Читать книгу Die Rechte des Verletzten im Strafprozess - Klaus Schroth - Страница 83
a) Allgemeines
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Regelungen zum Einsatz von Videotechnik bei Zeugenvernehmungen sind erstmalig durch das sog. „Zeugenschutzgesetz“[29] eingeführt worden.[30] Ausgelöst wurden die damaligen gesetzgeberischen Aktivitäten im Bereich der Videovernehmung durch aufsehenerregende Prozesse wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und eine Entscheidung einer Mainzer Strafkammer im Jahr 1995. Damals wurde – ohne ausreichende gesetzliche Grundlage aber in Einvernehmen mit den übrigen Verfahrensbeteiligten – die Vernehmung kindlicher Zeugen durch den Vorsitzenden während der Hauptverhandlung in einem besonderen, kindgerecht eingerichteten Zimmer in Anwesenheit einer Vertrauensperson des Kindes durchgeführt.[31] Diese Befragungsform war insofern problematisch, als der Vorsitzende von dem separaten Zimmer aus keine Möglichkeit hatte, die Verfahrensbeteiligten während der Aussage des Kindes zu sehen und so deren Reaktionen auf das vom Kind Gesagte nicht wahrnehmen konnte.[32] Das sog. Mainzer Modell blieb nicht zuletzt auch wegen der Kollision mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit gem. §§ 226, 261 StPO stets umstritten.[33] Deshalb kam es im Zeugenschutzgesetz schließlich zur Regelung des § 247a StPO, die englischen und österreichischen Vorbildern folgt.[34] Der Zeuge hält sich danach in einem separaten Raum auf, sieht den vernehmenden Richter, der wie die übrigen Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal verbleibt, auf einem Bildschirm und hört ihn über Lautsprecher. Die Antworten des Zeugen werden dann optisch und akustisch direkt in den Sitzungssaal übertragen. Zur Einführung einer gespaltenen Hauptverhandlung kam es also nicht.
Das „Zeugenschutzgesetz“ reicht im Bereich der Vernehmungsmöglichkeiten durch Videotechnik weit über den Schutz von Kinderzeugen hinaus. So gilt die Videosimultanübertragung nach § 247a StPO auch für die Vernehmung von Zeugen an einem anderen Ort unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2, also auch für die Vernehmung von Auslandszeugen oder etwa gesperrten V-Personen gem. § 247a Abs. 1 Hs. 2 StPO. Die Regelung über die Videoaufzeichnung aus § 58a StPO, die primär zur Vermeidung von belastenden Mehrfachvernehmungen bei kindlichen Zeugen gedacht war, gilt jetzt für alle Zeugen, deren spätere Vernehmung in der Hauptverhandlung unsicher ist, also z.B. auch beim Schutz gefährdeter Zeugen im Rahmen des strafprozessualen Zeugenschutzes. Die Vorführung der Videoaufzeichnung in der Hauptverhandlung wurde in § 255a Abs. 1 StPO der Verlesung von Vernehmungsprotokollen gleichgestellt. § 255a Abs. 2 StPO lässt unter weiteren Voraussetzungen in weitgehender Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bei Sexual- und Tötungsdelikten sowie Fällen des Missbrauchs von Schutzbefohlenen oder Straftaten gegen die persönliche Freiheit die Ersetzung der Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren zu. Die Vorschrift wurde durch das sog. „StORMG“[35] auf Zeugen, die Verletzte einer betreffenden Straftat wurden und zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahren waren, erstreckt.
Zu unterscheiden ist zwischen der Aufzeichnung der Zeugenaussage im Ermittlungsverfahren auf Video und der anschließenden Nutzung der aufgezeichneten Aussage als Ergänzung oder Ersatz in der Hauptverhandlung vor Gericht gem. § 255a StPO auf der einen und der Simultanübertragung der Aussage aus einem anderen Raum in die Hauptverhandlung gem. § 247a StPO auf der anderen Seite. Die Videoaufzeichnung ermöglicht es im Idealfall, die Anzahl der Vernehmungen zu reduzieren. Die Simultanübertragung der Aussage erspart dem Zeugen vor allem die unmittelbare Konfrontation mit dem Angeklagten, sowie die psychische und physische Belastung einer Vernehmung im Sitzungssaal mit zahlreichen anwesenden Personen.[36]