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Kapitel 16

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Aus der Luft betrachtet war Rom ein wahres Labyrinth. Alte Straßen, die sich wie ein Dickicht um Gebäude, Brunnen und einstürzende Ruinen wanden. Monique sah auf den hektischen Straßenverkehr unter ihr hinab. Schließlich erblickte sie auch die Ruinen des Kolosseums. Ein Denkmal, ursprünglich dazu errichtet das römische Volk mit barbarischen Kämpfen zwischen Sklaven und Tieren zu erheitern, oder um Seeschlachten nachzustellen. Als es schließlich weiter nach Norden ging erkannte sie die Ruinen des Forum Romanum, das Herz des vorchristlichen Roms. Umgestürzte und verwitterte Säulen waren zu sehen. Weiter im Vordergrund wand sich der Tiber durch die Metropole. Sie überflogen den Petersdom und setzten schließlich zur Landung an. In der westlichsten Ecke der Vatikanstadt ging der Helikopter langsam runter und setzte sanft auf dem Boden auf.

Monique sprang aus dem Helikopter, der gerade erst gelandet war. Die Rotorblätter waren noch nicht zum Stehen gekommen. Kurz zuvor hatten sie den Petersplatz überflogen, mit seinen zwei großen Halbkreisförmigen Säulengängen. Schon oft hatte Monique Rom besucht und war auch schon viele Male auf dem Petersplatz gewesen. Mark Ryson blieb immer in ihrer Nähe. Monique fühlte sich etwas unwohl. Zwar hatte sie schon bei mehreren Gelegenheiten auf Bodyguards zurückgegriffen, doch sie fühlte sich nicht wohl dabei, ihr Leben fremden Leuten anzuvertrauen. Zudem bezweifelte sie, ob diese Vorsicht nicht zu übertrieben war. Was sollte ihr hier geschehen? Immer wieder hatte sie sich gefragt, warum der Brief des Vatikans sie gerade jetzt erreicht hatte. Warum nicht schon früher? Oder vielleicht erst in einigen Jahren. Bald würde sie die Antwort erfahren, aber sie hatte bereits ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Fast so, als würde sie die Antwort auf ihre Frage bereits kennen. Schon als sie sich nur wenige Meter vom Hubschrauber entfernt hatte, kamen ihr zwei bunt Uniformierte Personen entgegen. Sie trugen weite Umhänge mit senkrechten blauen und goldenen Streifen. Dazu trugen sie passende Pantalons und Gamaschen. Schwarze Halbschuhe, die aussahen wie Slipper und ein schwarzes Filzbarett gehörten ebenfalls dazu. Alles in allem sahen sie aus, als würden sie eher für eine Shakespeareaufführung proben. Es waren Schweizer Gardisten. „Sind sie Miss van Helsing?“, tönte es schwach an ihr Ohr. Monique versuchte das laute Geräusch der Rotoren zu übertönen. „Ja. Ich bin Monique van Helsing. Ich habe eine schriftliche Einladung von Papst Marco Valentia erhalten.“ Sie hob dem Gardisten ihren Brief entgegen. Rasch überprüften derjenige, dem sie den Brief gegeben hatte, ob alles seine Richtigkeit hatte. Schließlich tasteten beide Monique und ihren Begleiter nach Waffen ab. Als sie davon überzeugt waren, dass der Brief echt war und von den Besuchern keine Gefahr drohte, gewannen ihre Gesichtszüge plötzlich etwas Weiches. Der ältere Mann lächelte Monique an und deutete ihr ihm zu folgen. „Sie werden bereits erwartet. Folgen sie mir. Ihr Freund kann sie bis zu den Gemächern des Papstes begleiten. Er muss allerdings davor warten.“ Damit folgten sie dem Gardisten zu einem sich in der Nähe befindenden Golfkart. Sie folgten der gepflegten Straße bis sie schließlich die Vatikanischen Gärten erreichten, das Herzstück des Vatikans. Vor ihr erhob sich die Rückseite des Petersdoms. Diesen Anblick bekamen die meisten Menschen niemals zu Gesicht. Auf der rechten Seite ragte der Palast des Tribunals in die Höhe. Dies war auch die Residenz des Papstes. Doch Monique genoss noch den Anblick der Gärten, bevor sie ihren Blick wieder dem Palast zuwandte. Noch nie hatte sie bei ihren unzähligen Besuchen in Rom die Gärten betreten, geschweige denn, ein Wort mit dem Papst gewechselt. Doch nun traf alles zusammen.

Der Schweizer Gardist führte Monique und Mark durch einen langen Korridor, bis sie schließlich vor einer großen Tür standen. Monique klopfte gegen die Tür, während der Gardist vor der Tür Stellung bezog. Eine gedämpfte Stimme drang aus dem Raum heraus. „Avanti!“ Mark machte es sich derweil auf einem der Stühle, die vor dem Zimmer standen bequem und zwinkerte Monique zu. „Ich schätze da drin wäre ich ohnehin überflüssig.“ Monique nahm diese Bemerkung mit einem Lächeln zu Kenntnis. Monique öffnete die Tür und betrat das Büro des Papstes. Es war viel größer, als sie es sich vorgestellt hatte. An einem alten und reich verzierten Holzschreibtisch saß ein Mann etwa mittleren Alters, etwa fünfundvierzig, höchstens fünfundfünfzig. Zu Moniques Überraschung trug dieser Mann jedoch nicht die Tracht, die man bei einem Papst gewohnt war. Ganz im Gegenteil. Er wirkte eher Sportlich mit seiner weiten verwaschenen Jeans und seinem Khakihemd. Monique hatte von Papst Marco Valentia de Ruos, so sein ganzer Name, schon viel gehört. Er war als einer der jüngsten Päpste beim letzten Konklave vor vier Jahren gewählt worden. Er hatte einen guten Ruf und ließ den christlichen Glauben auf der ganzen Welt aufs Neue aufblühen. Doch seine Miene zeigte deutlich, dass er sich im Moment große Sorgen machte. Sein kurzgeschnittenes dunkelblondes Haar war zerzaust und die Tränensäcke unter seinen braunen Augen verrieten ihr, dass er seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen haben musste. „Setzen sie sich doch bitte, Miss van Helsing. Verzeihen sie mein unordentliches Auftreten, aber in den letzten Tagen hatte ich sehr viel um die Ohren.“ Monique setzte sich auf den mit weichem Stoff überzogenen Holzstuhl gegenüber dem Papst. „Worum geht es denn? Warum haben sie mich herbestellt und warum diese Eile?“ Monique konnte ihre Neugier kaum zurückhalten. Doch irgendwie schaffte sie es Ruhe zu bewahren und den Anschein zu erwecken, als wäre dies ein gewöhnlicher Tagesablauf in ihrem Leben gewesen. „Ich weiß, dass dieses Treffen sehr knapp einberaumt wurde, doch ich versichere ihnen, dass diese Sache von größter Bedeutung ist.“ Monique wartete darauf, dass Papst de Ruos fortfuhr. „Ich weiß, dass der Vatikan und die van Helsings schon lange keine gute Beziehung zueinander haben. Doch ich kann ihnen versichern, dass dies nicht immer so war.“ Nun fühlte Monique sich dazu veranlasst selbst etwas zu der Sache zu sagen. „Ich weiß, dass mein Ururgroßvater am Bau ihres Geheimarchivs beteiligt war, und dass er aus dem Projekt ausgeschlossen wurde, falls sie das meinen.“ Der Papst hob beschwichtigend seine Hände. „Ich möchte nicht, dass sie mich falsch verstehen. Ihr Ururgroßvater war noch an weitaus mehr beteiligt, als nur am Bau des Archivs. Das Archiv war nur ein Täuschungsmanöver. Der damalige Papst hat Abraham van Helsing zu einem weitaus wichtigeren Projekt herangezogen.“ „Wie meinen sie das?“ Monique war verwirrt. Warum sprach Papst de Ruos in Rätseln? „Ich werde es ihnen am besten zeigen, dann kann ich es ihnen viel besser erklären.“ Monique zögerte doch schließlich hatte sie nichts zu verlieren. Also willigte sie ein. Die Miene des Papstes erhellte sich ein wenig und ein Teil der Besorgnis schien von ihm gewichen zu sein. „Folgen sie mir. Ich bringe sie zu einem Ort, den noch niemand außer dem Papst selbst und eine Hand voll auserwählten betreten haben.“ Zusammen verließen sie das Büro. Mark Ryson und der Gardist standen beide plötzlich ganz steif und wagten nicht den Papst direkt anzusehen. „Stehen sie bequem. Es ist alles in Ordnung Oberst, sie können gehen.“ Der Gardist nickte und verschwand durch den Gang, durch den Monique vorhin gekommen war.

Marco Valentia de Ruos führte Monique und Mark durch einen weiten, dennoch stickig wirkenden Gang. Alte Kerzenleuchter hingen an der Wand und tauchten den Gang in nur spärliches Licht. Die Wände waren mit biblischen Szenen reich verziert. Hier und dort schimmerte sogar Blattgold matt im Schein der Kerzen. Monique erkannte sofort, dass dieser Gang nur selten benutzt wurde. Bald erreichten sie ein Stück des Ganges, in dem Wandmalereien und Pure Holzvertäfelung sich ständig Abwechselten. Völlig unerwartet lieb Papst de Ruos stehen. Monique hätte ihn fast angerempelt. Nur Mark Ryson stieß mit Monique zusammen und entschuldigte sich kleinlaut. Marco Valentia de Ruos hob seine Hand zu einem der Kerzenhalter an der Wand und zog kräftig daran. Ein kurzes Stück schien dieser Nachzugeben und ein mechanisches Knacken war zu hören. Die Holzvertäfelung, vor der sie standen schwang einen kleinen Spalt weit auf. Es war eine verborgene Tür. Mark Ryson stieß einen erstaunten Pfiff aus. Papst de Ruos betrat als erstes den Raum. Monique und Mark folgten.

Monique konnte nichts erkennen. Es war Stockfinster und sie hätte wohl nicht einmal die Hand vor Augen gesehen, wenn nicht ein schwacher Lichtschimmer durch den Spalt in der Holzvertäfelung gefallen wäre. Plötzlich erstrahlte ein gleißendes Licht. Monique hob ihren Arm schützend vor ihre Augen. „Verzeihen sie. Ich hätte sie vorwarnen sollen.“, hörte sie De Ruos Stimme. Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, erkannte sie, dass sie sich in einer Art Studierzimmer befand. Hunderte von Büchern standen in alten Holzregalen an den Wänden. In der Mitte des Raumes befand sich ein Holzschreibtisch. Monique überflog die Titel der Bücher. Es waren fast ausschließlich lyrische Meisterwerke. Nur ein paar Bücher wichen davon ab. Ein kleines Regal an der hinteren Wand enthielt ausschließlich Romane der letzten vier oder fünf Jahre. „Das ist meine kleine Privatsammlung.“ Monique sah ihn erstaunt an. Der Papst lächelte. „Jeder hat so seinen eigenen Geschmack.“ Monique erwiderte das Lächeln. Plötzlich viel ein Gemälde links von ihr auf. Sie hob den Kopf und betrachtete es aufmerksam. Es waren zwei Personen auf dem Bild zu sehen. Es war ein Portrait mit Ölfarben gemalt und wohl schon über hundert Jahre alt. Die eine Person war ein ehemaliger Papst. Monique erkannte das an der traditionellen Tracht. Auch die andere Person kam ihr vage vertraut vor, doch sie konnte das Gesicht niemandem zuordnen. Schließlich viel ihr Blick auf eine kleine goldene Tafel, die unter dem Bild angebracht war. Die Buchstaben waren schon etwas verblasst doch sie konnte ihn noch deutlich lesen.

Abraham van Helsing 1825

Moniques Kinnlade klappte nach unten. „Ihr Ururgroßvater war einer seiner besten Freunde.“ Monique konnte es kaum fassen. „Aber warum hat man ihn dann abgewiesen?“ „Man hat ihn nicht abgewiesen. Der Vatikan steht tief in Abraham van Helsings Schuld. Er hat seinen Auftrag erfolgreich beendet und ist schließlich nach Hause zurückgekehrt.“ Monique verstand nun überhaupt nichts mehr. Doch schließlich fluteten erneut Bilder in Moniques Verstand. Sie sah Bilder aus längst vergangenen Zeiten. Sie sah ihren Ururgroßvater, wie der dem damaligen Papst die Hand reichte, beide lächelten. Schließlich wurde ihr so einiges klar. „Ich verstehe. Mein Ururgroßvater hat einen Auftrag unter strikter Geheimhaltung erhalten. Es ging um die Bedrohung, die von den damaligen Vampiren ausging, die sich immer weiter auszubreiten schienen. Man hat schließlich meinen Ururgroßvater darum gebeten, sich um die Sache zu kümmern. Er nahm den Auftrag an und erledigte einen Vampir nach dem anderen. Schließlich besiegte er einen der gefährlichsten Vampire. Den ehemaligen Graf Vladimir Dracul. Auch als Graf Dracula bekannt. Er hatte den Auftrag des Vatikans erledigt, doch ein Teil seiner Aufzeichnungen, der Teil über Dracula, wurde gestohlen. Der Kontakt zwischen Abraham und dem Papst brach ab. Schließlich gelangten die Aufzeichnungen in die Hände von Bram Stoker, der diese Aufzeichnungen für die Rohfassung seines Romans verwendete und unter seinem Namen, nach wenigen Veränderungen, veröffentlichte.“ Papst de Ruos schwieg betroffen. „Habe ich den geschichtlichen Hergang in etwa getroffen?“ „Selbst unsere Aufzeichnungen über diese Jahre sind bei weitem nicht so vollständig, wie ihre Ausführungen Miss van Helsing. Ich bin beeindruckt. Sie scheinen außerordentliche mentale Fähigkeiten zu besitzen. Ihr Ururgroßvater übrigens auch. Aus diesem Grund hatte der Vatikan ihn für diese Aufgabe ausgewählt. Die katholische Kirche streitet seit Jahrhunderten die Existenz solcher Kreaturen ab und bis zum heutigen Tag ist es uns gelungen Vampire als bloße Phantasien abzutun. Doch die Kirche weiß von der Existenz der Vampire. Durch ihren Vorfahren hatten wir gedacht, dass die Plage endlich vorüber wäre. Es schien, als wäre die Brut des Bösen vernichtet worden. Doch in den letzten Wochen häuften sich die Aktivitäten wieder. Verhaltensmuster, die wir nur von echten Vampiren kennen, wurden beobachtet. Der Vatikan steht unter Druck. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, können wir die Existenz der Vampire nicht mehr verheimlichen. Aus diesem Grund habe ich sie hier her gebeten. Sie müssen uns helfen. Nur in ihrer Familie liegt die Kraft das Böse aufzuhalten. Verstehen sie mich?“

Plötzlich fiel es Monique wie Schuppen von den Augen. Immer wieder hatte sie im Fernsehen Berichte von jugendlichen Gruppen gehört, die anscheinend okkulte Zeremonien gefeiert hatten. In den Boulevardblättern wurden sie als Vampire bezeichnet, da sie bei ihren Zeremonien angeblich das Blut von lebenden Menschen tranken. Doch man hatte nie einen eindeutigen Beweis dafür gefunden. Immer wieder wurden sie als bloße Spinner abgetan, die fremden Leuten einfach Angst einjagen wollten. Das Blut war einfach Ketchup oder gefärbter Wein gewesen. Auch der Vatikan hatte dazu Stellung genommen. Allerdings hatte Monique nie Zweifel daran gehabt, dass einige dieser Gruppierungen echte Vampire gewesen sein könnten. Und nun erhielt sie die Bestätigung. Und zwar von dem Mann, von dem sie es als letztes erwartet hätte.

„Sie wollen mir also sagen, dass die Kirche von der Existenz dieser Wesen schon lange Bescheid weiß?“ Papst de Ruos nickte. „Wir mussten die Existenz geheim halten. Die Kirche befürchtete, dass sonst viele ihren Glauben verlieren würden. Ihr Ururgroßvater teilte diese Besorgnis. Daher willigte er ein, die Vampire ohne großes Aufsehen zu vernichten. Nur Mitglieder ihrer Familie hatten die Kraft und die nötigen mentalen Fähigkeiten um dieser Bedrohung Einhalt zu gebieten.“ Monique musterte den Papst aufmerksam. Doch er schien seine Worte ernst zu meinen. „Ich gewähre ihnen Zutritt zu unserem Geheimarchiv. Dort werden sie alle Aufzeichnungen finden, die sie benötigen werden. Ich selbst werde sie dorthin begleiten.“

Herrin der Finsternis

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