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1985: Krach sorgt für Krach.

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Ich erinnere mich, wie ich mit Martin einmal im Regen an einer Bushaltestelle in der Moislinger Allee stand. Wie üblich, wenn wir nicht Musik machten, stritten wir miteinander. Vermutlich wollte ich ihn dazu bringen, irgendetwas zu tun, was er partout nicht wollte. Er beendete das Thema, indem er mir beim Einsteigen in den Bus zurief, dass es nicht ginge, weil er einfach nicht so extrovertiert sei wie ich. Er könne sich nicht ändern und ich müsste damit leben. Die folgende Geschichte beweist, dass er sich damals geirrt hat. Er trägt das Zeug zum Helden in sich! Man muss ihn nur richtig herausfordern. Die ganze Schule wurde Zeuge, wie das mit Kakophonie passierte. Das griechische Wort verliert in seiner Übersetzung „Schlecht-Klang“ einiges von seinem lautmalerischen Reiz. Ja, Martin war gereizt! Und wie! Und das kam so:

Eines schönen Schultages (ist das nicht ein Widerspruch in sich?) wurden alle Oberstufenschüler zu einem vom Kultusministerium finanziell geförderten Konzert für eine Doppelstunde in die Aula einberufen. Dass der Unterricht nach Stundenplan ausfiel, war erfreulich. Die gebotene Musik war es leider nicht. Auf der Bühne hatte sich eine große Band mit tollem Equipment aufgebaut. Mit dem hätten wir als Band richtig losrocken können! Da stand zum Beispiel ein Yamaha DX7 Synthesizer, der damals ziemlich angesagt war und den ich auch gerne gehabt hätte. Die Musiker strahlten über beide Ohren. Aber das lag unmöglich an der Schönheit ihrer Musik. Denn sie spielten einfach alle durcheinander! Es war nur Krach! Korrekt ausgedrückt: Kakophonie. Sie grinsten wie die Honigkuchenpferde. Mir kam es so vor, als würden sie sich innerlich heimlich ins Fäustchen lachen. Weil sie uns erstens diesen Mist als hochwertige Musik verkauften, sich zweitens ohne den geringsten Probenaufwand an ihren Instrumenten abreagieren konnten und drittens auch noch Geld dafür bekamen!

Während ich versuchte wegzuhören und mich still und heimlich in den Gedanken flüchtete, wie wir als Band mit dieser exquisiten Ausrüstung geklungen hätten, brannten bei Martin alle Sicherungen durch. Es riss ihn aus seinem Sitz. Mit seinen stolzen 1,96 m durchschritt er mit riesigen wogenden Schritten, finsterster Miene und wehenden langen, schwarzen Haaren die Aula und blieb direkt vor der Bühne stehen. So hatte ihn noch keiner erlebt. Wir waren alle gespannt, was als nächstes passieren würde.

Ich hatte einmal durch Zufall in die Turnhalle geschaut, als er mit seinem Sportkurs Basketball spielte. Ein Spiel, für das er genauso wenig Talent besaß, wie auch ich für jegliche Ballspiele. Als er, seine Mitspieler um einen Kopf überragend, in voller Fahrt halbblind ohne seine Brille mit weit aufgerissenen Augen durch die Turnhalle stürmte, hielten es seine Gegenspieler für eine lebensverlängernde Maßnahme, ihm aus dem Weg zu gehen. Die Band musste sich in diesem Moment ähnlich gefürchtet haben. Aber sie konnte sich nicht verdrücken. Martin deutete wutentbrannt mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf den Bandleader und konstatierte laut und deutlich für ihn, seine Mitkrachmacher und die ganze Schule hinter ihm:

„I H R M A C H T N U R S C H E I S S E ! ! !“

Dann drehte er zur großen Erleichterung aller nach links ab, marschierte durch den Seitenausgang und schmiss mit lautem Krachen die Aulatür hinter sich zu.

Wie es der Band gelang, diese an Deutlichkeit nicht zu überbietende Kritik zu ignorieren, weiß ich heute nicht mehr. Der Krach ging leider unverändert weiter. Und ich blieb, brav wie alle anderen, bis zum erlösenden Pausenklingeln auf meinem Platz. Aber was passierte dann? Nach Ende des Infernos begannen sich unsere Mitschüler postwendend bei MIR zu beschweren! Martins Verhalten sei intolerant und umso schlimmer, da wir sie ebenfalls ständig zwingen würden, sich unsere Musik anzuhören! Als ich Sebastian diese nette Geschichte neulich im „Klanghouse“ erzählte, überraschte er mich gleich zweimal. Erstens hatte ich vergessen, dass er auch dabei war und zweitens fand er unser Verhalten damals auch nicht gut. Wie kam er auf „unser“ Verhalten? Ich hatte nichts getan! Vermutlich hatte ich, als die Tortur vorüber war, aus lauter Erleichterung sogar noch brav Höflichkeitsapplaus gezollt.

Für mich ist das ein eindeutiger Beweis dafür, dass wenn sich einer aus einer Gruppe hervortut, das auf die ganze Gruppe abfärbt. Ob man will oder nicht, man wird in der öffentlichen Wahrnehmung mit seinen Partnern in einen Topf geworfen. „Pars pro toto“. Ein Teil steht für das Ganze. Makoi hatte 1988 recht: als ich am Ende eines „Mask 4 Fun“ Konzertes „Jesus Loves You“ allein am Klavier sang, wird das Publikum bewusst oder unbewusst die ganze Band verdächtigt haben, das Christentum zu proklamieren. Und Martin hatte zwanzig Jahre später unrecht, dass es nichts ausmachen würde, wenn er im Band-Blog unflätige Dinge postet, die die halbe Band nicht teilte. Das stellte sich leider erst hinterher heraus. Aber das war ein anderer Krach, über den ich noch berichten werde.

Kunst oder Kekse

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