Читать книгу Der kleine Coach für den Nachttisch - Kerstin Stolpe - Страница 9

„Das Leben ist wie Fahrradfahren. Um die Balance zu halten, musst du dich vorwärtsbewegen.“

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Ich dachte, mein Leben ist zu Ende. Ich saß auf der Krankenliege im Krankenhausflur der Notaufnahme. Der Arzt stand vor mir und teilte mir mit, dass ich einen epileptischen Schock gehabt hätte und ab jetzt kein Auto mehr fahren dürfe. Erst mal für 1,5 Jahre, dann sehe man weiter. Ich brauchte mein Auto! Ich war mit dem Auto in die Stadt gekommen! Wie sollte ich morgen früh zur Arbeit fahren? Ich hielt es für einen schlechten Scherz. Aber der Arzt lachte nicht. Er reichte mir einen Umschlag: „Geben Sie den Ihrem Neurologen! Er wird mit Ihnen die weiteren Maßnahmen besprechen“, sagte er und war verschwunden.

Ich konnte mir ein Leben ohne Auto nicht vorstellen – unmöglich! Aber es war bestimmt nur vorübergehend. Ich ließ die Diagnose abklären und erhielt knapp eine Woche nach der Hiobsbotschaft in der Klinik leider die Bestätigung: 1,5 Jahre Fahrverbot. Meine Welt brach zusammen! Ich musste mein ganzes Leben neu überdenken. Nicht nur beruflich. Auch privat. Ich war der Fahrer unserer Clique!

Der Weg aus der Autoabhängigkeit war kein leichter. Erschwert wurde er durch meinen schlechten gesundheitlichen Zustand durch die Tablettentherapie, die ich über mich ergehen lassen musste. Ich kämpfte mit Trauer, Wut, Hoffnungslosigkeit, Trotz, Verzweiflung. Da war das Gefühl des Ausgeliefertseins gegenüber den öffentlichen Verkehrsmitteln. Nicht mehr einfach so ins Auto zu steigen und loszufahren, sondern Fahrpläne zu konsultieren, Anschlussverbindungen rauszusuchen und so weiter. Nach meinem ersten Arbeitstag ohne Auto war ich ziemlich verzweifelt. Dreimal umsteigen, immer wieder warten, die Anschlussverbindung finden, den restlichen Weg zu Fuß zurücklegen und bereits nassgeschwitzt morgens im Büro ankommen. Schrecklich! Ich hatte meine Unabhängigkeit verloren. Und so wie jetzt konnte es nicht bleiben. Die Wege waren einfach zu weit. Also musste ich mir eine Bleibe in der Nähe meines Arbeitsorts mit entsprechender Anbindung suchen. Der Kontakt zu meinen Freunden litt: Ich war nur noch am Wochenende zu Hause, und am Wochenende mussten wir jedes Mal eine andere Fahrgelegenheit organisieren – was spontane Aktionen erheblich erschwerte. Meine Gefühlswelt war immer noch dominiert von negativen Gefühlen. Ich konnte meine Situation nicht akzeptieren. Ich fühlte mich wie ein Versager. Ich fühlte mich abhängig, und es fiel mir schwer, um Mitfahrgelegenheiten zu bitten oder sogar sagen zu müssen, dass ich nicht kommen kann. Die Freiheit meines Autos fehlte mir!

Das Leben ging weiter. Es gab immer mal wieder Situationen, in denen ich mein Auto vermisste. Aber nie eine, in der ich keine Lösung gefunden habe.

Ich stehe an der Ampel und blicke mitleidig auf die Automassen, die im Schneckentempo die Straße entlangschleichen. Ich war zu Fuß einkaufen und freue mich, gleich den Rucksack zu Hause abzustellen. Es liegen nur noch zwei Kreuzungen und drei Minuten Fußweg vor mir. In dieser Zeit folgt mein Blick einigen Autos – auf der Suche nach passenden Parkplätzen. Ich steige die Stufen zur Haustür hinauf und werfe einen Blick auf mein wichtigstes und liebstes Verkehrsmittel: mein Fahrrad!

Alle dachten, ich kann nicht ohne Auto.

Heute genieße ich die Freiheit ohne Auto.

Der kleine Coach für den Nachttisch

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