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Оглавление6. Der Freund
Mit Rechtsanwalt Stefan Klein ist Peter seit der Studentenzeit befreundet. Sie treffen sich regelmäßig in dessen Wohnung zum Schachspielen.
Cornelia ist anfangs regelmäßig mitgekommen oder sie haben Stefan und seine Frau Bärbel zu sich eingeladen. Cornelia hat dann, für Peter unerklärlich, diese Treffen torpediert. Sie mag Stefan und Bärbel aus irgendeinem Grund nicht.
Peter versteht das nicht, zumal Stefan und Bärbel gegenwärtig seine einzigen, wahren Freunde sind. Der restliche Freundeskreis besteht aus Cornelias Bekannten, die Peter aus Rücksicht auf sie geduldig erträgt, auch wenn sie ihn langweilen.
Als Peter die Wohnung seines Freundes betritt, begrüßen sie sich herzlich. Stefan geht mit Peter in sein Arbeitszimmer, wo der antike Schachtisch mit den geschnitzten Figuren steht, ein Geschenk Bärbels zu Peters vierzigsten Geburtstag. Stefan kennt seine Frau seit der Schulzeit, gegenwärtig erholt sie sich in einer Kurklinik.
Nachdem beide ihre Plätze eingenommen haben, stellen sie die Figuren auf, dabei nimmt Peter eine stilvoll geschnitzte Königsfigur in die Hand, betrachtet sie konzentriert und sagt wehmütig: „Du bist ein Glückspilz. Deine Frau liebt dich.“
Stefan schaut auf. „Gibt es Probleme mit Conny?“ Peter stöhnt kurz auf. „Sie hat mir gestern gesagt, dass sie sich von mir trennen will.“
Stefan zuckt zusammen und blickt Peter erschrocken an. „Ach Peter, dass tut mir leid. Gibt es denn einen Grund? Hat sie einen anderen?“
Peter antwortet zerknirscht: „Ich weiß nicht, was für ein Problem sie hat. Du kennst sie ja. Sie ist nicht gerade der Mensch, der das Herz auf der Zunge trägt.“
Stefan nickt. „Mir ist es auch immer schwergefallen, sie zu verstehen, aber ich bin davon ausgegangen, dass ihr euch liebt.“
Peter schnaubt enttäuscht. „Davon bin ich bis gestern auch überzeugt gewesen, aber als ich ihr sagte, dass wir uns finanziell einschränken müssen, hat sie plötzlich damit angefangen, dass sie es mit mir nicht mehr aushält.“ Peter hält kurz inne. „Ach das weißt du ja noch nicht. Das Finanzamt wirft mir ein Steuervergehen vor und fordert circa hunderttausend Euro von mir.“
Stefan schaut ungläubig. „Du, ein Steuersünder? Das kann ja nur ein Witz sein. Du bist ja so ehrlich, dass es manchmal schon an Dummheit grenzt.“ Stefan lacht Peter ermutigend zu. „Lass dich nicht verrückt machen. Diese Steuerverfahren enden meist zu Gunsten des Beschuldigten.“
Peter antwortet unsicher: „Dein Wort in Gottes Gehörgang.“
Darauf fasst Stefan ihn freundschaftlich an die Schulter. „Na, und zur Not hast du ja mich. Es ist mir immer ein Vergnügen, mich mit dem Finanzamt zu streiten.“ Er kichert dabei. „Mein Kollege, der diese Behörde in der Regel vertritt, ist nicht gerade eine Leuchte der Zunft.“
Danach schweigen sie beide einige Sekunden, bis Stefan die beklemmende Ruhe beendet. „Dass Conny sich von dir trennen will, ist wirklich ein Schlag. Was willst du machen?“
Peter presst seine Hände zusammen. „Ich habe gerade eine kleine Wohnung gemietet. Eine räumliche Trennung ist wohl im Moment die beste Lösung.“ Er stockt kurz. „Dann habe ich Conny geraten, eine Psychotherapie zu machen, da sie Suizidgedanken hat.“
Stefans Augen weiten sich. „Warum hat sie Suizidgedanken? Hat sie ein Problem?“
Peter schüttelt heftig den Kopf. „Aus meiner Sicht nicht, aber ihr fehlt offensichtlich etwas zu ihrem Glück. Sie fühlt sich von mir vernachlässigt, nicht geliebt, wie sie sagt.“
Stefan entgegnet ärgerlich: „Ich glaube eher, dass du sie zu viel liebst.“ Er hebt seine Hand und macht eine wegwerfende Bewegung. „Du gibst ihr viel zu oft nach und sorgst zu wenig für dich.“
Peter redet verlegen weiter: “Nach ihrer Ansicht dreht sich alles nur um meine Arbeit, und ich habe kein wirkliches Interesse an ihr, den Kindern und schon gar nicht an unseren Freunden.“
Stefan lacht ironisch. „Was will deine Frau? Vielleicht sollte sie wieder arbeiten gehen und sich nicht nur mit den Kindern und ihren anspruchslosen Freunden beschäftigen.“ Stefan lässt jetzt seinen Ärger freien Lauf. „Weißt du Peter, was Bärbel und ich uns schon oft gefragt haben?“
Peter schaut ihn fragend an, während Stefan sich wieder zu beruhigen scheint. „Sei mir bitte nicht böse, aber manchmal muss man seinem Freund auch unangenehme Wahrheiten sagen dürfen.“
Peter schaut Stefan erstaunt an. „Tue dir keinen Zwang an, was soll mich jetzt noch umwerfen?“
Stefan holt tief Luft und schaut Peter in die Augen. “Ich habe nie verstanden, warum du damals mit Claudia Schluss gemacht hast. Ihr habt doch ideal zueinander gepasst.“
Peter guckt Stefan verwundert an. „Was hat das mit Conny zu tun? Claudia wollte im Ausland studieren und Karriere machen. An einer echten Beziehung zu mir mit Familie und Kindern dachte sie nicht.“
Stefan schaut Peter ernst an. „Du hast Claudia nicht wirklich geliebt, oder?“
Peter antwortet erregt: „Doch ich habe sie sehr geliebt. Eigentlich war sie meine große Liebe.“
Stefan rückt näher. „Warum hast du dann mit ihr Schlussgemacht? Ich weiß von Claudia, dass sie sehr darunter gelitten hat.“
Peter antwortet ärgerlich: “Sie hat doch nur an sich gedacht. Sie hätte auch in Deutschland studieren können.“
Stefan lacht sarkastisch. „Ich glaube, du hast auch nur an dich gedacht.“
Peters Stimme klingt verärgert. „Stefan, du kennst meine Vergangenheit. Ich wollte endlich eine richtige Familie. Ihr hattet alle eine normale Kindheit, ich nicht“
Betretenes Schweigen breitet sich aus. Beide blicken auf den Boden. Plötzlich sagt Stefan: „Ach Peter, ich wollte dir nicht weh tun, aber lass dir einen Rat geben. Wenn die Beziehung mit Conny wirklich in die Brüche geht, dann sehe später genau hin, wen du heiratest.“
Peter schaut in ängstlich an und fragt kleinlaut: „Glaubst du denn nicht daran, dass wir unsere Ehe retten können?“
Stefan lächelt gekünstelt. „Ich wünsche es euch von Herzen. Aber du weißt ja, die Hoffnung stirbt zum Schluss.“ Sie schauen sich beide betreten an, bis Stefan fragt, ob sie noch Schach spielen wollen.
Peter nickt sofort, versteckt je eine schwarze und weiße Bauernfigur in seinen Händen und hält sie Stefan zur Wahl entgegen. „Ja, da komme ich wenigstens auf andere Gedanken.“
Stefan tippt kurzentschlossen auf Peters rechte Hand, hat den weißen Bauern gewählt und beginnt die Schachpartie mit Bauer auf e4. Sie spielen beide konzentriert und schweigend, Peter risikobereit angreifend und Stefan wie üblich defensiv, auf Peters Fehler wartend.
Plötzlich hebt Stefan den Kopf. „Peter, was mir gerade einfällt. Du solltest dir möglichst jetzt schon einen Anwalt nehmen.
„Ist das denn gegenwärtig schon notwendig?“
Stefan nickt bejahend. „Ich empfehle dir Frau Christiane Kluge. Sie ist Fachanwältin für Familien- und Erbrecht, sehr professionell und erfolgreich.“ Er steht auf, geht zu seinem Schreibtisch, wo er auf einem Zettel etwas notiert. „Ich rufe sie morgen an und bitte sie, dir schnell einen Termin zu geben.“