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Tumoren und ihre biologische Vielfalt

Tumoren verfügen über eine schier grenzenlos erscheinende biologische Vielfalt und Variabilität. Jeder Tumor zeigt dabei ein individuelles biologisches Verhalten, das von zahlreichen Faktoren abhängig ist und die Wahl der Therapie bestimmt. Ein umfassendes Wissen um diese Zusammenhänge ist die Basis jeder verantwortungsbewussten Entscheidung für den Tumorpatienten.

Jeder Tumor zeigt ein individuelles biologisches Verhalten. Je mehr der behandelnde Tierarzt über dieses Verhalten weiß, desto genauer wird seine Prognose über den Verlauf der Erkrankung sein und desto besser kann er eine effiziente und auf den einzelnen Patienten abgestimmte Therapie vorschlagen. In der Humanmedizin wurde die Onkologie längst zum Vorreiter einer personalisierten Medizin, die sich an den molekularen Mechanismen der Erkrankung des einzelnen Patienten orientiert, und einige dieser wegweisenden Möglichkeiten sind heute auch bereits in der Tiermedizin verfügbar.

Zahlreiche relevante Fragen müssen beantwortet werden, um einen Tumor umfassend zu charakterisieren und sein biologisches Verhalten zu beschreiben.

•Ist der Tumor gut- oder bösartig?

•Von welchem Ursprungsgewebe stammen die Tumorzellen ab?

•Wie aktiv ist der Tumor und wie hoch ist seine Zellteilungsrate?

•Setzt die Tumorzelle Botenstoffe frei, die die Ausbildung von neuen Blutgefäßen initiieren? Kann eine Blutgefäßbildung, die Angiogenese, stattfinden? Diese Gefäße, deren einzige Aufgabe die Nährstoffversorgung des Tumors ist, sind für den Tumor lebensnotwendig.

•Können die Tumorzellen über die Blut- oder Lymphgefäße ausgeschwemmt werden? Die Antwort auf diese Frage ist wesentlich für die Metastasensuche und gibt Hinweise, welche Körperregionen gegebenenfalls vorrangig auf Metastasen untersucht werden sollten.

•Haben die Tumorzellen überhaupt die Fähigkeit, in anderes Gewebe einzuwachsen? Das Ausschwemmen allein sagt noch nichts über die Metastasierungsfähigkeit eines Tumors aus, das heißt über die Fähigkeit eines Tumors, Tochtergeschwülste zu bilden. Entscheidend ist die Frage, ob die über die Transportwege des Organismus in den Körper gelangten Zellen die biologischen Voraussetzungen mitbringen, über die Gefäßwände wiederum in das Gewebe hineinzuwachsen und somit eine Metastase zu bilden. Dazu sind bestimmte Enzyme notwendig, die die Gefäßwände sozusagen vorbereiten und sie für die Tumorzellen durchlässig machen.

•Verfügt der Tumor über molekulare Besonderheiten, die eine zusätzliche prognostische Information geben oder eine zielgerichtete Therapie sinnvoll erscheinen lassen?

All diese Fragen betreffen das biologische Verhalten eines Tumors, und die entsprechenden Antworten sind die Voraussetzung, um zu einer individuell auf den jeweiligen Patienten und seinen Tumor abgestimmten und damit effizienten und sinnvollen Therapie zu gelangen.

Um alle Fragen hinsichtlich des biologischen Verhaltens eines Tumors zu beantworten und damit sinnvolle und effiziente Therapien gewährleisten zu können, ist eine genaue diagnostische Abklärung der Tumorerkrankung ebenso unverzichtbar wie spezielles onkologisches Fachwissen des behandelnden Tierarztes.

Unterscheidungsmerkmale gutartiger und bösartiger Tumoren

Ein Tumor kann gutartig (benigne) oder bösartig (maligne) sein. Diese Unterscheidung gehört zu den ersten grundlegenden Fragestellungen in der Onkologie. Benigne Tumoren verdrängen mit ihrem Wachstum das umliegende Gewebe und schieben es sozusagen vor sich her, dringen aber nicht in gesunde Gewebestrukturen ein. Sie wachsen zumeist langsam und zeigen sich gegenüber dem umgebenden Gewebe gut abgegrenzt. Oft ist in derartigen Fällen nach einer sicheren diagnostischen Abklärung überhaupt keine weitere Therapie notwendig. Manchmal sollten allerdings auch benigne Tumoren chirurgisch entfernt werden, beispielsweise dann, wenn das Größenwachstum des Tumors die Bewegungsfähigkeit des Hundes einschränken könnte und seine Lebensqualität damit beeinträchtigen würde. Nach der in den weitaus meisten Fällen einfachen und problemlosen chirurgischen Entfernung eines benignen Tumors ist der Patient geheilt. Einer der häufigsten benignen Tumoren des Hundes, der eine derartige Vorgangsweise rechtfertigt, ist das Lipom, ein oftmals in der Unterhaut anzutreffendes tastbares Gebilde, das aus Fettgewebszellen besteht.

Maligne Tumoren haben im Vergleich zu benignen Umfangsvermehrungen eine höhere Zellteilungsrate und wachsen daher wesentlich schneller. Außerdem dringen sie in das umliegende Gewebe ein: Sie infiltrieren, wie es in der medizinischen Fachsprache heißt. Damit sind sie schlecht abgrenzbar und zerstören ihre gesunde Umgebung. Ihre operative Entfernung erfordert einen in der Tumorchirurgie erfahrenen Chirurgen, um eine möglichst vollständige, in jedem Fall aber großzügige Entfernung des Tumors zu gewährleisten. Auch bei einem malignen Tumor kann eine Operation unter optimalen Bedingungen den Patienten heilen. Deshalb gehört die chirurgische Entfernung maligner Tumoren wie beispielsweise von Karzinomen, Sarkomen oder Mastzelltumoren immer in die Hände von erfahrenen Tumorchirurgen, denn das Risiko, dass der Tumor an dieser Stelle erneut auftritt und ein Rezidiv bildet, ist insbesondere dann gegeben, wenn das Tumorgewebe nicht restlos entfernt werden konnte, der Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe zu gering war und in diesen Fällen auch keine weitere ergänzende onkologische Therapie erfolgte. Zudem können maligne Tumoren sich im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung über die Blut- oder Lymphgefäße im gesamten Organismus ausbreiten, um an anderen Stellen des Körpers Metastasen zu bilden.


Lipome zeigen sich oft nur als kleine tastbare Erhebung im Unterhautgewebe. Ist die Diagnose mittels Feinnadelaspirationsbiopsie gesichert, bleibt die Umfangsvermehrung klein und behindert den Hund nicht, ist eine sofortige Entfernung nicht unbedingt notwendig.

Benigne Tumoren*Maligne Tumoren
Verdrängen umliegendes GewebeDringen in umliegendes Gewebe ein (Infiltration)
Langsames WachstumSchnelleres Wachstum aufgrund einer hohen Zellteilungsrate
Gute Abgrenzung ermöglicht unkomplizierte OperationInfiltratives Wachstum erfordert weiträumige chirurgische Entfernung
Keine MetastasenbildungIm fortgeschrittenen Stadium zumeist Ausbreitung in den Organismus und Metastasenbildung
Der Patient ist nach einer Operation geheilt.Der Tumor kann bei unvollständiger chirurgischer Entfernung wieder auftreten und ein Rezidiv bilden.

*Zusammenstellung nach diversen Informationen der Onkologischen Abteilung der Internen Klinik für Kleintiere der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Tumoren entstehen aus unterschiedlichem Ursprungsgewebe

Tumor, Neoplasie, Krebs und Karzinom – viele verschiedene Worte für das gleiche Krankheitsbild? Nein! Der Begriff Tumor bezeichnet im weitesten Sinne zunächst einmal nichts anderes als eine Umfangsvermehrung, die vielerlei Ursachen haben kann. Auch eine Schwellung infolge einer Entzündung, beispielsweise ein Ödem oder ein Abszess, fällt genau genommen in diese Begriffsdefinition. Erst im engeren Sinne bezeichnet das Wort „Tumor“ analog zum Begriff der Neoplasie eine neue Zubildung von Körpergewebe, das durch unphysiologisches vermehrtes Zellwachstum entstanden ist. Das sagt noch immer nichts über die Dignität dieses neuen Gewebes aus, also darüber, ob es sich um eine benigne oder maligne Zubildung handelt.

Bösartige Tumoren werden in der deutschen Sprache umgangssprachlich als „Krebs“ bezeichnet – eigentlich eine Ungenauigkeit, denn das Wort Krebs entspricht dem aus dem Altgriechischen stammenden Begriff Karzinom, der sich von „Karkinos“, dem griechischen Wort für das Krustentier Krebs, ableitet. Diese semantische Verwandtschaft zwischen der Bezeichnung einer Tumorerkrankung und dem Namen der Krustentiere hat keinen wissenschaftlichen Hintergrund, ist aber uralt und basiert auf simplen augenscheinlichen Parallelen: Wie Tumorerkrankungen zeichnen sich auch Krebstiere zum einen durch eine große Vielfalt ihrer Formen, zum anderen durch außergewöhnliche evolutionäre Fähigkeiten aus, die es ihnen erlauben, sich unmittelbar an verschiedene Lebensräume und Umwelteinflüsse anzupassen. Beide Eigenschaften treffen ganz generell auch auf Tumoren zu. Zudem erinnern die unsichtbaren Ausläufer eines Tumors beispielsweise unter der Hautoberfläche an die langen gliedrigen Füße der Krebstiere. Anders als im allgemeinen Sprachgebrauch werden in der Onkologie nur bösartige Tumoren, deren Ursprungsgewebe die Haut, die Schleimhaut oder ein Drüsengewebe ist, als Karzinome bezeichnet.

Eine andere Gruppe bösartiger Tumoren sind die Sarkome: Sie entwickeln sich aus dem Stützgewebe, finden ihren Ursprung also in Bindegewebs-, Knochen-, Knorpel- oder Muskelzellen. Ein wichtiges Charakteristikum ihres biologischen Verhaltens ist beispielsweise die Fähigkeit zu einer schnellen Metastasierung über den Blutweg.

Die tast- bzw. sichtbaren Neoplasien, die sich zunächst an einzelnen Organen oder bestimmten Regionen lokal im Organismus manifestieren, werden auch als solide Tumoren bezeichnet.

Darüber hinaus gehören die verschiedenen Formen der Leukämie oder des malignen Lymphoms zu den bösartigen Tumorerkrankungen. Diese systemischen Krebserkrankungen gehen von den Zellen des hämatopoetischen (blutbildenden) und des lymphatischen Systems aus und betreffen den gesamten Organismus. Eine Leukämie entsteht, wenn unreife Zellen in einem frühen Stadium der Blutbildung entarten und dadurch unter anderem die Fähigkeit erlangen, sich unkontrolliert zu vermehren. Diese Tumorzellen gelangen unmittelbar aus dem blutbildenden System, dessen Hauptorgan das Knochenmark ist, in die Blutbahn und verteilen sich so im gesamten Organismus. Im Gegensatz dazu gehen die Tumorzellen des malignen Lymphoms von reifen Lymphozyten aus und gelangen erst im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung in die Blutbahn. Obwohl es sich sowohl bei Leukämien als auch bei Lymphomen um systemische Krebserkrankungen handelt, kommt es beim malignen Lymphom in den meisten Fällen zunächst zur Ausbildung solider Tumoren. Diese Umfangsvermehrungen sind in der klinischen Untersuchung oder bildgebenden Diagnostik tast- oder sichtbar und treten zumeist in den Lymphknoten oder in der Milz auf. Maligne Lymphome können aber auch in allen anderen Organen des Organismus entstehen, beispielsweise als kutanes Lymphom in der Haut, als spinales Lymphom im Rückenmark oder als gastrointestinales Lymphom im Magen-Darm-Trakt.

Das maligne Lymphom, wegen der häufigen Lokalisation seines Auftretens in den Lymphknoten oft auch als „Lymphdrüsenkrebs“ bezeichnet, ist eine der meistverbreiteten Tumorerkrankungen des Hundes und macht fünf bis zehn Prozent aller Tumoren bei Hunden aus.

Die Namen der Tumoren sind ebenso vielfältig wie ihre biologischen Erscheinungsformen. Das Wort Krebs allein sagt inhaltlich nur sehr wenig über die eigentliche Diagnose aus und ist somit auch keine hinreichende Bezeichnung für eine Erkrankung. Erst wenn alle Untersuchungsergebnisse eines Patienten vorliegen, kann der Tumor mit einer genauen Bezeichnung versehen werden, die nun auch eine inhaltliche Information zur Diagnose der Erkrankung gibt. Diese Bezeichnung basiert auf den biologischen Eigenschaften des Tumors und richtet sich zum einen nach dem Ursprungsgewebe und zum anderen nach der Dignität. Die nachfolgende Tabelle stellt nur einige wenige Beispiele zusammen.*

UrsprungsgewebeBenigne TumorenMaligne Tumoren
Epitheliale Zellen (Deckund Drüsengewebe):
Plattenepithel (z. B. Haut oder Schleimhaut)PapillomPlattenepithelkarzinom
DrüsenepithelAdenomAdenokarzinom
Mesenchymale Zellen (Stützgewebe):
BindegewebeFibromFibrosarkom
FettgewebeLipomLiposarkom
KnorpelgewebeChondromChondrosarkom
KnochenOsteomOsteosarkom
Zellen des hämatopoetischen (blutbildenden) und lymphatischen Systems:
LymphozytenMalignes LymphomLymphatische Leukämie
PlasmazellenKutanes PlasmozytomMultiples Myelom
GranulozytenMyeloische Leukämie
MakrophagenHistiozytomHistiozytäres Sarkom
MastzellenMastozytom

*Zusammenstellung nach diversen Informationen der Onkologischen Abteilung der Internen Klinik für Kleintiere der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

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