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7. Die Rechtsanwältin

Der Termin bei Frau Kluge findet eine Woche später statt. Peter hat zwischenzeitlich sein kleines Appartement mit Marens Hilfe wohnlich eingerichtet. Jetzt ist er auf dem Weg zu Frau Kluge, deren Kanzlei sich in einem restaurierten Fachwerkhaus am Markt unweit seiner Praxis befindet.

Im Eingangsbereich des Anwaltsbüros wird er von einer gepflegten Dame mittleren Alters begrüßt, die ihm sagt, dass Frau Kluge ihn schon erwartet und er sich noch kurz setzen soll.

Das kleine Wartezimmer ist geschmackvoll eingerichtet, kleine Ölgemälde zieren die Wände und eine üppige Zimmerpflanze lockert die Atmosphäre auf.

Peter setzt sich und hat gerade eine GEO-Zeitschrift aufgeblättert, als sich die gegenüberliegende Tür öffnet und eine attraktive, etwas vierzigjährige, modisch gekleidete Frau auf Peter zukommt und ihm die Hand entgegenstreckt.

„Guten Tag Herr Doktor Hartmann, ich bin Rechtsanwältin Kluge.“

Peter blickt fasziniert in zwei große braune Augen, die ihn, während er den Händedruck erwidert, charmant anlächeln. Er hat ein reizloses Mauerblümchen erwartet und ist beeindruckt von ihrer lebendigen Fraulichkeit.

„Stefan Klein hat mich gebeten, sie in einer privaten Angelegenheit zu vertreten. Kommen sie bitte mit!“

Während sie temperamentvoll vorangeht, legt Peter schnell noch die Zeitschrift auf den kleinen Tisch und folgt ihr ins Büro, wo sie Platz nehmen.

Sie sitzt mit auffallend geraden Rücken in ihrem Ledersessel, schaut Peter einige Sekunden an und beginnt dann das Gespräch. „Herr Doktor Hartmann, Stefan hat mir nichts Konkretes erzählt. Was für ein Problem führt sie zu mir?“

Peter ist immer noch bezaubert von ihrer Ausstrahlung, doch ihre Sachlichkeit reißt ihn aus der Bewunderung und er antwortet mit leichter Verzögerung. „Meine Frau hat mir vor einer Woche aus heiterem Himmel mitgeteilt, dass sie sich von mir trennen will. Wir haben daraufhin vereinbart, dass ich vorübergehend in eine eigene Wohnung ziehe.“

Frau Kluge nickt ihm aufmunternd zu, doch Peter weiß nicht, wie er fortfahren soll. Als sie es merkt, greift sie sich einen bereitliegenden Notizblock und Stift und befragt Peter routiniert nach seinen Lebensverhältnissen, Beruf, Kinder, Wohnverhältnissen, Einkünften etc.

Während Peter ihre Fragen ausführlich beantwortet, macht sie sich ständig Notizen. Zum Schluss räuspert sie sich kräftig und schaut Peter einige Sekunden prüfend an. Er ist sofort wieder von ihren Augen beeindruckt und vergisst fast, weshalb er hier ist. Ihr beherrschtes, kühles Auftreten reißt ihn aber sofort zurück in die Realität.

„Herr Doktor Hartmann, so wie ich die Sache einschätze, werden sie damit rechnen müssen, dass ihre Frau die Scheidung plant.“ Sie hält kurz inne, blickt Peter ernst an und fährt dann fort: „Sie sollten ganz ungeachtet der Bemühungen um Rettung ihrer Ehe entsprechende Vorbereitungen treffen.“

Peter schweigt betroffen und senkt den Blick. Sie wartet kurz, dann guckt sie in ihre Notizen. „Wenn ich es richtig verstanden habe, sind sie der Inhaber ihres privaten Familienkontos und ihre Ehefrau hat nur eine Zugangsberechtigung.“

Peter nickt zustimmend, während sie weiterredet. „Sie sollten ihr diesen Zugang sofort entziehen und ohne Aufforderung Trennungsunterhalt und Unterhalt für die Kinder zahlen. Wenn ich ihr genaues Einkommen kenne, sage ich ihnen, wie viel.“

Peter schaut sie ungläubig an. „Ist das wirklich notwendig?“ Frau Kluge antwortet kühl: „Seien sie nicht naiv Herr Dr. Hartmann. Vielleicht hat ihre Frau schon einen neuen Partner.“

Peter schüttelt heftig den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht.“ Sie hebt ihre Stimme etwas und redet unbeeindruckt weiter. „Vergessen sie nicht, dass ihre Frau sich von ihnen trennen will.“

Peter sinkt in seinen Sessel und schweigt betreten. Sie wartet kurz, liest dann wieder in ihren Notizen und redet weiter. „Herr Doktor Hartmann, ich brauche von Ihnen möglichst zeitnah eine Aufstellung ihrer Einkünfte. Fragen sie ihren Steuerberater, der kennt die Details.“ Peter nickt zustimmend.

Dann legt sie ihre Unterlagen zur Seite und mustert Peter, der deprimiert in seinem Sessel hängt, einige Sekunden aufmerksam. Plötzlich wird ihre Stimme weicher. „Herr Hartmann, sie brauchen keine Angst haben, dass sie, wenn es zur Scheidung kommt, finanziell ruiniert sind.“ Sie lächelt Peter dabei aufmunternd zu. „Die Rot-Grüne Regierung hat im letzten Jahr das Ehescheidungsrecht reformiert und damit eine große Ungerechtigkeit beseitigt.“

Peter schaut interessiert auf. „Und was bedeutet das für mich?“

„Haben sie schon von dem Slogan „Einmal Chefarztfrau, immer Chefarztfrau“ gehört?“

Peter nickt zustimmend. „Ja, ich kenne einen Kollegen, der seit seiner Scheidung für die Exfrau, die selbst nicht arbeiten will, monatlich tausende Euro Unterhalt zahlen muss.“

Frau Kluge lächelt überlegen. „Genau das ist seit einem Jahr anders geworden. Geschiedene Partner sind heute nicht mehr generell zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet.“

Peter horcht erstaunt auf, denn das hat er noch niemals gehört.

„Da ihr Sohn bald den dreizehnten Geburtstag feiert, muss ihre Frau sich dann selbst versorgen, sprich arbeiten gehen.“ Während sie das sagt, schaut sie Peter kumpelhaft an. „Kopf hoch Herr Doktor Hartmann, sie werden ihre Krise überleben und ich werde sie dabei unterstützen.“

Als Peter nichts mehr entgegnet, klappt sie ihre Notizen demonstrativ zusammen, steht mit Schwung auf und begleitet ihn zu ihrer Mitarbeiterin, die sie bittet, seine Daten aufzunehmen und ihm den nächsten Termin zu geben. Dann schenkt sie Peter noch einen Blick ihrer schönen Augen, verabschiedet sich förmlich und entschwindet ins Büro.

Nachdem Peter die Formalitäten mit der Anwaltsgehilfin geklärt hat, geht er direkt zur Praxis, die sich in der Nähe befindet. Seine Gedanken sind immer noch bei Frau Kluge.

Sie ist wirklich eine perfekte Frau, klug, redegewandt und dazu noch sehr attraktiv und dann diese Augen! Ihr Mann ist zu beneiden!

Plötzlich fällt ihm ein, dass er Diana versprochen hat, mit Sabina zu reden. Er schaut auf die Uhr und erkennt, dass noch genügende Zeit vor der Sprechstunde bleibt.

Als er seine leere Praxis betritt, sitzt Sabina am Empfangstresen und bearbeitet Patientenakten. Er begrüßt sie freundlich, sie schaut kurz auf, lächelt ihn an und erwidert seinen Gruß.

Peter geht direkt in sein Zimmer, legt seine Sachen ab und während er sich den weißen Kittel anzieht, kommt er wieder auf seine Mitarbeiterin zu. „Sabina, wie gefällt ihnen die Arbeit bei uns?“

Sie schaut überrascht auf. „Sehr gut, Chef. Gibt es ein Problem?“

Peter lächelt sie an. “Ich selbst habe kein Problem mit ihnen. Ganz im Gegenteil, sie sind fleißig, umsichtig und haben sich schnell eingearbeitet.“

Sabina lächelt verlegen. „Ja, die Arbeit macht mir Spaß und ich arbeite gerne hier.“

Peter schaut sie aufmerksam an. Sie erwidert seinen Blick unsicher. Er setzt sich neben sie. „Sabina, wir müssen mal miteinander reden. Sie haben neben ihren guten Seiten leider ab und zu das Problem, den richtigen Ton zu finden.“

Er schaut ihr dabei freundlich in die Augen, die jetzt deutlich flackern. „Mir selbst ist das bisher gar nicht so aufgefallen, aber ihre Chefin hat wohl schon mit ihnen darüber geredet.“

Sabina wird rot und entgegnet trotzig: „Na, ich muss mir ja wohl nicht alles gefallen lassen. Ich habe mich nur gegen Unverschämtheiten gewehrt.“

Peter schaut sie lächelnd an. „Sabina, keiner versteht sie besser als ich. Während meiner Jugend hatte ich auch oft Probleme, mein Temperament zu zügeln.“

Daraufhin fragt sie ihren Chef verlegen: „Muss man sich denn alles gefallen lassen?“

Peter schüttelt heftig den Kopf. „Natürlich nicht, aber ein kluger Mann hat mal gesagt: „Man kann alles sagen, wenn man es sagen kann.“.“

Sabina guckt ihn beschämt an. „Es stimmt schon. Ich bin oft sehr empfindlich und kann meinen Frust schlecht verbergen.“

Peter lächelt väterlich. „Ja, sich selbst zu bezwingen ist immer am schwersten.“

Sabina schaut ihn dankbar an. „Doktor, ich verspreche ihnen, ich werde an mir arbeite.“

Peter legt ihr die Hand auf die Schulter. „Sie werden es schaffen, wenn sie es wollen.“

Dann geht er in Richtung seines Sprechzimmers. Nach einigen Schritten dreht er sich um. „Mir fällt ein, die Ärztekammer bietet einen Kurs an, Deeskalationstraining für medizinisches Personal.“

Sabina ist jetzt wieder völlig entspannt und antwortet spontan: „Das würde ich sehr gern machen.“ Als Peter schon in seinem Büro ist, hört sie ihn noch rufen: „Ich kümmere mich darum und werde alle Mitarbeiter dafür anmelden.“

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