Читать книгу Die Rechte des Verletzten im Strafprozess - Klaus Schroth - Страница 84
b) Einsatz von Videotechnik in Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung
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Für die Videovernehmung stellt § 58a StPO die grundlegende Regelung dar. Grundsätzlich kann nach § 58a Abs. 1 S. 1 StPO fakultativ jede Vernehmung eines Zeugen auf „Bild-Ton-Träger“ aufgezeichnet werden. Auf den Verfahrensgegenstand kommt es dabei nicht an. Die Vernehmung ist nach dem Gesetzeswortlaut auch nicht an weitere Voraussetzungen gebunden. Allerdings führt in der Praxis nicht allein der erhöhte technische Aufwand zu einer begrenzten Anwendung, sondern auch die sorgfältige Abwägung der Verhältnismäßigkeit in jedem Einzelfall. Mit der Videoaufzeichnung ist nämlich ein durchaus erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verletztenzeugen verbunden.[37]Andererseits lässt sich der tatsächliche Verlauf der Vernehmung nur durch eine solche Aufzeichnung der Vernehmung auf Video anschaulich und zweifelsfrei dokumentieren.
Regelmäßig ist eine Videovernehmung in den in § 58a Abs. 1 S. 2 StPO genannten Fällen in Betracht zu ziehen sein. Diese Vorschrift enthält eine Regelung für Fälle, in denen eine Vernehmung aufgezeichnet werden „soll“. Die Vorschrift hat insoweit zwingenden Charakter.[38]Die Videovernehmung soll durchgeführt werden, wenn es sich um jugendliche Verletztenzeugen unter 18 Jahren, sog. kindliche Zeugen, und Verletztenzeugen, die zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahren waren, oder um bedrohte Zeugen handelt, deren Abwesenheit in der Hauptverhandlung zu besorgen ist. Letztgenanntes gilt beispielsweise für Zeugen, die nach ihrer Vernehmung im Ermittlungsverfahren ins Ausland gehen oder in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Die Einschränkung in § 58a Abs. 1 Nr. 2 StPO, wonach eine Aufzeichnung zur Wahrheitserforschung erforderlich sein muss, bedeutet, dass die Aufzeichnung nur erfolgen soll, wenn sie über den Erkenntniswert der ohnehin anzufertigenden Niederschrift hinausgeht.[39]Video-Aufzeichnungen unterliegen wie Vernehmungsprotokolle der Akteneinsicht, was durch die in § 58a Abs. 2 StPO enthaltene Verweisung auf § 147 StPO und § 406e StPO klargestellt ist. Durch das „Opferrechtsreformgesetz“[40] wurde die Vorschrift dahingehend erweitert, dass nach § 58a Abs. 2 S. 3 – 5 StPO auch Kopien der erstellten Aufzeichnungen den Einsichtsberechtigten überlassen werden können, solange sie benötigt werden. Diese Regelung sollte die Akzeptanz hinsichtlich der Aufzeichnungen steigern.[41] Kopien können auch anderen Personen überlassen werden, wenn der Zeuge hiermit einverstanden ist. Allerdings hat der Zeuge generell ein Widerspruchsrecht gegen die Überlassung der Aufzeichnungen, worauf er hinzuweisen ist. Das Besichtigungsrecht der Akteneinsichtsberechtigten bleibt jedoch hiervon unberührt. Statt einer Kopie wird diesen im Falle eines Widerspruchs allerdings lediglich eine Übertragung der Abschrift in ein schriftliches Protokoll überlassen.
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Möglich ist auch die videotechnische Übertragung der ermittlungsrichterlichen Zeugenaussage bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens. Die hierfür geltende Regelung des § 168e StPO stellt insofern eine Ergänzung des § 247a StPO dar. Die Vernehmung des Zeugen erfolgt in diesem Fall getrennt von den sonstigen Anwesenheitsberechtigten, also insbesondere vom Beschuldigten und seinem Verteidiger. Deren Mitwirkungsrechte müssen jedoch durch die Möglichkeiten der simultanen Videoübertragung gewahrt werden.[42] Diese Vernehmungsart wird sich insbesondere bei Vernehmungen von Kindern, die besonders in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs häufig bei einer Vernehmung in Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten massiven psychischen Belastungen ausgesetzt sind, anbieten. Gleiches gilt für andere besonders schutzbedürftige Verletztenzeugen. Voraussetzung für die Simultanübertragung ist, dass die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen besteht, wenn dieser in Gegenwart der Anwesenheitsberechtigten vernommen wird. Die Entscheidung über die getrennte Vernehmung des Zeugen ist nach § 168e S. 5 StPO aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der raschen Klärung der Rechtslage unanfechtbar.