Читать книгу Eine Partie Monopolygamie - Kolja Menning - Страница 12

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Kapitel 5

Meine Stimmung hält an, und während des ganzen Wochenendes bin ich immer wieder gemein zu den Kindern, obwohl sie es nicht verdient haben.

Am Sonntag kommt Melanie zum Abendessen. Im Gegensatz zu mir ist sie ausgezeichneter Laune. Sie hat das Wochenende mit ihrem Anton in einem Vier-Sterne-Hotel an der Ostsee verbracht. Sie haben gut gegessen, sind am Strand spazieren gegangen, haben sich im Spa des Hotels verwöhnen lassen und die ein oder andere aktive Stunde im Bett verbracht, wie sie mit einem Augenzwinkern erzählt, damit es die Kinder nicht verstehen. Ein Blick auf Gwenael sagt mir, dass sie ihn unterschätzt, doch das fällt ihr nicht auf.

»Du siehst nicht so aus, als würdest du dich für mich freuen«, beobachtet Melanie irgendwann.

»Mama ist schlecht drauf«, vertraut Désirée ihr an.

Melanie starrt mich an.

»Ist es wegen –«

»Ich will jetzt nicht darüber reden«, unterbreche ich sie.

»Ich hab’ genug gegessen«, sagt Gwenael. »Dési, Emil, kommt ihr? Wollen wir Monopoly spielen?«

»OK«, sagte Désirée fröhlich und erhebt sich ebenfalls.

Emil trottet hinter seinen Geschwistern her in Richtung Kinderzimmer.

»Aber ich will anfangen«, höre ich ihn sagen, bevor sich die Tür schließt.

»Es tut mir leid«, nimmt Melanie das Gespräch wieder auf. »Ich hab’ gar nicht mehr dran gedacht. Hat Fair^Made dir abgesagt?«

Ich nicke.

»Sie wollten sich bis spätestens vorgestern melden«, erinnere ich sie. »Haben sie aber nicht.«

»Diese Schweine«, sagt Melanie. »Und nun?«

Ich zucke mit den Schultern.

»Alles wie gehabt«, antworte ich niedergeschlagen.

»Du solltest dich für mehr solche Stellen bewerben«, meint Melanie. »Du hast doch gesagt, das Interview war gar nicht so schlecht. Du musst das einfach noch ein paarmal üben, dann klappt’s bestimmt irgendwann!«

Ich bin dankbar für ihre zuversichtlichen Worte, doch schüttele den Kopf.

»Ich wüsste gar nicht, wann ich nach den Stellen suchen sollte. Wenn die Kinder abends schlafen, bin ich immer so müde, dass ich auch nur noch ins Bett will.«

»Du arbeitest zu viel«, sagt Melanie bestimmt. »Du solltest mehr vom Sozialstaat profitieren, dann hättest du den ganzen Vormittag Zeit, nach einem vernünftigen Job zu suchen!«

»Nein!«, entgegne ich heftig. »Ich will nicht auf die Almosen anderer angewiesen sein.«

Wir haben diese Diskussion schon oft gehabt. Außer meinen Kindern habe ich nicht viel, doch ich habe meinen Stolz. Auf keinen Fall will ich mein Selbstwertgefühl verlieren.

»Clara, deine Einstellung in allen Ehren, aber weißt du, wie viele Menschen in Deutschland vom System profitieren? Außerdem musst du es ja nicht permanent machen! Gib dir drei bis sechs Monate, während der du einen besser bezahlten Job suchst! Danach wird der Staat schon dafür sorgen, dass du deine Schuld über die Lohnsteuer begleichst.«

Und wenn ich nichts finde?, denke ich. Melanies Vorschlag ist nicht neu. Ich weiß genau, was mich davon abhält: Es ist ein Risiko, das ich einfach nicht eingehen kann. Immerhin habe ich jetzt sechs Putzjobs und gebe drei Yogakurse. Es mag nicht viel sein, aber das alles aufzugeben, um einem Traum nachzujagen, ist für mich ein Risiko, das ich nicht einzugehen wage. Denn wenn mein Traum verpufft, werden die Kramers, Eichners, Bauers, die Grafs und vermutlich auch die Petrowskis und selbst die Jones mich längst ersetzt haben.

»Oder du suchst dir einfach einen reichen Mann«, schlägt Melanie vor.

So wie sie ihren Anton.

»Klar, mit meinen drei Kindern.«

»Clara, es mag utopisch sein, auf einen Märchenprinzen zu warten, da hast du sicher recht. Aber ein Mann Anfang fünfzig? Noch gut in Form, geschieden, entweder kinderlos oder mit erwachsenen Kindern? Glaub mir, Clara, der Markt an solchen Männern ist groß – und für so einen Mann bist du der Hauptgewinn!«

»Du meinst, ich soll mich prostituieren?«, frage ich und weiß im selben Augenblick, dass ich das nicht hätte sagen sollen. Melanie beschreibt nur ihr momentanes Erfolgsmodell.

»Entschuldige«, füge ich schnell hinzu. »Ich weiß, dass du nur das Beste für mich willst. Es ist nur ... ich würde mir wie eine Prostituierte vorkommen, wenn ich finanzielle Hintergedanken dabei hätte.«

Wir schweigen einen Moment. Ich mache Tee und setze mich schließlich wieder zu Melanie.

»Erzähl mir lieber noch ein bisschen von deinem Wochenende«, sage ich. »Es wird mir guttun, mehr davon zu hören.«

Später, als die Kinder schlafen, lege ich mich zu ihnen, obwohl nicht Freitag ist. Ich hoffe, dass sie mir im Schlaf verzeihen, dass ich das ganze Wochenende nicht besonders nett zu ihnen war. Ich tue es auch für mich. Ich habe keine Lust, allein in meinem Bett zu liegen. Bevor ich einschlafe, überlege ich, ob Melanie vielleicht recht hat. Vielleicht würde mir ein neuer Mann in meinem Leben guttun. Doch ich wüsste noch nicht einmal, wie ich es anstellen sollte, jemanden kennenzulernen. Meine Tage sind voll, abends bin ich müde und habe die Kinder. Außerdem habe ich Angst davor, verletzt und wieder im Stich gelassen zu werden. Schon bevor Guillaume sich aus unserem Leben verabschiedet hat, war unsere Beziehung nicht mehr gut. Mit Liebe hatte das nicht mehr viel zu tun. Nur Gewohnheit. Und wenn wir hin und wieder mal miteinander geschlafen haben, ging es um die Befriedigung unserer menschlichen Bedürfnisse – nicht um ein gegenseitiges unwiderstehliches Begehren. Als Guillaume nicht mehr da war, war auch viel Stress fort – dennoch war die Erfahrung, mit zwei Kindern und schwanger im Stich gelassen zu werden, traumatisch.

Aber du hast es überlebt, du bist Gwenael, Désirée und Emil eine akzeptable Mutter und es geht vielen Leuten schlechter, versuche ich, mich aufzumuntern.

Melanies Vorschlag, ich solle mir einen neuen Mann suchen, mag unpassend für mich sein. Aber vielleicht hat sie in anderer Hinsicht recht: Fair^Made war mein erstes Interview seit Jahren. Ich sollte nicht sofort aufgeben.

Vorsichtig befreie ich mich von Désirées Arm, den sie im Schlaf über mich gelegt hat, und stehe auf. Im Wohnzimmer mache ich zehn Minuten Yoga, um wieder wach zu werden. Dann gehe ich in mein Schlafzimmer, starte Guillaumes alten Computer, der glücklicherweise immer noch funktioniert und verbringe die nächsten zwei Stunden damit, nach Stellen zu suchen, bei denen ich von meinen journalistischen Fähigkeiten profitieren kann und die der Beschreibung nach in mein Leben passen könnten. Und ab morgen werde ich jeden Abend eine Bewerbung verschicken.

Eine Partie Monopolygamie

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