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7 Tauchen mit Nitrox

M. Waldbrenner

Andere Atemgase als Pressluft wurden jahrelang als gefährlich und exotisch eingestuft. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich aber die sauerstoffangereicherte Luft unter dem Namen „Nitrox“ gut im Markt und bei den Tauchern etablieren können.

Den anfänglichen Ruf als Tieftauchgas hat Nitrox inzwischen verloren, da dieser auf falschen Vorstellungen beruhte. Heute wird Nitrox besonders auf Tauchsafaris und in vielen Tauchbasen bekannter Tauchsportreiseziele verwendet, also überall dort, wo besonders viel getaucht wird.

7.1 Was ist Nitrox?

7.1.1 Herkunft

Das Wort Nitrox ist ein Kunstwort aus den englischen Begriffen Nitrogen (Stickstoff) und Oxygen (Sauerstoff). Da hieraus jedoch nicht die quantitative Zusammensetzung deutlich wird, kann auch unsere Atemluft als Nitrox bezeichnen werden.

Meist wird zu dem Begriff Nitrox noch der Sauerstoffanteil in Prozent angegeben. Unsere Atemluft wäre demnach Nitrox 21, da diese 21% Sauerstoff enthält.

Ein weiterer Begriff für Nitrox ist das Akronym EAN oder EANx. Hierbei steht die Abkürzung für Enriched-Air-Nitrox, also „angereicherte“ Luft. Ferner gibt es noch den Begriff Safe-Air, also sichere Luft, der aber irreführend ist.

7.1.2 Historie

Nitroxtauchen ist nicht neu. Bereits im 19. Jahrhundert wurde dieses Gas als Luft mit erhöhtem Sauerstoffanteil zur Verwendung beim Tauchen erwähnt. Den ersten größeren Einsatz gab es während des 1. Weltkriegs im militärischen Bereich. Erste Tauchtabellen für Nitrox wurden von der amerikanischen NOAA (National Underwater and Atmospheric Administration) 1979 veröffentlicht. Für den Sporttaucher wurde Nitrox maßgeblich durch Dick Rutkowski zugängig gemacht. Er war früher bei der NOAA Diving Supervisor und gründete 1985 den Verband IAND (International Association of Nitrox Divers), der später zum IANTD (International Association of Nitrox and Technical Divers) wurde und das Nitroxtauchen populär machte.

In den Anfängen wurde Nitrox aber hauptsächlich von Tauchern verwendet, die tiefere Tauchgänge durchführten und Nitrox lediglich zur Dekompression einsetzten. Daher kommt häufig auch der Irrglaube, dass Nitrox als „Mischgas“ zum Tieftauchen verwendet würde.

7.2 Nitrox und die Gesetze

Fast jedes Land behandelt das Thema „Sauerstoff-Gemische“ aus juristischer Sicht anders. In Deutschland ist jedes Gas, das mehr als 21% Sauerstoff enthält, wie reiner Sauerstoff zu behandeln. In anderen Ländern liegt diese Grenze bei 40%. Dies führt dazu, dass es, je nach Land, unterschiedliche Normen und Vorgaben bezüglich der Handhabung, Nutzung und Ausrüstung gibt.

Dieses Thema ist sehr komplex und muss auch nach den Bereichen der kommerziellen und privaten Nutzung unterschieden werden, weswegen an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden soll.

7.3 Vor- und Nachteile von Nitrox

7.3.1 Vorteile

Stickstoff ist ein Inertgas; es reagiert (fast) nicht im menschlichen Körper, hat dafür aber die Fähigkeit, sich im Körper unter Druck anzureichern. Diese Inertgassättigung ist die Ursache dafür, dass wir dekompressionspflichtig werden. Die maximale Zeit, die man in einer bestimmten Tiefe verbringen kann, ohne dekompressionspflichtig zu werden (= Nullzeit) hängt also vom Anteil des Stickstoffs im geatmeten Gas und der daraus resultierenden Sättigung der Gewebe ab.

Will man diese Aufsättigung reduzieren, kann entweder die Tauchzeit oder der Anteil des Stickstoffs im Atemgas reduziert werden. Beim Nitroxtauchen findet die zweite Variante Anwendung. Man ersetzt einen Teil des Stickstoffs durch Sauerstoff. Das heißt, der Sauerstoffanteil wird erhöht, wodurch der Anteil des Stickstoffs automatisch verringert wird. Die Stickstoffsättigung wird damit vermindert und die Nullzeit verlängert.

Tabelle 7.1 zeigt einen Vergleich der Nullzeiten von Pressluft, EAN32 und EAN36, die je nach Quelle variieren können.

Auch die Pausen zwischen den Tauchgängen können mit Nitrox verkürzt werden. Für alle Taucher, die dekompressionspflichtige Tauchgänge durchführen wollen, ist Nitrox zur Verkürzung von Dekompressionszeiten einsetzbar.

Tabelle 7.1: Vergleich der Nullzeiten von Pressluft, EAN32 und EAN36

Tiefe [m]Luft [min]EAN 32 [min]EAN 36 [min]
12200400+400+
15100200200
1860100100
21506060
24405060
27304050
30253040
33202530
361025*
391020*

* überschreitet zulässige Sauerstoffpartialdruckgrenze (Quelle: IANTD Arbeitsbuch Nitrox)

Ein Vorteil, der öfter in der Literatur genannt wird, nämlich die geringere Stickstoffnarkose, ist sehr umstritten, da auch Sauerstoff ein gewisses narkotisches Potenzial besitzt.

Gerade auf Tauchsafaris oder auf Basen, die „No-Limit“-Tauchen anbieten, spielt Nitrox seine Vorteile durch die geringere Stickstoffsättigung aus – entweder als zusätzliche Sicherheit, wenn man es von der Dekompression bzw. dem Nullzeitverhalten wie Pressluft verwendet, oder aber, um mehr oder längere Tauchgänge zu ermöglichen.

Die vom jeweiligen Gemisch einzuhaltenden Grenzen bezüglich Tauchtiefe und Nullzeit sollten dabei aber nicht ausgereizt werden.

7.3.2 Nachteile

Die Behauptung „Mit Nitrox kann man nicht tief tauchen“ wird oft als ein Nachteil genannt, wenn auf Tauchbasen Nitrox zum Tauchen angeboten wird. Das stimmt, denn man ist je nach Nitroxgemisch an eine maximale Verwendungstiefe gebunden. Bedingt wird dies durch den Sauerstoffpartialdruck, der einen vorgebenen Wert von 1,4 oder 1,6, je nach Verwendungszweck und Tauchverbandsphilosophie, nicht überschreiten darf, da es sonst nach einer gewissen Einwirkzeit zur erhöhten Gefahr von Sauerstoffkrämpfen mit Ertrinken als Folge kommen kann. Dies wird neuronale Sauerstoffvergiftung (Paul-Bert-Effekt) genannt.

Kompaktinformation

■ Was ist Nitrox? Nitrox ist ein Gasgemisch, bei dem der Sauerstoffanteil höher ist als die natürlichen 21%.

■ Vorteil: Bei Vieltauchern wird die Belastung durch Stickstoff verringert; dies kann entweder als Sicherheitspuffer oder für mehr Tauchgänge eingesetzt werden.

■ Nachteile: Neuronale Sauerstoffvergiftung kann unter Wasser zu Krampfanfällen und damit zum Ertrinken führen. Daher muss die maximale Verwendungstiefe unbedingt eingehalten werden. Pulmonale oder Ganzkörpervergiftung kommt nur bei extrem langen Tauchgängen zum Tragen, die mehrfach über viele Tage durchgeführt werden.

■ Einsatz: Früher wurde Nitroxtauchen in den Bereich des technischen Tauchens eingruppiert, heute gehört es zum Sporttauchen, auch wenn es im technischen Tauchen immer noch verwendet wird.

Zur Kontrolle dieser Sauerstoffvergiftung wurde eine Kenngröße festgelegt, die ZNS-Uhr (ZNS = zentrales Nervensystem). Dabei werden die Einwirkzeiten und die entsprechenden Partialdrücke von Tauchgängen berücksichtigt. 100% ZNS-Einwirkzeit werden als das absolute Maximum angesehen, allerdings ist dieser Wert nur empirisch ermittelt und festgelegt. Dem normalen Sporttaucher sollte diese Gefahr des Krampfanfalls stets bewusst sein und er sollte seine Expositionszeiten daher konservativ planen!

Auch auf die Lunge wirkt ein erhöhter Sauerstoffpartialdruck schädlich, was jedoch eher ein Langzeiteffekt (s. auch Kap. 44, Spätschäden im Bereich der Lunge) ist. Diese Lungen- oder Ganzkörpervergiftung wird mit der OTU-Repex-Methode (OTU = „oxygen toxicity unit“) beziffert. Dabei entspricht ein OTU der Wirkung eines Sauerstoffpartialdrucks von 1 bar über den Zeitraum einer Minute. Für den ersten Tauchtag eines Urlaubs sollten 850 OTU nicht überschritten werden, am zweiten Tag sind es noch 700, dann 620 usw. Am 10. Tag bleiben lediglich noch 310 OTU zum „Vertauchen“ übrig. In der Praxis werden diese Werte jedoch selten erreicht, da meist vorher die ZNS-Uhr-Grenze von 100% überschritten wird, oder die Tauchgänge einfach zu lang sein müssten.

Zu beiden Kenngrößen, also ZNS-% und OTUs gibt es von den verschiedenen Verbänden entsprechende Tabellen, aus denen man die Werte ablesen kann. Wenn auch die Werte teilweise nur empirisch ermittelt wurden, so empfiehlt es sich dennoch, sich an diese Werte bei der Planung seiner Tauchgänge zu halten.

Weiterführende Literatur ____________________________

1. Bove AA, Davis J: Diving Medicine. WB Saunders, Philadelphia, 2003

Tipps für Tauchlehrer

1. Es gibt eine Hemmschwelle gegen den Gebrauch nichtnatürlicher Atemgasgemische. Aus physiologischer Sicht spricht jedoch viel für die richtige Verwendung von Nitrox.

Bedenke: Luft unter erhöhtem Druck ist auch kein natürliches Atemgas!

2. Tauchen mit Nitrox nur nach einem einschlägigen Spezialkurs bei einer anerkannten Ausbildungsorganisation.

3. Es ist vernünftig, bei der Verwendung von Nitrox einen Tauchplatz zu wählen, bei dem die maximal zulässige Einsatztiefe (pO2 = 1,4 bar) nicht überschritten werden kann.

4. Nitrox ist das Atemgas für Vieltaucher (Urlaubstaucher, Ausbilder) und Personen mit PFO, vorausgesetzt, sie nutzen den Sicherheitsgewinn durch Verwendung von Lufttabellen/-computern.

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