Читать книгу Der kleine Coach für den Nachttisch - Kerstin Stolpe - Страница 8
„Alles lief nach Plan. Nur der Plan war halt irgendwie scheiße.“
ОглавлениеChristal stand am Fenster und schaute hinaus ins Sonnenlicht. Es war ein schöner Tag. Der Wäschekorb stand vor ihr. Sie weinte – unfähig, die Tränen aufzufangen. Ihr Mann fragte sie, was los sei. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Ich will die Wäsche zusammenlegen – aber ich kann nicht. Es ist zu schwierig.“ Christal war auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Hatte am Tag zuvor ein Vorstellungsgespräch für eine neue Managementaufgabe geführt und wollte diese Stelle in Kürze antreten. Und jetzt das! Diagnose: Erschöpfungsdepression – genannt „Burnout“. Sie brauchte zwölf Monate, bis sie wieder das Büro betreten konnte. Dazwischen lagen viele Momente von Zweifeln, Mutschöpfen, Lachen, Weinen, Reden, Schweigen. Heute steht Christal wieder voll im Berufsleben, hat keine Rückfälle. Ich frage: „Christal, wenn du an diese Zeit zurückdenkst, was war das Schwierigste, was hast du daraus gelernt, und wofür bist du dankbar?“ Christal: „Dieser Zusammenbruch war kein schönes Erlebnis, aber er war wichtig. Er hat mir gezeigt dass der Wille Grenzen hat. Ich hatte nur meine Karriere im Blick, ignorierte die Zeichen, die mir mein Körper gab, wie Schlafstörungen, Magenprobleme, Kopfschmerzen. Ich versuchte mich damit zu beruhigen, dass ich mir zusätzlich zu meinem überbordenden Terminkalender auch noch fast tägliche Sportstunden – als ‚Ausgleich‘ – verordnete. Die Idee war gut, aber es zwar Zwang. Und das hat letztendlich die Situation noch verschlimmert. Als ich vor dem Wäschekorb stand, hat mein Körper die Regie übernommen, mein bewusster Wille hatte keinen Einfluss mehr. Mein Körper zitterte, weinte, schwieg – und ich wusste nicht, warum. Dieses Gefühl ‚Ich habe keine Kontrolle mehr, mein Wille ist machtlos‘ war schlimm. Erst in der Klinik konnte ich etwas entspannen. Es fühlte sich an wie ein geschützter Raum, ohne Verpflichtungen. Und ich konnte dort akzeptieren, was ich lange verleugnet hatte: Ich war tatsächlich krank. Und ich brauchte Hilfe. Ich bin dankbar für die Menschen, die mir geholfen haben – ohne meine Ärztin und Psychotherapeutin, meine Familie und Freunde hätte ich das nicht geschafft. Vor allem die professionelle Hilfe war nötig. Der Kampf zurück ins ‚normale‘ Leben war trotzdem hart. Herausfinden, was geht und was nicht. Immer wiederkehrende Tiefschläge von Erschöpfungszuständen, Selbstzweifeln, Trauer und Wut. Ich musste lernen, weniger verbissen und dafür nachsichtiger mit mir zu sein. Und dass man Ziele, die man sich einmal gesetzt hat, durchaus ändern darf. Ich erinnere mich auch heute noch oft an einen Satz, den meine Therapeutin mir mitgab: ‚Sie haben verdient, sich wohlzufühlen.‘
Ich hatte bis dato genaue Pläne ob meiner Zukunft und Karriere und musste mir eingestehen, dass die meisten davon nicht zu mir passten.
Ich habe aus dieser Zeit gelernt, dass ich nicht nur auf die Zukunft, sondern auch auf die Gegenwart schauen muss.
‚Ich muss dafür sorgen, dass es mir heute gut geht, um mich auf morgen freuen zu können. Und nur weil es ein nebliger Tag ist, heißt es nicht, dass die Sonne nicht scheint.‘“