Читать книгу Moderne Tauchmedizin - Kay Tetzlaff - Страница 20

Оглавление

9 Apnoetauchen

C.-M. Muth

Unter dem Begriff „Apnoetauchen“ werden alle Tauchaktivitäten zusammengefasst, die nur mit der eigenen Luft durch Atemanhalten und ohne die Verwendung von Tauchgeräten stattfinden. Unter diesen Begriff fallen daher das mit Taucherbrille, Schnorchel und Flossen ausgerüstete Schnorcheln an der Wasseroberfläche mit gelegentlichem kurzem Abtauchen ebenso wie die in Mittelmeerländern sehr beliebte Unterwasserjagd oder auch Wettkampfsportarten mit nationalen und internationalen Meisterschaften. Das Tauchen in Apnoe, also mit angehaltenem Atem, war hierzulande bis vor wenigen Jahren für viele Taucher allenfalls ein Trainingsbestandteil im Rahmen des Hallentrainings und sollte Sicherheit und Gewandtheit unter Wasser vermitteln. Doch mittlerweile ist es unter dem Einfluss erstaunlicher Leistungen Einzelner, die letztlich diese Sparte des Tauchens ins Gespräch brachten, zur Trendsportart avanciert.

9.1 Schnorcheltauchen

Das weit verbreitete Schnorcheltauchen bietet kaum medizinische Besonderheiten und kann, bis auf wenige Ausnahmen, ohne besondere Voruntersuchung von nahezu jeder Person ausgeübt werden, die auch schwimmen kann. Doch auch Personen, die nur Schnorcheln wollen (z. B. als Begleiter eines Urlaubstauchers), sollten über die richtige Ausrüstung, die Besonderheiten der Druckzunahme (Druckausgleich zum Mittelohr, Druckausgleich in der Taucherbrille) und die Gefahren der Hyperventilation (als falsche Vorbereitung auf ein Verlassen der Wasseroberfläche) informiert sein.

Es ist daher wichtig, dass nur echte Tauchermasken Verwendung finden, also solche, die den Erfordernissen des Gerätetauchens genügen: Sicherheitsglas, Nasenerker, gute Passform und, besonders wichtig, kleiner Maskeninnenraum. Letzteres ist vor allem deshalb wichtig, weil das Ausblasen der Maske unter Wasser anders als beim Gerätetauchen mit einem sehr limitierten Luftvorrat auskommen muss.

Der Schnorchel sollte einen Innenquerschnitt aufweisen, der die Atmung kaum behindert (mind. 1,8 cm2), aber das Schnorchelinnenvolumen sollte gleichzeitig so sein, dass sich der Schnorchel leicht ausblasen lässt. Außerdem sollte eine anatomisch und strömungstechnisch richtig geformte Verbindung zwischen Mundstück und Schnorchelrohr bestehen, wobei das Schnorchelrohr nicht zu lang sein darf (35–40 cm).

Der Versuch, durch einen längeren Schnorchel zu atmen, führt zu erheblichen Problemen, und zwar sowohl im Bereich Herz-Kreislauf als auch im Bereich der Lunge. Bei Schnorchelatmung entspricht nämlich der Druck im Lungeninneren dem der Wasseroberfläche, während der Körper bereits unter dem höheren Druck des umgebenden Wassers steht (s. auch Immersionseffekte). Diese Druckdifferenzen führen beim Eintauchen mit einem längeren Schnorchel zu einer massiven Blutumverteilung mit akuter Rechtsherzdekompensation und einer Überforderung der Atemmuskulatur, was eine adäquate Atmung unmöglich macht. Schon Schnorchellängen von 60 cm können daher bei maximalem Untertauchen mit diesem Schnorchel gefährlich sein.

In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass bei Benutzung eines überlangen Schnorchels das Problem der Pendelatmung (häufig als lebensgefährlich beschrieben) nicht relevant wird, da eine in Frage kommende Steigerung des CO2-Drucks eine Vergrößerung des Atemzugvolumens und der Atemfrequenz zur Folge hat und somit (zumindest an der Wasseroberfläche) zu einer ausreichenden O2-Versorgung und CO2-Abatmung führt.

Zusätzlich sollte auch die richtige Flosse Beachtung finden, denn eine für das Schnorcheltauchen geeignete Flosse sollte ein eher weiches Blatt aufweisen, wobei hier der Trainingszustand des Schnorchlers berücksichtigt werden muss, da zu harte Flossenblätter beim Ungeübten das Auftreten von Wadenkrämpfen fördern.

Schließlich muss beim Schnorcheln auf die erhöhte Gefahr der Lichtdermatose (Sonnenbrand) hingewiesen werden, weil beim Treiben oder Schwimmen an der Wasseroberfläche durch die kühlende Wirkung des Wassers die Sonnenstrahlen weniger gespürt werden, diese aber durch die Lichtbrechung mindestens unvermindert einwirken können.

9.2 Apnoetauchen als Leistungssport

Im Gegensatz zum reinen Schnorcheltauchen ist das ambitionierte Apnoetauchen mit zahlreichen physiologisch und pathophysiologisch höchst interessanten Besonderheiten verbunden, die noch nicht bis ins letzte Detail erklärt sind. Dabei ist das Apnoetauchen die älteste bekannte Form des Tauchens überhaupt: Die ältesten historischen Quellen über Schwamm- und Perltaucher in Griechenland gehen zurück bis ins 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Heute findet man berufsmäßige Apnoetaucher noch auf den Inseln des Tuamotu-Archipels sowie in Korea und Japan (Hae-Nyo bzw. Ama, „tauchende Frauen“). Die Apnoetaucherinnen tauchen während ihrer täglichen, mehrstündigen Arbeitsschichten – unabhängig von Witterungsbedingungen und Wassertemperatur – über 1–2 min Dauer 150- bis 250-mal in Tiefen von durchschnittlich 5–20 m ab, wobei sie sich zwischen den Tauchgängen für ca. 2–3 min an der Oberfläche erholen. Ganz im Gegensatz dazu steht das Apnoetauchen als Extremsport. In den verschiedenen Disziplinen steht hier das Erreichen maximaler Tauchtiefen, -zeiten und -strecken im Vordergrund (Tabelle 9.1).

Tabelle 9.1: Weltrekordliste Apnoetauchen gemäß AIDA (Association Internationale pour le Dévelopement de l’Apnée; http://www.aidainternational.org/competitive/worlds-records). Erläuterung der Disziplinen s. Kompaktinformation auf folgender Seite

Name (Land)RekordDatumOrt
Static Apnea (Zeittauchen)
FrauenNatalia Molchanova (Russland)8 min 23 sec21.08.2009Aarhus, Dänemark
MännerStefane Mifsud (Frankreich)11 min 35 sec08.06.2009Hyeres, Frankreich
Dynamic Apnea with fins (Weittauchen mit Flossen)
FrauenNatalia Molchanova (Russland)225 m25.04.2010Moskau, Russland
MännerDave Mullins (Neuseeland)265 m02.09.2010Naenae u. Porirua, Neuseeland
Constant Weight (Tieftauchen)
FrauenNatalia Molchanova (Russland)100 m16.04.2011Long Island, Bahamas
MännerHerbert Nitsch (Österreich)124 m22.04.2010Bahamas
Free Immersion
FrauenNatalia Molchanova (Russland)85 m27.07.2008Kreta, Griechenland
MännerWilliam Trubridge (Neuseeland)121 m10.04.2010Long Island, Bahamas
Variable Weigth
FrauenAnnelie Pompe (Schweden)126 m05.10.2010Sharm el Sheikh, Ägypten
MännerHerbert Nitsch (Österreich)142 m07.12.2009Blue Hole, Bahamas
No Limits
FrauenTanya Streeter (USA)160 m17.08.2002Providenciales, Turks und Cocos
MännerHerbert Nitsch (Österreich)214 m14.06.2007Spetses, Griechenland

Kompaktinformation

Apnoetauchen – Wettkampfdisziplinen

■ Statisch (= Zeittauchen):

Der Taucher hält solange wie möglich die Luft an. Er liegt dabei auf der Wasseroberfläche mit dem Gesicht im Wasser, ohne sich fortzubewegen.

■ Dynamisch (= Streckentauchen):

Der Taucher taucht die weitestmögliche Strecke. Es gibt dabei verschiedene Unterdisziplinen, wie Streckentauchen mit und ohne Flossen oder nur mit Armzug.

■ Konstant (= Tieftauchen):

Der Taucher taucht mit eigener Flossenkraft an einem Seil in die Tiefe und taucht mit eigener Kraft auch wieder auf. (Das Seil darf dabei nicht berührt werden, nur um die Tiefenmarke abzureißen, darf das Seil gegriffen werden!)

■ Immersion Libre – Free immersion:

Der Taucher taucht mit eigener Kraft – ohne Flossen – am Seil hinab und wieder hinauf. Er darf sich dabei am Seil mit den Armen hinab- und wieder hochziehen.

■ Variabel:

Der Taucher lässt sich von einem Schlitten mit max. 30 kg Gewicht in die Tiefe ziehen und muss dann aus eigener Kraft wieder an die Oberfläche schwimmen. Es ist auch erlaubt, sich am Seil mit den Armen hochzuziehen.

■ No Limits:

Der Taucher lässt sich von einem Schlitten mit frei wählbarem Gewicht in die Tiefe ziehen und wird von einem Hebesack wieder zurück an die Oberfläche gebracht.

Mit Blick auf die zum Teil übernatürlich wirkenden Leistungen einzelner herausragender Spitzenathleten, die scheinbar im völligen Widerspruch zum Lehrbuchwissen stehen, stellt sich regelhaft die Frage, wie denn so etwas sein kann. Da es sich beim Apnoetauchen in weiten Bereichen quasi um ein „Spielen mit der Physiologie“ handelt, liegt im Wissen der zugrunde liegenden Physiologie auch der Schlüssel zum Verständnis der Spitzenleistungen. Die wichtigsten Faktoren, die bei den erreichten Leistungen eine wesentliche Rolle spielen, sollen, zumindest soweit bislang bekannt, eine Erklärung finden.

9.3 Grundlagen des Tauchens mit angehaltener Luft

9.3.1 Lungenvolumina

Aus der Tauchausbildung ist bekannt, dass bei der Lunge verschiedene Volumina unterschieden werden können. So wird das totale Fassungsvermögen der Lunge als Totalkapazität (TLC) bezeichnet, jener Anteil, der durch Atembewegung verändert werden kann als Vitalkapazität (VC) und schließlich das Restvolumen, das auch nach maximal tiefer Ausatmung in der Lunge verbleibt, als Residualvolumen (RV).

Es gilt nun gemeinhin, dass die Summe aus Vitalkapazität und Residualvolumen die Totalkapazität ergibt (VC + RV = TLC), wobei die Vitalkapazität (VC) ca. 3/4 der Totalkapazität (TLC) ausmacht, das Residualvolumen (RV) hingegen 1/4 der TLC. Diese Annahme stimmt aber nur sehr bedingt und stellt lediglich einen groben Mittelwert dar. Tatsächlich ist dieses Verhältnis 3/4 zu 1/4 nämlich in beide Richtungen durchaus veränderbar (Details s. Kap. 12):

Die VC und damit auch das RV hängen ganz wesentlich von der Elastizität des Brustkorbs, und hier im Besonderen des knöchernen Anteils des Thorax, ab. Zum besseren Verständnis sei hier erläutert, dass die Rippen im Verbund mit der Wirbelsäule und dem Brustbein keinen absolut starren Käfig bilden, sondern dass die Teilkomponenten grundsätzlich elastisch miteinander verbunden sind. Dies ist vor allem deshalb nötig, weil die Brustatmung sonst nicht möglich wäre. Die einzelnen Rippen sind daher sowohl im hinteren Bereich knorpelig-gelenkig mit den jeweiligen Dornfortsätzen der Wirbelsäule verbunden, im vorderen Bereich ebenfalls knorpelig gelenkig mit dem Brustbein. Je elastischer dieses System aber ist, desto größer ist die verschiebliche Luftmenge der Lunge und damit die VC. Im Umkehrschluss ist aber auch die in der Lunge verbleibende Restmenge in diesem Fall kleiner, also das RV.


Abb. 9.1: Atemgymnastik bei Apnoetauchern. Die Elastizität des Zwerchfells ist in gewisser Weise trainierbar und hat vor allem für das Tieftauchen eine Bedeutung (s. Text). Abbildung mit freundl. Genehmigung von Andreas Falkenroth (abgebildet) und Jörg Eyber (Fotograf)

Steifen hingegen diese gelenkigen Verbindungen ein, so nimmt entsprechend die VC ab, das RV jedoch in gleichem Maße zu. Sieht man einmal von krankhaften Zuständen ab, ist vor allem ein Mangel an Aktivität für solche Einsteifungen zuständig, wobei auch das Altern eine gewisse Rolle spielt. Umgekehrt können sportliche Aktivität und besondere Atemübungen sowie Atemgymnastik den Brustkorb elastisch halten. Beides, also trainingsbegleitender Ausdauersport und Atemgymnastik, sind daher für ambitionierte Apnoeisten sinnvolle und wichtige Trainingsinhalte, zumal hier auch die Elastizität des Zwerchfells (also quasi die „Hochwölbungsfähigkeit“) mit trainiert wird (Abb 9.1).

Ein günstiges Verhältnis TLC (bzw. VC) zu RV ist für jede Form des Apnoetauchens von Bedeutung, weil die Lunge der wichtigste Sauerstoffspeicher und CO2-Puffer des Körpers ist. Von besonderer Bedeutung ist dies aber vor allem für Tieftaucher, denn hier bestimmt das Verhältnis TLC zu RV neben anderen Größen die maximale Tauchtiefe (s. unten).

9.3.2 Steuerung der Atmung

Die Atemsteuerung erfolgt im Wesentlichen im Übergangsbereich zwischen Rückenmark und Gehirn, dem so genannten verlängerten Mark bzw. der Medulla oblongata (Abb 9.2). Als wesentliche Steuergrößen gelten dabei der Kohlendioxid- und Sauerstoffgehalt des Blutes bzw. genauer die jeweiligen Partialdrücke und der pH-Wert des Blutes, wobei die wichtigsten Größen pCO2 und pH sind und der pO2 eine nur nachgeordnete Rolle spielt. Dabei wirkt ein hoher pO2 atemreizunterdrückend, ein niedriger pO2 beim Gesunden aber nur vergleichsweise schwach atemreizstimulierend. Der Atemreiz erfolgt also vor allem durch den Anstieg des pCO2 und den Abfall des pH-Wertes im Blut. Wird diese Schwelle erreicht, so spricht man vom „breath-hold breaking point“.

Dieser kann durchaus durch Training herausgezögert werden. So wird derzeit angenommen, dass ein regelmäßiges Apnoetraining eine Sollwertveränderung für das CO2 zur Folge hat und dadurch länger die Luft angehalten werden kann. Darüber hinaus ist es durch Willensanstrengung möglich, noch über den Breaking-point hinaus willentlich die Luft anzuhalten, was allerdings durch unangenehme Begleiterscheinungen wie unwillkürliche Zwerchfellkontraktionen gekennzeichnet ist.


Abb. 9.2: Einflussgrößen auf die Atemsteuerung

Zudem beeinflussen weitere Faktoren die Atemsteuerung. Kälterezeptoren der Haut spielen ebenso eine Rolle wie die Bluttemperatur. Eine Reizung der Kälterezeptoren und/oder ein Abfall der zentralen Bluttemperatur führen zu einer Reizung des Atemzentrums und so zu einer Erhöhung des Atemminutenvolumens. Im Hinblick auf das Apnoetauchen ist dieser Zusammenhang deshalb von Interesse, weil durch Kältereiz und damit die verbundene Reizung des Atemzentrums die Fähigkeit zum Luftanhalten eher limitiert ist, in kaltem Wasser die Leistungen daher nicht denen in warmen Wasser entsprechen.

Ein weiterer wichtiger stimulierender Faktor für das Atemzentrum sind Stresshormone und hier vor allem die Ausschüttung von Adrenalin. Dieses Hormon, entwicklungsgeschichtlich betrachtet gelegentlich auch als „Flucht-oder-Kampf-Hormon“ bezeichnet, stellt im Körper die Weichen für Höchstleistung. Seine erhöhte Ausschüttung bewirkt u. a. ein Angstgefühl, umgekehrt führt Angst oder Aufregung zu seiner Ausschüttung. Eine erhöhte Adrenalinausschüttung bedingt aber über Steigerung des Blutdrucks und des Herzminutenvolumens nicht nur eine Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs, sondern, wie erwähnt, auch eine Reizung des Atemzentrums. Es handelt sich also hinsichtlich des Apnoetauchens um begrenzende Faktoren für die Atemanhaltezeit. Aus diesem Grund sind Aufregung und innere Anspannung, vielleicht auch Angst (z. B. im Wettkampf oder bei Prüfungen) eher hinderlich. An dieser Stelle gehen Physiologie und Psychologie Hand in Hand: Für ambitionierte Apnoeisten ist daher ein Entspannungstraining eine wichtige Ergänzung des Trainingsplans, denn psychische Gelassenheit reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen.

9.3.3 Immersionseffekte

Unter Immersion versteht man das Eintauchen in Flüssigkeit bis zum Kopf (komplettes Untertauchen = Submersion). Hierbei kommt es zu wichtigen physiologischen Veränderungen.

Hämodynamische Veränderungen

Unter normalen Bedingungen an Land besteht ein durch den hydrostatischen Druck der Blutsäule hervorgerufener Druckgradient zwischen unterer und oberer Körperhälfte von über 13 kPa (100 mmHg). Bedingt durch diesen Gradienten wird in den venösen Kapazitätsgefäßen vor allem der Beine eine größere Menge Blut gespeichert. Bei subtotaler Immersion wirkt dem hydrostatischen Druck der Blutsäule der hydrostatische Druck des Wassers entgegen, was zu einer Umverteilung des Blutes führt. Am deutlichsten ist dieser Effekt bei einem Eintauchen des Körpers bis zum Hals, da es hier zu einer Umverteilung von bis zu 1000 ml Blut aus den Venen der unteren Extremitäten in die thorakalen Gefäße kommt. Die unmittelbare Folge ist also eine vermehrte Füllung der Lungengefäße und des rechten Herzens. Neben dieser Volumenbelastung des Herzens wird ebenso eine Volumenzunahme der Lungenkapillaren beobachtet, das sich in einem Anstieg des pulmonalkapillären Verschlussdrucks und des pulmonalarteriellen Mitteldrucks ausdrückt. Gleichzeitig kommt es durch die beschriebenen Veränderungen zu einer im Vergleich zu den Verhältnissen an Land gleichmäßigeren Durchblutung der Lunge.

Diese hier beschriebenen Immersionseffekte mit der damit verbundenen Blutumverteilung in die thorakalen Gefäße und ins rechte Herz sind übrigens auch für die so genannte „Taucherdiurese“ ursächlich verantwortlich. Dieses Phänomen betrifft Gerätetaucher, Apnoetaucher und sogar Schwimmer in gleichem Maße und führt zu einer immersionsbedingten überschießenden Harnproduktion, zur Diurese. Die bereits erwähnten Volumenumverteilungen führen dabei zu einer Volumenüberladung der Vorhöfe des Herzens und zur Vorhofdehnung. Dies hat die Freisetzung des unmittelbar diuretisch wirkenden Hormons ANP (atriales natriuretisches Peptid) bei gleichzeitiger Hemmung der Freisetzung von ADH (antidiuretisches Hormon) zur Folge, was zu einer Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate mit erhöhter Natriurese und Wasserdiurese führt. Mit anderen Worten: Die Freisetzung von ANP und die Hemmung von ADH führen dazu, dass die Nieren ungehemmt Urin produzieren. Auf diese Weise führt die Immersion zu erheblichen Flüssigkeitsverlusten beim Tauchen. Der Immersionseffekt kann überdies durch kälteinduzierte Gefäßengstellung in der Peripherie verstärkt werden.

Pulmonale Effekte

Neben den hämodynamischen Effekten der Immersion kommt es auch zu einer Beeinflussung der Lungenfunktion (Abb 9.3). Hier ist insbesondere die immersionsbedingte Verschiebung des Zwerchfells kopfwärts zu nennen, die mit einer Abnahme der Vitalkapazität der Lunge und besonders der Ausatemreserve in Form der funktionellen Residualkapazität einhergeht. Diese Verlagerung des Zwerchfells ist zum einen auf die hydrostatischen Druckverhältnisse zurückzuführen, zum anderen aber, zumindest bei Immersion nur bis zum Hals, auch darauf, dass der auf dem Brustkorb lastende Druck höher ist als der intrapulmonale Druck. Daher muss bei der Atmung ein negativer Druckgradient überwunden werden.

9.3.4 Tauch reflex

Der französische Physiologe Paul Bert beschrieb vor ca. 125 Jahren, dass Enten beim Gründeln eine deutliche Pulsverlangsamung (Bradykardie) entwickeln. Diese Bradykardie ist in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Warmblütern zu finden. Es handelt sich bei diesem sog. „Tauchreflex“ um eine reflektorische Bradykardie, die mit einer Engstellung der peripheren Gefäße (periphere Vasokonstriktion) einhergeht.


Abb. 9.3: Hydrostatische Effekte auf den Körper bei Immersion

Hinweis. Der Tauchreflex darf aber nicht mit dem Paul-Bert-Reflex verwechselt werden, bei dem es sich um die Auswirkung hoher Sauerstoffpartialdrücke auf das Gehirn handelt (s. Kap. 7).

Diverse Mechanismen tragen zur Auslösung des Tauchreflexes bei, wobei dem Fehlen von Atemexkursionen bei hohem Lungenvolumen (Luftanhalten nach tiefer Einatmung) sowie der Stimulation der Gesichtsäste des Nervus trigeminus durch Kontakt mit Wasser die größte Bedeutung zugesprochen wird. Die besondere Bedeutung dieses Kältereizes im Gesicht wird auch durch die Tatsache untermauert, dass der Tauchreflex bei Schwimmern, die den Kopf über Wasser halten, bzw. bei Tauchern, die eine das Gesicht dicht abdeckende Maske tragen, schwächer ausgeprägt ist.

In der Regel fällt die Herzfrequenz bei Apnoetauchern nur auf Werte von 40 bis 60 Schläge pro Minute ab, es wurden allerdings bei trainierten Elite-Apnoetauchern auch Bradykardien bis unter 20 bzw. sogar unter 10 Schläge pro Minute beschrieben. Anders als bei Tieren geht die Bradykardie beim Menschen allerdings normalerweise nicht mit einem ähnlich deutlichen Abfall des Herzminutenvolumens einher, so dass die trotzdem vorhandene periphere Vasokonstriktion sogar einen leichten Blutdruckanstieg zur Folge hat.

Die Tatsache, dass der Tauchreflex – obwohl quantitativ unterschiedlich ausgeprägt – bei allen tauchenden Warmblütern vorhanden ist, deutet auf eine besondere Bedeutung in der physiologischen Adaptation an die Apnoe hin. In der Tat wurde schon in den vierziger Jahren vermutet, dass die Bradykardie eine zentrale Rolle als „Sauerstoff-Sparmechanismus“ spielt und somit zur Verbesserung der Apnoe-Toleranz beiträgt. Diese Hypothese wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen untermauert und es konnte bei Freiwilligen sogar ein umgekehrter Zusammenhang zwischen dem Abfall der Herzfrequenz und der pulsoxymetrisch erfassten arteriellen Sauerstoffsättigung nachgewiesen werden.

9.3.5 Rolle der Milz

Von frei tauchenden Meeressäugern, wie z. B. der Wedellrobbe, ist bekannt, dass eine Kontraktion der Milz zu einem Anstieg des Hämatokrits (also der zellulären Bestandteile des Blutes, die hauptsächlich aus Erythrozyten (= rote Blutkörperchen) bestehen) im Blut führt. Das aus der Milz zusätzlich in die Zirkulation abgegebene Blut ist mit Sauerstoff gesättigt, wodurch sich der Sauerstoffgehalt des Blutes erhöht und diesen Säugern erlaubt, die langen Apnoezeiten ohne hypoxiebedingte Schäden der vitalen Organe Herz und Gehirn zu tolerieren.

Interessanterweise wurde die Existenz einer kontraktilen Milz mit nachfolgendem Hämatokritanstieg auch bei den über viele Generationen adaptierten berufsmäßigen Apnoetaucherinnen in Korea und Japan beschrieben, während eine Kontrollgruppe diesen Mechanismus nicht aufwies.

Das Blutvolumen und hier insbesondere die totale Hämoglobinmenge des Körpers sind entscheidende Größen der Ausdauerleistungsfähigkeit. Beide Größen passen sich bei hohem Sauerstoffbedarf (z. B. Ausdauertraining) und bei Sauerstoffmangel (z. B. Höhenexposition) den Erfordernissen an. So besitzen Ausdauersportler und höhenadaptierte Menschen je nach Art der Exposition gleichermaßen höhere Hämoglobinmengen als im Flachland lebende Untrainierte. Apnoetaucher wie die erwähnten Perlentaucher sind häufig einem hypoxischen Reiz ausgesetzt. Es ist daher denkbar, dass sie an diese Verhältnisse durch Training oder infolge genetischer Prädisposition angepasst sind und ebenfalls eine hohe Hämoglobinmenge und somit einen hohen Blutsauerstoffspeicher besitzen. Einschränkend ist zu erwähnen, dass es bei längerem Aufenthalt im Wasser immersionsbedingt zu einer überschießenden Harnproduktion mit Wasserdiurese kommt, so dass der Anstieg des Hämoglobingehalts des Blutes auch Folge einer Bluteindickung sein kann. Ebenso ist es möglich, dass die beobachtete Verkleinerung der Milz schlicht durch die Reduktion des Blutvolumens bei überschießender Harnausscheidung (Diurese) erfolgt ist.

Allerdings scheint eine Milzkontraktion zumindest partiell auch zu der verbesserten Apnoetoleranz beizutragen, die schon nach einer kurzzeitigen, gezielten Adaptations- und Trainingsperiode zu beobachten ist, denn bei Probanden, bei denen in der Vorgeschichte die Milz aus unterschiedlichsten medizinischen Gründen entfernt worden war, blieb im vergleichenden Versuch diese durch ein kurzfristiges Training regelhaft erreichbare Steigerung der maximalen Apnoezeit aus.

Ob die Milz aber tatsächlich eine Bedeutung als Erythrozytenspeicher für trainierte Apnoetaucher besitzt und damit z. B. die maximale Apnoezeit verbessern kann oder ob Konzentrationsänderungen des Hämoglobins bzw. des Hämatokritwerts Einfluss auf die maximale Atemanhaltezeit nehmen können, kann zurzeit nicht endgültig beantwortet werden, da umfangreiche Untersuchungen bislang nicht vorliegen, die eine Erhöhung des Blutvolumens durch Apnoetauchgänge belegen. Zudem ist die Reduzierung des Milzvolumens bei den trainierten Apnoetauchern bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie bei bestimmten Tierarten, z. B. den oben erwähnten Robben. Aktuelle eigene Untersuchungen stellen dementsprechend auch eine herausragende Bedeutung der Milz zumindest in Frage.

9.4 Tieftauchen in Apnoe

9.4.1 „Traditionelles“ Lehrbuchwissen

Beim Thema „Tieftauchen in Apnoe“ gilt gemeinhin, dass es nicht möglich sei, tiefer als ca. 30–40 m in Apnoe zu tauchen, weil es sonst zu einer Schädigung der Lunge käme. Diese Annahme ergibt sich aus dem Umstand, dass vermutet wurde, die Lunge müsse sicher dann Schaden nehmen, wenn sie (dem Gesetz von Boyle-Mariotte entsprechend) bei steigender Tauchtiefe bis auf das Residualvolumen bzw. darüber hinaus komprimiert würde, da ja der knöcherne Brustkorb nicht in gleichem Maße verkleinert werden könne (Abb 9.4). Entsprechend der oben genannten Daten aus den physiologischen Lehrbüchern wäre das dann der Fall, wenn die Lunge über 1/4 ihres Ausgangsvolumens hinaus komprimiert wäre, was einer Tauchtiefe von ca. 30 m (4 bar absoluter Druck) und mehr entspräche.


Abb. 9.4: Schematische Auswirkung der Druckzunahme auf die Lunge des Apnoetauchers. Die Lunge als luftgefüllter, nicht starrwandig abgeschlossener Hohlraum gehorcht bei Zunahme des Umgebungsdrucks dem physikalischen Gesetz von Boyle und Mariotte. Sehr vereinfacht dargestellt wird die Lunge bei zunehmender Tauchtiefe proportional zur Druckzunahme komprimiert (linke Teilgrafik: Lunge beim Schnorcheln an der Oberfläche, rechte Teilgrafik: Lunge in der Tiefe). Zu beachten ist jedoch, dass die tatsächlichen Vorgänge komplexer sind!

Wie bereits weiter oben erwähnt, stellt den wesentlichen Faktor für das Tieftauchen in Apnoe das Verhältnis von TLC zu RV im Taucher dar, wobei dieses Verhältnis keinesfalls immer gleich ist, sondern individuell variieren kann. Doch trotz dieser Variation kommt man bei Berechnungen immer wieder erstaunlich exakt auf die in allen Lehrbüchern angegebene maximale Tiefe von 30–35 m.

Fallbeispiel. Als Beispiel soll der wohl bekannteste Apnoetaucher der Neuzeit dienen: Pipin Ferreras, besser bekannt nur als „Pipin“. Seine Lungenparameter sind bekannt: Seine TLC beträgt 9,6 Liter, sein RV wurde mit 2,2 Litern bestimmt. Bildet man nun das Verhältnis TLC:RV, erhält man die maximale Tiefe in bar. Also: 9,6:2,2 = 4,4, was einer theoretisch maximalen Tauchtiefe von 34 Metern entspräche (4,4 bar = 34 m). Tatsächlich liegt sein Rekord aber mehr als 100 m tiefer und es wurden von anderen Athleten inzwischen sogar Tiefen über 200 m erreicht. Was passiert also wirklich?

9.4.2 Das Geheimnis

Die Annahme, dass das Verhältnis von TLC zu RV die maximale Tiefe limitiert, ist gar nicht so falsch. Wenn es also gelingt, größere Tiefen zu erreichen, muss irgendetwas mit diesem Verhältnis geschehen. Und genau das tut es auch, nämlich: Es kommt ohne Zutun des Tauchers zum Blood-Shift.

Tatsächlich werden durch die Zunahme des Umgebungsdrucks die Alveolen (Lungenbläschen) gemäß dem Gesetz von Boyle und Mariotte zusammengedrückt und das in ihnen befindliche Atemgas entsprechend komprimiert. Neben den Alveolen finden sich aber noch weitere Strukturen in der Lunge, die grundsätzlich ebenfalls in der Lage sind, ihren Innendurchmesser zu variieren, nämlich die Lungengefäße. Durch die Abnahme der Alveolarvolumina kommt es zu einem relativen Unterdruck in der Lunge, der einen vermehrten venösen Rückstrom von Blut in die Lungengefäße zur Folge hat, so dass diese sich vermehrt mit Blut füllen. Diese vermehrte Füllung wiederum hat zur Folge, dass der Durchmesser der einzelnen Blutgefäße größer wird, so dass der durch die Schrumpfung der Alveolen geschaffene Raum (dies ist eine vereinfachte Darstellung!) nun durch die vermehrt gefüllten Blutgefäße eingenommen wird (Abb 9.5). Dies hat einerseits zur Folge, dass es (in gewissen Grenzen) eben nicht zur prognostizierten Lungenschädigung kommt, zum anderen aber, dass das RV um jenen Betrag schrumpfen kann, um den sich das Blut umverteilt.

Gemessen und nachgewiesen sind im Experiment bislang 1,53 Liter Blut, die sich in die Lungengefäße umverteilen.

Rechnet man mit Pipins Daten nun erneut nach, findet sich Erstaunliches: Bei Blutumverteilung von 1,53 l in den Brustkorb kann das RV um genau diesen Betrag bis auf 0,67 l schrumpfen, also:


was einer Tiefe von 133 m entspricht. Und genau hier lag zwischenzeitlich Pipins Rekord.

Der hier beschriebene Effekt wird auch als Blood-Shift bezeichnet. Es ist jedoch herauszustellen, dass es sich dabei nicht um eine Anreicherung von Blut in den Alveolen oder eine Quellung der Alveolarmembranen handelt, wie immer wieder falsch dargestellt wird, sondern um eine vorübergehende vermehrte Füllung der Blutgefäße der Lunge. Es ist zwar richtig, dass in Einzelfällen auch Flüssigkeit in den Alveolen gefunden werden kann, dies aber immer als Folge eines (im Verhältnis zu den Möglichkeiten des Betroffenen) zu tiefen Tauchens. Eine solche Flüssigkeitsansammlung oder gar Einblutung in die Alveolen wird als alveoläres Lungenödem oder (mit Einblutung) Hämorrhagie genannt und ist nicht ohne weiteres umkehrbar. Im Gegenteil, es ist immer potenziell lebensbedrohlich und hat eine intensivmedizinische Behandlung zur Folge. Der Blood-Shift ist, wie dargestellt, etwas völlig anderes.


Abb. 9.5: Schematische Darstellung des „Blood-Shifts“. Ausgehend von den normalen Verhältnissen an der Wasseroberfläche kommt es bereits durch Immersion bis zum Hals zu einem vermehrten venösen Rückstrom in die thorakalen Gefäße. Beim Abtauchen (Submersion) kommt es mit zunehmender Tauchtiefe gemäß dem Gesetz von Boyle-Mariotte zu einer Kompression der Alveolen und dem in ihnen befindlichen Atemgas. Durch die Abnahme der Alveolarvolumina kommt es zu einem relativen Unterdruck in der Lunge, der einen zusätzlichen vermehrten venösen Rückstrom von Blut in die Lungengefäße zur Folge hat, so dass diese sich vermehrt mit Blut füllen. Diese vermehrte Füllung wiederum hat zur Folge, dass der Durchmesser der einzelnen Blutgefäße größer wird, so dass der durch die Schrumpfung der Alveolen geschaffenen Raum (vereinfacht dargestellt!) nun durch diese Blutgefäße eingenommen wird. Deshalb kommt es (in gewissen Grenzen) nicht zur historisch prognostizierten Lungenschädigung, da das Residualvolumen (RV) um jenen Betrag schrumpfen kann, um den sich das Blut umverteilt

Wie beschrieben, verändert der Blood-shift also die eine Seite der Gleichung TLC:RV = Tauchtiefe, und allein durch ihn lassen sich schon so unglaubliche Tiefen wie die noch 1998 geltenden Rekorde erklären. Mittlerweile ist die Tiefengrenze jedoch schon ein Stück weiter nach unten verschoben worden. Dazu ist zu sagen, dass die absolut mögliche Umverteilungsmenge bislang nicht bekannt ist. Die Tauchmediziner wissen, dass bei jedem einzelnen Taucher die Dehnbarkeit der Lungengefäße das jeweilige Tiefenlimit darstellen und dass ein Überschreiten dieses Limits zum lebensbedrohlichen Zerreißen der Lungengefäße führen kann. Wieviel Blut indes maximal verschoben werden kann, bevor es im Einzelfall zu einem solchen fatalen Einreißen kommt, ist nicht bekannt. Es ist daher anzunehmen, dass die nachgewiesenen 1,53 l nicht zwingend das Maximum darstellen, und auf diese Weise für Pipin größere Tiefen erreichbar sind.

Kompaktinformation

Blood-Shift. Mit Blood-Shift wird eine vorübergehende vermehrte Füllung der Blutgefäße der Lunge bezeichnet. Es ist Jedoch ganz klar herauszustellen, dass es sich dabei nicht um eine Anreicherung von Blut in den Lungenbläschen handelt, wie immer wieder völlig falsch dargestellt wird. Diese vermehrte Füllung hat zur Folge, dass der Durchmesser der einzelnen Blutgefäße größer wird, so dass der durch die kompressionsbedingte Schrumpfung der Lungenbläschen geschaffene Raum (vereinfacht dargestellt!) nun durch die vermehrt gefüllten Blutgefäße eingenommen wird. Dies bedingt, dass es (in gewissen Grenzen) nicht zu der in den Lehrbüchern dargestellten und prognostizierten Lungenschädigung beim Apnoetauchen kommt.

9.4.3 „Lung-packing“ oder „buccal pumping“

Eine weitere Möglichkeit, an der Tiefenschraube zu drehen, stellen Veränderungen auf der anderen Seite der Gleichung dar, nämlich Veränderungen an der TLC. Dies ist in sehr engen Grenzen durch eine Verbesserung der Thoraxelastizität möglich, oder durch das so genannte „lung-packing“ bzw. auch „buccal pumping“. Es handelt sich hierbei um eine besondere Einatemtechnik, die es dem Kundigen erlaubt, nach einer maximalen Einatmung noch (ebenfalls nachgewiesen) bis zu 3 l Luft in die Lunge zu pressen.

Kompaktinformation

Lung-packing. Beim „lung-packing“ bzw. auch „buccal pumping“, Nachdrücken oder Karpfen genannt, handelt es sich um eine besondere Einatemtechnik, die es dem Kundigen erlaubt, nach einer maximalen Einatmung noch (nachgewiesen) bis zu 2 bis 3 Liter Luft in die Lunge zu pressen. Es sei hier bemerkt, dass nicht bekannt ist, was das Maximum des Möglichen darstellt, und dass es sich dabei um eine willentlich herbeigeführte Überblähung der Lunge handelt. Derzeit ist aber noch unklar, ob und inwieweit dies auf Dauer möglicherweise negative Folgen für das Lungengewebe haben kann.

Es sei angemerkt, dass auch hier nicht bekannt ist, was das Maximum des Möglichen darstellt. Es handelt sich hier also um eine willentlich herbeigeführte Überblähung der Lunge, von der derzeit nicht bekannt ist, ob dies langfristig negative Folgen für das Lungengewebe haben kann. Obwohl diese Technik von den Tauchmedizinern durchaus mit einer gewissen Sorge betrachtet wird, bietet sie dem Athleten die Möglichkeit, deutlich größere Tiefen zu erreichen.

Betrachtet man die obige Rechnung unter diesem Aspekt erneut, so ergibt sich für Pipin (der als einer der wenigen Top-Athleten diese Technik für sich nicht benutzt) bei zusätzlicher TLC-Vergrößerung durch „lung-packing“ um 2 l (= Durchschnittswert, der von jedem geübten „Packer“ erreicht wird):


was einer Tauchtiefe von nun 163 m entspricht und dem ebenfalls zwischenzeitlich von ihm erreichten Rekord von 162 m schon sehr nahe kommt.

9.4.4 Reversal-Packing, „Forced expiration“

Mit dem oben Beschriebenen sind die möglichen Einflussnahmen auf die nun hinlänglich bekannte Gleichung noch nicht erschöpft. Durch das oben beschriebene spezielle Atemtraining, und hier besonders auch das Zwerchfelltraining, ist es den Athleten möglich, bei der Lungenfunktionsprüfung durch ein extrem tiefes Ausatmen („forced expiration“) ihr Residualvolumen messbar (im Bereich von ein paar hundert Millilitern) zu reduzieren. Um genau diese Werte kann es demnach auch beim Tieftauchen zusätzlich schrumpfen, weil andere Strukturen (Zwerchfell) hier nachgeben. Und obwohl es sich um die kleinsten bislang aufgelisteten Veränderungen handelt, sind die Folgen erheblich bei einer zusätzlichen Reduzierung des Residualvolumens um nur 100 ml (entspricht dem Durchschnittswert, der von jedem geübten Apnoeisten erreicht wird):


was einer Tauchtiefe von nun 193 m entspricht!

Mit den bis an dieser Stelle dargestellten Veränderungen sind zumindest rein mechanistisch die unglaublichen Tiefen erklärbar, die bislang erreicht worden sind. Doch damit stellt sich ein weiteres mindestens ebenso wichtiges Problem – und dieses Problem verbietet theoretisch sogar ein Abtauchen bis auf „nur“ 10 m Tiefe. Tatsächlich ist es aber sogar dem weniger Geübten problemlos möglich, diese Tiefe zu erreichen. Es stellt sich das folgende Problem:

9.4.5 Mysterium Kohlendioxid

Wie erwähnt, kommt es beim Abtauchen in Apnoe zu einer Kompression der Alveolen – und damit der Atemgase in den Alveolen. Das wiederum hat zur Folge, dass der Partialdruck der Atemgase mit zunehmender Tiefe steigt und z. B. in 10 m Tiefe doppelt so hoch ist wie an der Wasseroberfläche. Dies betrifft auch das CO2, das durch den hohen pCO2 in der Alveole und eine Umkehr der Diffusionsrichtung für CO2 vermehrt ins Blut diffundiert. Das Problem ist: CO2 stellt den stärksten Atemreizgeber dar und der Grenzwert liegt bei etwa 50 mmHg, denn hier wird der Atemreiz übermächtig. Ein Normalwert liegt bei etwa 35 mmHg, was im Falle der Druckverdoppelung (10 m Tauchtiefe) aber einen Partialdruck von nun schon 70 mmHg ausmacht und damit deutlich höher als die Atemreizschwelle liegt.

Neuere Untersuchungen ebenso wie eigene Befunde zeigen jedoch, dass der Anstieg des arteriellen pCO2, der sich theoretisch ergeben würde, erheblich gemildert wird (Abb 9.6): Auf Grund der hohen Löslichkeit von CO2 im Blut kommt es durch die beschriebene Zunahme des Blutvolumens in den Lungengefäßen mit vermehrter Lungendurchblutung zu einer Umverteilung von CO2 in die Gewebe des Organismus mit einer akut erhöhten CO2-Speicherkapazität. Beim Auftauchen sinken der alveoläre pO2 und pCO2 ständig ab, so dass für CO2 die normale Flussrichtung wiederhergestellt wird. Gefährlich hohe arterielle pCO2-Werte zum Ende der Apnoe hin werden zudem durch den so genannten „Haldane-Effekt“ verhindert: die Löslichkeit von CO2 ist in sauerstoffarmem Blut deutlich höher als in mit O2 praktisch gesättigtem Blut, d. h., in desoxygenierten Blut ist der pCO2 bei gleichem CO2-Gehalt niedriger. Der dekompressionsbedingte Abfall des arteriellen pO2 führt zur Desoxygenierung mit sehr niedrigen, quasi-venösen pO2-Werten im arteriellen Blut mit entsprechend erhöhter CO2-Löslichkeit, so dass der zu erwartende Anstieg des pCO2 ausbleibt. Neben diesem Mechanismus wird bei Elite-Apnoetauchern oft eine erhöhte CO2-Toleranz beobachtet, wobei bislang unklar ist, ob es sich um ein adaptatives Phänomen handelt.


Abb. 9.6: Das Verhalten der Blutgase beim Tieftauchen in Apnoe (mod. nach Muth et al. 2003)

An dieser Stelle sollten v. a. die physiologischen Hintergründe erläutert werden, die zum Verständnis der beschriebenen faszinierenden Leistungen im Apnoetauchen nötig sind. Allerdings sollten dabei nie die natürlichen Grenzen vergessen werden.

9.5 Apnoetauchen – Risiken und Grenzen

Apnoetauchen als Hochleistungssport ist auch mit Risiken verbunden und mancher Topathlet hat seinen Rekord mit seiner Gesundheit oder mit dem Leben bezahlen müssen, trotz sehr guter Vorbereitung und einem in der Regel sehr guten Wissen über die Physiologie des Apnoetauchens. Die Probleme sind dabei vielfältig.

9.5.1 Flachwasserohnmacht

Am bekanntesten ist selbst Laien sicher die Flachwasserohnmacht, die nach Tieftauchversuchen kurz vor Erreichen der Oberfläche oder sehr bald danach auftreten kann (Abb 9.7). Es wird ungern laut gesagt, aber die Vorstufe dieser Bewusstlosigkeit, ein Zustand eingeschränkten Bewusstseins, der auch „Samba“ genannt wird, wird relativ häufig bei Athleten in Wettkämpfen beobachtet. Der Mechanismus: Beim Abtauchen ohne Gerät wird die Lunge komprimiert, was eine Erhöhung der Partialdrücke der Atemgase zur Folge hat. Es kommt zu einem verstärktem Übertritt von z. B. Sauerstoff ins Blut, so dass dem Körper quasi eine „Luxusversorgung“ vorgegaukelt wird, doch wird in dieser Phase natürlich auch Sauerstoff verbraucht. Zu einer Hypoxie, also einem Sauerstoffmangel, kommt es unter diesen Bedingungen in der Tiefe nicht, da der Sauerstoffpartialdruck ja erhöht ist. Irgendwann zwingt der Atemreiz dann zum Auftauchen. Hierbei fallen die Partialdrücke der Atemgase in der Lunge rasch ab. Besonders der Abfall des Sauerstoffpartialdruckes ist dabei dramatisch, weil von diesem Gas reichlich verbraucht wurde. Kurz vor oder unmittelbar nach Erreichen der Oberfläche kann der Sauerstoffpartialdruck dann so niedrig werden, dass die Sauerstoffversorgung des Gehirns nicht mehr ausreichend ist. In der Folge verliert der Taucher das Bewusstsein und kann dadurch ohnmächtig wieder absinken und ertrinken. Aus diesem Grunde werden bei Wettkämpfen die Taucher durch Sicherungstaucher vor allem auch an der Oberfläche gut abgesichert. Die Gefahr der Flachwasserohnmacht potenziert sich übrigens durch eine vorhergehende Hyperventilation, d. h. einem Abatmen von CO2.


Abb. 9.7: Mechanismen der Flachwasserohnmacht: Beim Tieftauchen in Apnoe steigt kompressionsbedingt der arterielle pO2 (rote Kurve); der steigende arterielle pCO2 ist hier der einzig wirksame Atemstimulus. Hyperventiliert der Taucher nun vor dem Abtauchen, kann er länger am Grund verweilen, bis ihn ein erhöhter pCO2-Wert (gepunktete Kurve) im Blut zum Auftauchen zwingt. Während des Auftauchens lässt dann die schnelle Dekompression der Lunge den alveolären und damit auch den arteriellen pO2 auf hypoxische Werte abfallen

Kompaktinformatio

Hyperventilation. Die Atmung ist ein komplexer Vorgang, der sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen des Körpers richtet. Ist es durch vermehrte Muskelarbeit zu einem vermehrten Anfall von CO2 und sauren Stoffwechselprodukten (z. B. Milchsäure) gekommen, so ist die Atmung unwillkürlich vertieft und beschleunigt. Der Grund ist also ein zuviel an CO2, das Ziel eine Normalisierung der Werte im Blut. Viele Taucher atmen jedoch, ohne dass ein gesteigerter Atemreiz besteht, vor dem Abtauchen mehrmals tief ein und aus. Sie tun dies in der irrigen Annahme, dass es auf diese Weise gelänge, mehr Sauerstoff im Blut zu speichern. Ein gewollter Effekt der Hyperventilation ist tatsächlich die Verlängerung der Zeit, in der willentlich die Luft angehalten werden kann, also der Apnoezeit. Dies erklärt sich aus der Absenkung des CO2-Gehalts des Blutes (Hypokapnie) und der dadurch verlängerten Zeit, bis genügend CO2 gebildet wurde, um den Atemreiz zu geben. Durch die gleichzeitige Verschiebung des pH-Werts des Blutes und die Abnahme von Kalziumionen im Blutplasma kommt es jedoch zu Missempfindungen, wie Kribbelgefühle um den Mund und an den Händen sowie in schweren Fällen zu einer Verkrampfung aller Muskeln (Tetanie): Es resultiert das typische Bild der „Pfötchenstellung“. Durch die gleichzeitig verminderte Durchblutung des Gehirns, Gefäßengstellung und erschwerte Sauerstoffabgabe des Hämoglobins (Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve) kann im Hirn ein Sauerstoffmangel (Hypoxie) auch an Land schon zur Bewusstlosigkeit führen. Dazu gesellt sich noch der verlängerte Sauerstoffverbrauch durch den verspäteten Atemreiz, was unter Wasser durch die Bewusstlosigkeit zum Ertrinken führen kann.

9.5.2 Schwimmbad-Blackout

Kommt es beim Streckentauchen oder bei Zeittauchversuchen zu einer Bewusstlosigkeit des Tauchers, ist das Vorliegen des so genannten Schwimmbad-Blackouts sehr wahrscheinlich (Abb 9.8). Trotz der Bezeichnung ist die Lokalität des Ereignisses ohne Belang, sie dient nur der Unterscheidung des bei Tieftauchversuchen zugrunde liegenden Mechanismus.

Bei Weittauchversuchen wird unter Wasser mittels Muskelkraft eine bestimmte Strecke zurückgelegt. Dabei wird durch die Muskeltätigkeit vermehrt Sauerstoff verbraucht und CO2 vermehrt produziert. So kommt es im Normalfall zu einem Atemreiz, bevor die kritische Sauerstoffschwelle, bei der es zur Hypoxie kommt, unterschritten wird. Wurde jedoch vor dem Tauchversuch hyperventiliert und dadurch, wie beschrieben, der CO2-Wert gesenkt, dauert es entsprechend länger, bis ein Atemreiz erfolgt. Daher kann es zu einem Sauerstoffmangel kommen, der den Taucher das Bewusstsein relativ plötzlich verlieren lässt.


Abb. 9.8: Mechanismen des Schwimmbad-Blackouts: Bei Weittauchversuchen wird durch die Muskeltätigkeit vermehrt Sauerstoff verbraucht (grüne Kurven), CO2 (rote Kurven) vermehrt produziert. So kommt es im Normalfall vor Erreichen einer kritischen Sauerstoffschwelle zum Atemreiz. Bei Hyperventilation und dadurch (gepunktete rote Kurve) Senkung des CO2-Werts dauert es entsprechend länger, bis ein Atemreiz erfolgt. Daher kann es zu einem Sauerstoffmangel kommen, der relativ plötzlich zum Bewusstseinsverlust (Blackout) führen kann

Die CO2-Produktion des Körpers geht jedoch aufgrund von Stoffwechselvorgängen weiter, so dass zu einem gegebenen Zeitpunkt wieder genug CO2 im Blut ist, um das Atemzentrum zu stimulieren. Daraus resultiert ein Einatemreflex, der unter Wasser zum Einatmen von Wasser und somit zum Ertrinken führt. So kommt es bei nicht rechtzeitigem Erkennen durch Trainingspartner oder Übungsleiter fast zwangsläufig zur Aspiration von Wasser in die Lunge.

9.5.3 Stickstoff beim Apnoetauchen

Während die Gefahr der Flachwasserohnmacht vielen ambitionierten Schnorchlern bereits bekannt ist, drohen echte Gefahren auch von einem Gas, das beim Apnoetauchen lange als völlig unkritisch (weil nicht relevant) angesehen wurde (und von vielen Apnoeisten leider immer noch als solches angesehen wird) – dem Stickstoff.

Tiefenrausch

Ebenso wie der Sauerstoffpartialdruck steigt der pN2 während des Abtauchens an, und entsprechend kommt es zu einer Aufnahme von Stickstoff ins Gewebe. Angesichts der von Apnoetauchern in Training und Wettkampf erreichten Tiefen weit jenseits der 50 m wäre übrigens das Auftreten eines Tiefenrauschs trotz der geringen Zeit, die bei einem Apnoetauchgang in der Tiefe verbracht wird, denkbar.

Genaue Untersuchungen zu dieser Frage liegen bislang nicht vor; die von vielen Apnoetauchern geschilderten subjektiven Eindrücke speziell bei Tieftauchversuchen können jedoch durchaus als Symptome eines Tiefenrauschs interpretiert werden.

Dekompressionsunfall

In Gegensatz zu dieser bisher nicht endgültig beantworteten Frage muss die Möglichkeit des Auftretens einer Dekompressionskrankheit zumindest nach mehreren wiederholten (und vor allem tiefen) Apnoetauchgängen eindeutig bejaht werden. Nach einem einzelnen Apnoetauchgang ist die zusätzlich im Gewebe aufgenommene Stickstoffmenge so gering, dass entsprechende Symptome unter normalen Umständen nicht auftreten können. Da die Stickstoffelimination aber prinzipiell langsamer abläuft als die Aufnahme, kommt es zu einer Anreicherung von Stickstoff im Gewebe, wenn der Apnoetaucher in kurzen Abständen wiederholt abtaucht, insbesondere bei Tiefen von mehr als 15–20 m. Der Grad der Gewebesättigung mit Stickstoff wird neben der Tiefe vom Verhältnis zwischen der Apnoezeit unter Wasser und der Länge der Erholungsperiode an der Oberfläche bestimmt. In der Tat konnten Messungen bei berufsmäßigen Apnoetauchern zeigen, dass tiefenabhängig venöse pN2-Werte erreicht werden können, die potenziell mit einer Blasenbildung im Blut verbunden sind. Eine Dekompressionskrankheit ist also nach wiederholten Apnoetauchgängen möglich und inzwischen auch mehrfach in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben.

Engagierten Apnoetauchern wird daher empfohlen, zwischen Tieftauchversuchen eine längere Oberflächenpause einzuhalten und nach Möglichkeit an der Oberfläche für 5–10 min Sauerstoff zu atmen, da diese Maßnahme die Gefahr einer Dekompressionssymptomatik minimieren kann.

Die bisherigen Erläuterungen sind zumindest den tauchmedizinischen Experten und wohl auch vielen Aktiven wohl bekannt. Im Sommer 2005 hat der Apnoetaucher Patrick Musimu mit seinem Fabelrekord von 209 m Tiefe und mit seinen gesundheitlichen Problemen danach aber sehr wahrscheinlich nicht nur die absolut natürliche Grenze für das Tieftauchen in Apnoe erreicht, sondern auch einen Mechanismus erlebt, der eigentlich als unmöglich gilt und unter normalen Umständen gar nicht auftreten kann: eine ursprünglich arterielle Dekompressionskrankheit.

Dies ist eigentlich ein Paradoxon, denn dekompressionsbedingte Gasblasen können eigentlich nicht auf der arteriellen Seite entstehen, sondern allenfalls venös entstanden über die Lungengefäße oder ein offenes Foramen ovale vom rechten Herzvorhof in den linken Vorhof und so auf die arterielle Seite gelangen. Der Grund dafür ist, dass sich unter den bisher bekannten Bedingungen mengenmäßig nur wenig Stickstoff auf der arteriellen Seite befindet und die Blasenbildung durch gewaltige Gegenkräfte maximal behindert wird. Doch in den Tiefenbereichen, in die Patrick Musimu nun vorgedrungen ist, stellen sich die Regeln möglicherweise auf den Kopf – und zwar so gründlich, dass selbst gestandene Taucherärzte einen solchen Mechanismus schwer erklären können.

Und doch: In dieser Tiefe kommt es zu einer gewaltigen Aufsättigung vor allem des arteriellen Blutes, was durch die immense Blutfülle in den Lungengefäßen durch den Blood-shift und den extrem langsamen Herzschlag, der zu einer vergleichsweise langen Verweildauer des Blutes in den Lungengefäßen führt, noch gesteigert wird. An diese Vorgänge schließt sich dann eine geradezu explosive Dekompression an, denn das Auftauchen findet mit einer Geschwindigkeit zwischen 100 und 200 m pro min (=12 km/h) statt, so dass es möglicherweise unter diesen Bedingungen dann doch auf der arteriellen Seite zur Blasenbildung und zur neurologischen DCS kommen kann.

Die absolute Grenze für das Tieftauchen in Apnoe scheint somit nicht mehr sehr fern zu sein, und die Gefahren steigen für den, der sie zu erreichen sucht, nunmehr sehr wahrscheinlich mit jedem zusätzlichen Meter.

9.5.4 Pulmonale Probleme

Ein weiteres Problemfeld beim Apnoetauchen ist die Lunge (s. auch Kap. 12). Hier kommt es bei den Athleten sehr häufig zu unterschiedlichen Symptomen, die von Bluthusten über die Ausbildung eines Lungenödems bis hin zum Lungenriss führen können.

Von dieser Symptomatik stellt das Bluthusten vordergründig sicher das spektakulärste dar, ist in der Regel aber erstaunlich harmlos. In den meisten Fällen handelt es sich entweder schlicht um ein Barotrauma der Nebenhöhlen oder, im Leistungssportbereich, um Einrisse von Schleimhautgefäßen in der Luftröhre und den Bronchien. Zu den wichtigsten Veränderungen beim Tieftauchen in Apnoe gehört nämlich eine erhebliche Umverteilung von Blut aus den peripheren Blutgefäßen in die thorakalen Blutgefäße, also die Lungengefäße und die der Schleimhäute der Atemwege. Diese Gefäße werden dabei prall gefüllt und aufgedehnt, so dass speziell die zarten Schleimhautgefäße einreißen können.

Doch nicht nur diese, denn der als Blood-Shift bekannte Mechanismus dehnt auch die Lungengefäße und Lungenkapillaren auf, so dass es theoretisch auch hier zu einem Gefäßeinriss mit anschließender erheblicher Blutung kommen kann. Während ein solches Ereignis bislang erst einmal berichtet wurde, ist es bereits mehrfach zur Ausbildung eines Lungenödems gekommen. Ursächlich ist hier ein so hoher hydrostatischer Druck in den Lungenkapillaren, dass es zum Übertritt von Blutplasma in die Lungenbläschen kommt. Manche Apnoetaucher meinen irrtümlich, dass dieser Übertritt regelhaft aufträte und dass dies das Geheimnis der großen Tiefen sei, doch das ist falsch. Der Blood-Shift selbst erklärt die großen Tiefen, denn die prall vollen Blutgefäße nehmen so viel Platz ein, dass die Lungenbläschen weiter schrumpfen können, ohne dass es zum Unterdruckbarotrauma der Lunge kommt. Der Übertritt hingegen ist eine lebensbedrohliche Komplikation. In einer 2006 erschienenen wissenschaftlichen Untersuchung wird übrigens sogar diskutiert, dass diese Effekte zu einer Überlastung des rechten Herzens und zur Ausbildung eines Hochdrucks im kleinen Blutkreislauf führen können, doch für endgültige Aussagen ist es sicher noch zu früh.

Dafür sind aber sogar Lungenrisse bei Apnoetauchern beschrieben, und zwar nicht beim Abtauchen, sondern beim Auftauchen. Bislang handelt es sich um Einzelfälle, die mit einer ungleichmäßigen Verteilung der Luft in der sich wieder ausdehnenden Lunge erklärt werden. Auch hier besteht noch Forschungsbedarf. Das gilt auch für die Technik der willentlichen Überblähung der Lunge, die von vielen Apnoeisten angewandt wird. Dieses so genannte „Nachdrücken“ oder auch „Karpfen“ ermöglicht eine Steigerung der Vitalkapazität um bis zu 50% des Ausgangsvolumens. Auch hier ist eine Druckschädigung der Lunge denkbar und diskutiert worden, endgültige Ergebnisse stehen aber noch aus und sind derzeit Gegenstand der Forschung.

9.5.5 Herzrhythmusstörungen

Beim Apnoetauchen kommt es zudem, wie oben erwähnt, zum so genannten Tauchreflex, der auch bei Tieren zu beobachten ist und sehr wahrscheinlich ein „Sauerstoffsparmechanismus“ ist. Diverse Mechanismen tragen zur Auslösung dieses Tauchreflexes bei, wobei dem Atemanhalten sowie dem Kontakt des Gesichts mit Wasser die größte Bedeutung zugesprochen wird. Zusätzliche Mechanismen sind der kompressionsbedingte Anstieg des arteriellen pO2 sowie die erwähnte Umverteilung von Blut aus der Peripherie in den Thorax und die daraus resultierende Erhöhung der Herzfüllung. In der Regel fällt die Herzfrequenz bei Apnoetauchern nur mäßig ab, es wurden aber, wie oben erwähnt, bei trainierten Elite-Apnoetauchern auch Herzfrequenzen bis unter 20 Schläge/min beschrieben. Hierbei kommt es allerdings bei langen Apnoetauchgängen nahezu regelhaft zu deutlichen Herzrhythmusstörungen – und zwar umso häufiger, je deutlicher der Effekt des Tauchreflexes auf die Herzfrequenz ist. Bislang kam es durch die Herzrhythmusstörungen allerdings noch zu keiner Komplikation.

Tipps für Tauchleher

1. Apnoetauchen ist den meisten Gerätetauchern zu sportlich. Dabei wäre es die ideale Ergänzung bzgl. sportspezifischer Grundfitness, Stresstoleranz bei Luftnot oder Flachwasserbiologie an tauchfreien Tagen.

2. Wer Sporttaucher ausbildet und prüft, sollte seinen Schülern in Sachen Zeit-, Tief- und Streckentauchen sowie Langstreckenschnorcheln in Tauchausrüstung in nichts nachstehen.

3. Eine überdurchschnittliche Apnoe-Grundfitness muss sich Jeder aktive Tauchlehrer, ob Jung oder alt, erhalten, um bei einem Wasserrettungsmanöver im Ernstfall nicht zu versagen.

4. Apnoeleistungen werden in vernünftigem Rahmen in Jeder Tauchausbildungsstufe abgeprüft. Hier sollte der Tauchlehrer die lauernden Gefahren sehen und ihnen im Vorfeld entgegenwirken: Verbot forcierter Hyperventilation, Zeitbegrenzung beim Zeittauchen, Begleitschnorchler beim Streckentauchen, Sicherungstaucher beim Tieftauchen – dies gilt auch und besonders bei der Durchführung von Tauchlehrerprüfungen!

Weiterführende Literatur ____________________________

1. Ehrmann U, Pittner A, Paulat K, Radermacher P, Muth CM: Herzfrequenz und metabolische Parameter beim Apnoetauchen. Dtsch Z Sportmed 2004; 55: 295–298

2. Ferretti G: Extreme human breath-hold diving. Eur J Appl Physiol 2001; 84: 254–271

3. Ferrigno M, Lundgren CEG: Human breath-hold diving. In: Lundgren CEG, Miller JN (eds) The lung at depth. Lung biology in health and disease, vol 132. Marcel Dekker, New York, 1999, pp 529–585

4. Hong SK: Breath-hold diving. In: Bove AA, Davis JC (eds) Diving medicine. W. B. Saunders, Philadelphia PA, 1997, pp 65–74

5. Muth CM, Radermacher P, Pittner A, Steinacker J, Schabana R, Hamich S, Paulat K, Calzia E: Arterial blood gases during diving in elite apnea divers. Int J Sports Med 2003; 24:104–107

6. Muth CM, Ehrmann, U, Radermacher P: Physiological aspects of apnea diving. Clin Chest Med 2005; 26: 381–394

7. Muth CM, Radermacher P: Kompendium der Tauchmedizin. Deutscher Ärzteverlag, Köln, 2005

8. Radermacher P, Muth CM. Apnoetauchen – Physiologie und Pathophysiologie. Dtsch Z Sportmed 2002; 53: 185–191

Moderne Tauchmedizin

Подняться наверх