Читать книгу Trotz Corona - Klaus F. Geiger - Страница 11
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ОглавлениеIch erinnere mich: Zu Beginn der Krise, damals, als noch darum gestritten wurde, ob dieses neue Virus regional begrenzt bleiben oder eine weltweite Epidemie, eben eine Pandemie auslösen würde, da verlautbarten all die Gesundheitsexperten und Politiker Beruhigendes. Sie beschwichtigten, bei dem neuen Virus handele es sich um einen Erreger, der harmloser sei als die Grippe, die wie jedes Jahr zu Erkrankungen und Todesfällen führe. Ja, noch zwei Wochen, nachdem auch in Deutschland die Zahl der Infizierten stieg, verkündete ein Vertreter eines virologischen Instituts, es gebe Anzeichen, dass sich die Kurve der Neuinfektionen abflache, das ließe sich aber erst zwei Tage später interpretieren. Doch zwei Tage später und bis heute war keine Rede mehr davon.
Heute gibt es eine erhitzte Debatte: Hätten die Erklärungen zu Beginn ernsthafter, die Warnungen deutlicher sein, die staatlichen Maßnahmen und die Vorbereitungen im Gesundheitssystem frühzeitiger stattfinden sollen? Hätten Politiker und Gesundheitsexperten früher wissen müssen – und entgegen jedem Wunsch, nur ja keine Panik auszulösen auch früher sagen müssen -, was seitdem wie eine Welle auf uns zurollt?
Ich weiß es nicht, und um diese Fragen geht es mir auch nicht primär. Was ich mir wünsche, ist etwas, was offensichtlich nur wenige Politiker und Wissenschaftler fertig bringen: zu sagen, dass sie sich geirrt haben, vielleicht sogar sich zu entschuldigen dafür, dass sie falsche Erwartungen geweckt haben.
In kritischen Medien finde ich den Vorwurf, die staatlich verordneten und von Bürgerinnen und Bürgern mehrheitlich akzeptierten Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte schadeten langfristig der Demokratie. Allerdings werden die Kritiker in der Frage, wie Staat und Institutionen hätten anders agieren sollen, auffallend unkonkret. Mir scheint, wenn häufiger ein Experte oder ein Politiker öffentlich eingestehen würde, sich in dem und dem Punkt geirrt zu haben, wäre die befürchtete Gefahr einer demokratisch nicht legitimierten Politiker- oder Expertenherrschaft zumindest ein wenig geringer.
Am Abend des Tages, als er dies geschrieben hatte, sendete das Fernsehen – wie jeden Tag – eine Sondersendung zur Coronavirus-Krise. Und wie jeden Tag schaltete er nicht um oder ganz ab, obwohl er wusste, dass ein Großteil der Sendung weder sein Verständnis der Pandemie, ihrer Folgen, der politischen Entscheidungen usw. erweitern, noch einen Einfluss auf sein persönliches Verhalten haben würde. In dieser Sendung trat der Leiter eines führenden Immunologie-Instituts auf – und antwortete auf die Frage, wie er den Verlauf der Epidemie voraussehe und ob man seiner Meinung nach in zwei Wochen die Kontakteinschränkungen in der Bevölkerung lockern könne, damit, dass er das nicht wisse, dass kein Experte momentan in der Lage sei, hierauf eine seriöse Antwort zu geben: „Es gibt zu viel, was wir über dieses Virus noch nicht wissen.“
Bravo, dachte er. Endlich einmal ein Experte, der Unwissen zugibt und uns Laien zutraut, mit Unwissen „auch an höchster Stelle“ umgehen zu können. Dabei wusste er wohl, dass es in ihm – neben dem „Bravo“ – auch die leise Stimme gab, die ihm sagte: Eigentlich wäre mir eine klare Aussage, das und das ist so, das und das wird kommen, so und so werden wir entscheiden, lieber gewesen.