Читать книгу Kunst oder Kekse - Klaus Porath - Страница 29
1983: Ein Satz macht mich zum Bandleader mit viel Einsatz.
ОглавлениеNachdem Martin und ich unsere Songs – ich schrieb damals im Schnitt zwei pro Monat – regelmäßig im Musikleistungskurs (wegen der Musik) und im Englischleistungskurs (wegen der Sprache) vortrugen, war für mich sonnenklar, dass das Ziel eine richtige Band sein musste. Die Stelle des Lead-Gitarristen war natürlich mit Sebastian zu besetzen, und ich erinnere mich daran, Andreas Braun etliche Male nach der Schule abgefangen und so lange auf ihn eingeredet zu haben, bis er schließlich nachgab und zusagte, bei uns zu trommeln. Über einen Bass machten wir uns erst mal noch keine Gedanken.
Also trudelten Martin, Sebastian und ich eines Tages im Keller der Drogerie Braun ein, die Andreas Vater in der Schönböckener Straße betrieb. Dort standen sowohl ein Drumset, als auch ein Klavier, denn Andreas bereitete sich auf sein Schlagzeugstudium an der Musikhochschule Lübeck vor. Mit diesen beiden Instrumenten war der kleine Abstellraum, der kaum Stehhöhe hatte, eigentlich schon gut ausgefüllt. Sebastian brachte einen Verstärker für seine E-Gitarre in Stellung, und Martin schaffte es irgendwie, sich mit seinen stolzen 1,96 m in einer Ecke zusammengefaltet vor ein Mikrophon zu quetschen. Bevor wir loslegten, schloss Andreas noch das winzige Kellerfenster, damit die Nachbarn nicht belästigt wurden, und konstatierte lachend, unsere Band würde „anaerob“ proben. Dass ein Training ohne Sauerstoff angeblich besser sei als ein aerobes, war zu der Zeit gerade ein großes Thema im Sport. Von irgendwoher bekamen wir dennoch genug Luft, um in dem winzigen Raum einen grauenhaften Lärm veranstalten zu können. Ich musste mich beim Spielen tief über das Klavier beugen, um es überhaupt zu hören. Hinter mir hockte Martin, der mir seine Knie in den Rücken bohrte und aus Leibeskräften in ein viel zu leise eingestelltes Mikrophon brüllte. Zum Glück hielt ausnahmsweise kein Kassettenrekorder diesen akustischen Mega-Gau fest, so dass nicht nur die Nachbarn davon verschont blieben, sondern auch die Nachwelt.
Aber ich war restlos begeistert! Ich spielte in einer Band! Dass ich wieder nicht zu hören war, war unwichtig. Andreas bezeichnete das Klavier bei uns später als „das weiche Etwas, das durch den Raum wabert. Aber wenn es nicht da wäre, würde man es vermissen“. Gleichzeitig behauptete er, dass unsere Songs am besten zur Geltung kamen, wenn sie nur vom Klavier begleitet wurden. War das bereits eine prophetische Ahnung für mein heutiges Wirken als „Piano Man“? Aber damals war „Rockband“ für mich das große Ziel! Und so stand nach der Probe sonnenklar ein großes Fragezeichen im Raum. Ich schaute mich um und war gespannt, wer von den anderen darauf kommen würde. Aber die packten nur seelenruhig ihre Instrumente ein. Jeder war mit sich selber beschäftigt. Also stellte ich die überfällige, wegweisende Frage: „Wann proben wir wieder?“ Dieser eine Satz machte mich zum Bandleader, und der unermüdliche Einsatz für die Band sollte in den nächsten Jahren mein Leben bestimmen.