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4. Die Auseinandersetzung

Das Telefonat mit dem Arzt der Uniklinik ist unkompliziert und kollegial. Herr Hauptmann kann sofort verlegt werden. Peter schreibt noch einen Brief für die weiterbehandelnden Ärzte und bespricht mit Schwester Monika die Formalitäten der Verlegung und begibt sich dann gegen einundzwanzig Uhr auf den Heimweg.

Während der Autofahrt spürt er deutlich seine Erschöpfung und hat ein beklemmendes Gefühl. Herr Hauptmann wird ihm wohl noch Ärger bereiten. In der Uniklinik ist er aber in guten Händen und Peter hat im Moment ein Problem weniger.

Erleichterung kann er jedoch nicht empfinden, denn je mehr er sich seinem Haus nähert, drängen sich wieder die schmerzhaften Gefühle nach Cornelias Geständnis in sein Bewusstsein.

Es hat ihn maßlos schockiert, dass sie sich von ihm trennen will. Damit hat er überhaupt nicht gerechnet. Seit fast sechszehn Jahren sind sie ein Paar und Cornelia hat bisher nie solche Gedanken geäußert. Sie hat zwar häufig Phasen depressiver Verstimmung, er hat diese aber nie mit ihrer Beziehung in Verbindung gebracht, denn sie hat schon in der Jugend permanent darunter gelitten.

Als sie sich beide verliebten, hatte sie gerade ihre langjährige Beziehung mit einem Mann beendete, der keine Familie mit Kindern wollte und sie dazu noch mehrmals betrogen hat. Für Peter war sie nach der Trennung von Claudia die erste Frau, in die er sich richtig verliebte und die seine Vorstellungen bezüglich einer Familie teilte. Bis heute war er davon überzeugt, dass sie ihn als den idealen Ehemann betrachtet.

Als er das Auto im Carport seines Hauses abstellt, sieht er in der ersten Etage, im Wohnzimmer, noch Licht brennen. Leise betritt er den Flur, der auf der Decke liegende Hund hebt den Kopf und schaut ihn schläfrig an. Sein leichtes Schwanzwedeln zeigt, dass er sich über das Erscheinen seines Herrchens freut.

Peter öffnet vorsichtig die Wohnzimmertür. Im Fernsehapparat läuft ein Film, Cornelia sitzt im Sessel, den Rücken zur Tür und reagiert nicht auf sein Eintreten. Langsam geht er zu ihr und setzt sich daneben auf den zweiten Sessel.

Er begrüßt sie leise, sie guckt aber stur weiter auf den Monitor. „Cornelia, es tut mir sehr leid, dass ich vorhin das Gespräch abbrechen musste. Aber es gab Probleme mit einem Patienten, um die ich mich dringend kümmern musste.“

Cornelia stöhnt leise, beugt sich zur Fernbedienung, die vor ihr auf dem Tisch liegt und schaltet den Fernseher ab. Dann schaut sie ihn unfreundlich an.

„Das ist doch immer so mit dir. Wir und unser Leben sind dir doch niemals so wichtig wie deine Arbeit.“ Peter schaut sie entsetzt an, er spürt ihre Worte wie Peitschenhiebe. „Wie kannst du so denken? Ich habe dir immer alle Wünsche erfüllt. Die Kinder sind dein Ein und Alles und du musstest nie teilen zwischen Beruf und Familie.“

Cornelia schnaubt hörbar und schaut ihn verächtlich an. „Denkst du etwa, das Leben mit dir ist leicht. Nie bist du da, wenn man dich braucht.“

Peter hat Mühe, sich zu beherrschen, er schaut sie entgeistert an. Was ist mit ihr los? Dann reißt er sich zusammen.

„Natürlich hat mein Beruf den Nachteil, dass ich nicht immer für die Familie da sein kann, aber ich habe immer geglaubt, dass du stolz bist, mit einem Arzt verheiratet zu sein.“

Cornelia springt auf, schlägt sich wütend an den Kopf. So hat Peter sie noch nie erlebt.

„Mir wäre es lieber, wenn du Handwerker wärst und dich mehr um deine Familie und unsere Freunde kümmern würdest.“

Peter holt tief Luft, seine Hände umklammern die Sessellehne, er fühlt sich erschöpft und elend. „Conny, lass uns bitte nicht streiten. Ich habe nachgedacht und glaube, dass es für uns beide gut wäre, wenn wir eine Paartherapie machen.“

Cornelia schaut ihn missmutig an und macht eine ablehnende Handbewegung.

„Nee, eine Paartherapie kommt für mich nicht in Frage. Ich werde doch nicht unsere Probleme mit fremden Leuten besprechen.“

Peter wird ungehalten. „Das ist doch Quatsch. Kein Mensch erfährt von diesen Gesprächen.“

Sie redet aber unbeeindruckt weiter: „Außerdem muss ich dir sagen, dass ich entschlossen bin, mich von dir zu trennen. Ich bin froh, dass das endlich raus ist.“

Peters spürt ein Dröhnen in seinem Kopf, seine Gedanken rotieren wie wild, er will aufspringen, nur mühsam kann er seine Verzweiflung verbergen. „Warum willst du unser Leben zerstören? Ihr seid mein Ein und Alles. Weißt du nicht, dass ich alles für euch tun würde?“

Cornelia sinkt plötzlich wie ein Häufchen Elend auf ihren Sessel und fängt an zu weinen.

“Das ist es ja gerade. Du liebst mich nicht. Du brauchst mich. Ich möchte aber geliebt werden, endlich mal wieder das Kribbeln im Bauch spüren.“

Sie schluchzt heftig, ihre Schultern beben und sie schaut Peter verzweifelt an.

„Wenn du wüsstest, wie oft ich mich schon umbringen wollte. Nur die Kinder halten mich noch am Leben.“

Peter ist schlagartig still, ein durchdringendes Schwächegefühl lähmt ihn, und er sinkt geschockt in den Sessel. Das ist ja schrecklich und ich habe nichts davon bemerkt. Ihm wird ganz schlecht und eine tiefe Traurigkeit betäubt seine Gedanken.

Nach einer gefühlten Ewigkeit steht er unsicher auf und nimmt Cornelia umständlich in die Arme, was sie nur widerwillig akzeptiert. „Conny ich liebe dich und unsere Kinder. Vielleicht ist es besser, wenn wir uns vorläufig trennen. Ich kann mir ja vorübergehend eine kleine Wohnung mieten.“

Er streichelt ihr Haar und umfasst ihren Kopf und hebt ihn, um ihr in die Augen zu schauen. „Du musst dringend eine Psychotherapie machen. Wenn du willst, kümmere ich mich darum.“

Cornelias sagt mit schluchzender Stimme: „Peter, du verstehst mich nicht, ich will nicht mehr. Ich will nicht mehr mit dir zusammenleben.“

Sie löst sich plötzlich aus seiner Umarmung, geht zur Tür und sagt: „Ich gehe jetzt schlafen.“

Als sie das Zimmer verlassen hat, sinkt Peter in den Sessel und vergräbt seinen Kopf in den Händen, er ist tief traurig und erschöpft. Nach einem kurzen Dämmerzustand beginnen seine Gedanken zu kreisen.

Warum liebt Cornelia mich nicht mehr? Natürlich brauche ich sie, aber sie braucht mich doch auch. Denkt sie denn gar nicht an ihre Kinder? Für sie bricht doch auch eine Welt zusammen, wenn wir uns trennen. Wie sollen wir das den Kindern erklären?

Er versinkt langsam in eine selbstmitleidige Stimmung und trübe Gedanken lullen ihn ein, eine bleierne Müdigkeit lähmt ihn zunehmend und kurz bevor er einschläft, zwingt er sich, aufzustehen.

Benommen wankt er zum Gästezimmer und nachdem er sich umständlich das Gästebett bereitet hat, liegt er noch lange wach und grübelt.

Es ist sicher das Beste, wenn wir uns vorübergehend trennen. Conny kann zur Ruhe kommen und eine Psychotherapie machen. Sie hat schon immer psychische Probleme. Wenn es stimmt, was erzählt wird, hat eine Freundin sie in der Jugend vor einem Suizid bewahrt. Mit Peter wollte sie nie darüber reden. Dieses Thema darf er nicht mal ansprechen. Warum, das hat er nie verstanden.

Ich hätte schon früher darauf dringen müssen, dass Conny sich behandeln lässt, sie ist oft schwierig und geradezu harmoniesüchtig, am wichtigsten scheint ihr zu sein, dass sie von allen Menschen als die liebevolle, verständnisvolle Conny geliebt und gesehen wird. Deshalb liebe ich sie ja auch so, andererseits weiß man bei ihr nie, was sie eigentlich wirklich will.

Morgen kümmere ich mich um die Wohnungssuche, es muss ja keine große Behausung sein und dann müssen wir mit den Kindern sprechen, davor grault mir jetzt schon.

Peters Müdigkeit ist verflogen, er liegt noch lange wach, bis er sich eine Schlaftablette holt, die ihn von der Grübelei befreit. Er braucht seinen Schlaf, morgen ist wieder ein anstrengender Tag.

Mondeskälte

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