichtigen unterschiedliche Umgebungsparameter für die Berechung der Dekompressionsvorschriften (Abb 4.14). Bei großer Kälte werden z. B. die Halbwertszeiten der entsprechenden Kompartimente verlängert, was einer reduzierten Durchblutung entspricht. Gleichzeitig werden bei vermehrter Arbeit unter Wasser die Halbwertzeiten der zugehörigen Kompartimente (Muskeln) verkürzt, um eine stärkere Durchblutung des Muskelgewebes zu simulieren.
Abb. 4.14: Bei adaptiven Dekompressionsmodellen werden neben dem Sättigungsverhalten der Kompartimente Umgebungseinflüsse (äußere Einflüsse wie Wassertemperatur, Arbeitsleitung oder Tauchverhalten) herangezogen, um Halbwertzeiten und Übersättigungstoleranzen zu korrigieren und den Dekompressionsplan anzupassen (t = Zeit, p = Druck)
Isobare Gegendiffusion
Zwei verschiedene Inertgase (i. d. R. Helium/Stickstoff) diffundieren durch die gleiche Membran in unterschiedliche Richtungen. Dabei sind die jeweiligen Konzentrationsunterschiede für die einzelnen Gase entscheidend. Diffundieren die Gase mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, so kann der Effekt auftreten, dass das eine Gas sehr schnell in ein Kompartiment diffundiert, das andere bereits gelöste Gas aber nur langsam hinausdiffundiert und es in der Summe zu einer verstärkten Lösung von Gas kommt. Möglicherweise ist dieser Effekt Ursache für schwer erklärbare Dekompressionsschädigungen im Zusammenhang mit Mischgastauchen und den damit verbundenen Gaswechseln.
Tipps für Tauchlehrer
1. Die Tauchlehrer der meisten Ausbildungsorganisationen sind sich einig: Die Grenzen sicheren Sporttauchens liegen bei maximal 40 m.
2. Ein „schlaues“ Tauchprofil führt rasch auf die größte Tiefe und von dort an nur noch aufwärts.
3. Das Wissen um die Mikroblasen, die bei jedem Aufstieg unvermeidbar entstehen, sollten Jeden Taucher zu entsprechend kontrolliertem Austauchen motivieren.
4. Ein Sicherheitsstopp für 3 min auf 5 m vermindert die Netto-Aufstiegsgeschwindigkeit in Oberflächennähe wirksam und sollte für jeden Tauchgang eingeplant werden.
5. Die Verwendung von Tauchcomputern hilft, den Luftvorrat optimal zu nutzen und die Erlebniszeit unter Wasser zu maximieren. Sie verleitet aber allzu oft auch zu sorglosem und unselbstständigem Tauchen.
6. Tauchcomputer können das Unfallrisiko beim Gerätetauchen vermindern, aber sie können Unfälle nicht verhindern. Die Rechenmodelle berücksichtigen nicht persönliche Risikofaktoren wie Kälte, Anstrengung, Dehydratation, Übergewicht, PFO, Tagesform etc.
7. Der Tauchlehrer ist in der Verantwortung, den vernünftigen Umgang mit Tauchcomputern zu vermitteln. Wer jedoch nicht in die Lage versetzt wurde, seinen Tauchgang mit Tabelle und Taschenrechner zu planen, sollte auch mit Tauchcomputer nicht tauchen.
8. Non-limit-Tauchen erhöht die Gefahr der Bildung „stiller“ Blasen in langsamen Geweben. Um das Risiko einer Dekompressionserkrankung zu vermindern, sollte die Urlaubs-/Einsatzplanung tauchfreie Tage vorsehen.
Weiterführende Literatur ____________________________
1. Bennet P, Elliot D: The physiology and medicine of diving, 5th edn. Saunders, Philadelphia, 2003
2. Bühlmann AA, Völlm EB, Nussberger P: Tauchmedizin, 5. Aufl. Springer, Berlin, 2002
3. Ehm OF, Hahn M, Wenzel J: Tauchen noch Sicherer – Leitfaden der Tauchmedizin für Sporttaucher, Berufstaucher und Ärzte, 8. Aufl. Müller Rüschlikon, Cham, 1999
4. Lettnin HKJ: International textbook of mixed gas diving, 2nd edn. Best Publishing Company, Flagstaff, 2001
5. Wienke BE: Basic decompression theory and application. Best Publishing Company, Flagstaff, 1991