Читать книгу Der letzte Ball - Konstantin Josuttis - Страница 13
5.
ОглавлениеSie stand in der Tür, als hätte sie ihn erwartet. Während sie am Abend noch durch den Kontrast des unschuldig weißen Kostüms mit ihren roten Lippen auf Fischer Eindruck gemacht hatte, überzeugte nun die angedeutete Nacktheit ihres fülligen Körpers. Fischer schluckte. Er betrachtete das Negligé in schwarz unter dem lilafarbenen Nachthemd, das so eng auflag, dass man ihre Konturen nicht nur erahnen, sondern förmlich mit jedem Blick erschmecken konnte. Im Zusammenspiel mit ihren offenen blonden Haaren und ihrem engelsgleichen Gesicht, das nun eine teuflische Note um den Mundwinkel zu tragen schien, verkörperte sie das Sinnbild der Sünde.
Musste er etwas sagen? Sich rechtfertigen? Auf einmal kam er sich dumm vor, wie er vor ihr stand und in seinem Kopf kramte er fieberhaft nach einer Ausrede, warum er sie zur Nachtzeit besucht hatte – dass er keinen Waschlappen hätte (nein, das wäre zu anzüglich), dass er ihr noch eine gute Reise wünschen wolle (was für ein Quatsch), dass er noch einmal feststellen wollte, dass er ja nur der Vizepräsident sei, und das auch nur vorübergehend (klang auch lahm). Sie zog ihn am Revers seines Bademantels in ihre Kajüte und drückte ihm ihre feuchten Lippen auf seine. Dann öffnete sie mit ihrer Zunge fordernd seinen Mund und fiel in sein Reich ein wie Napoleon in Belgien. Bevor er sich versah, fand er sich seines Bademantels ledig und am Boden liegend wieder, während sie an den Knöpfen seiner Schlafanzughose nestelte. Ihre vollen Brüste baumelten vor seinem Gesicht wie eine Geburtstagstorte, die es anzuschneiden galt. Er berührte sie, was sie zu einem verzückten Quietschen veranlasste, und dann, bevor er sich versah, hatte sie ihn umfangen, ritt auf ihm, als überquerten sie den stürmischen Atlantik und nicht das seichte Mittelmeer, gurgelte, krächzte, schrie, und ihm schwanden die Sinne und er verlor sich in seinem und ihrem Körper bis zu einer taumelnden Ekstase, die in einer krallenden Umarmung endete. Er saugte noch ein wenig an ihrer pfirsichweichen Haut, sog ihren Rosenduft ein und fiel dann auf dem weichen Teppich in einen erfüllten Schlaf.
Er erwachte unter einer schweren Federdecke. Etwas kitzelte seine Brust, und als er immer noch müde und erfüllt an sich heruntersah, beobachtete er ihre schlankgliedrigen Finger, die seine Brustwarze umkreisten. Vorsichtig drehte er sich zu ihr, um feststellen zu können, ob er schlief oder ob sie vielleicht gar nicht sie war, sondern eine Katze, die ihren Weg an sein heimisches Bett gefunden hatte und ihn aus einem Traum erweckte. Doch er blickte nur in die schelmisch grinsenden Augen von Senorita Cortazar und bevor er sich versah, war ihre Hand in tiefere Regionen gewandert und flocht sich einen Weg durch sein Schamhaar. Er zog die Decke, die sie beide bedeckte, ein wenig nach unten, um ihren Körper besser sehen zu können und stürzte sich mit seinem Mund schon auf ihrem Hals, ihre Schultern und saugte sich den Weg herab, was erneut ermutigende Seufzer aus ihr hervorrief. Das zweite Mal war langsamer, vorsichtiger und er versuchte, mehr bei Bewusstsein zu bleiben, was schwierig war, da er immer wieder an den scheinbar unlösbaren Kontrast zwischen seiner eigenen massiven Körpergröße und ihrer weiblichen Eleganz erinnert wurde, sobald er den Genuss mit den Augen erfahren wollte. Fast sah er sich versucht, sie zu fragen, was denn eine Schönheit wie sie von ihm wollen könne, als sie seinen Namen keuchte und in einen Singsang aus spanischen Wörtern einstimmte. „Oh Moritz“, hauchte sie immer wieder zwischendurch, was ihm auf eine gewisse Art zumindest die Zweifel nahm, dass sie ihn verwechselt haben könnte.
Er schlief wohlig und warm, das Schiff schaukelte und eine Hand strich ihm sacht über den Rücken. Die zwei Male, in denen er kurz erwachte, wünschte er sich, die Zeit möge stehenbleiben und schlief lieber schnell wieder ein, damit er der Bedrohung des Aufwachens noch möglichst lang entkommen könne.
Irgendwann aber zwängte sich ein zarter Lichthauch durch die Vorhänge hindurch und kündigte den unvermeidlichen nächsten Tag an.
Vorsichtig setzte er sich auf, ohne sich umzusehen stand er auf und tastete sich nach vorne. Einen schattenhaften Umriss auf dem Boden erkannte er als seinen Morgenmantel. Er hob ihn auf und schlich zur Tür, wobei er mit einem Bein gegen eine Tischkante stieß. Er biss sich auf die Zunge und öffnete so leise wie möglich die Tür nach draußen. Auf dem Gang empfing ihn eine undurchdringliche Finsternis. Noch bevor er nachdenken konnte, hatte er die Tür hinter sich verschlossen und fluchte leise. Er wusste, wie er zu seiner Kabine zurückfinden konnte (links, rechts und nochmals rechts), aber er wollte nicht noch einmal eine unliebsame Bekanntschaft mit einer Wand oder einem ihn aus der Dunkelheit attackierendes Mobiliar machen. Also begab er sich auf alle Viere und kroch vorwärts. Wenn es einen Beobachter dieser seltsamen Szenerie gegeben hätte, so hätte er Moritz Fischer vielleicht für einen Bären gehalten, aber das keuchende und brummende Wesen, das sich durch die Gänge schlich, war niemand anderes als der FIFA-Vizepräsident. Seine Strategie hatte Erfolg: Ohne sich weiter zu verletzen, kam der Bär in seiner Höhle an, durchquerte sein Vorzimmer, mittlerweile wieder auf zwei Beinen, da das Bullauge die ersten Lichtstrahlen in die Kajüte durchließ, und kletterte auf sein eigenes, noch immer frisch riechendes Bett. Er starrte an die Decke und träumte mit offenen Augen den Traum noch einmal durch, den er diese Nacht erlebt hatte.