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3.

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Die frische Luft auf dem Oberdeck wirkte befreiend. Es gab einen Ausblick, ganz oben, am vordersten Ausläufer des Decks. Davor befand sich der Außenpool, eingerahmt mit rundgeformten Holzbänken. Dieser Ausblick, geschützt durch ein Geländer, zog sich Steuer- und Backbord des restlichen Decks noch jeweils zwei Meter an den Außenseiten entlang, sodass man, wenn man dort stand, einen uneingeschränkten Blick sowohl nach vorne als auch hinten hatte, und dazu das Gefühl, man flöge über das Meer. Sie hätte Stunden einfach dastehen können, das Gesicht in der Sonne, der leichte Fahrtwind ihre Wangen streichelnd, während ihre Hände das Geländer umklammerten, sodass sie sich mit geschlossenen Augen leicht nach hinten fallen lassen konnte und nur noch die Absätze ihrer Schnürstiefel den Boden berührten. Daher war sie anfangs etwas irritiert, als trappelnde Schritte sie aus ihrer Trance erweckten.

Es war ein rhythmisches Tapsen, unterbrochen nur von einzelnen keuchenden Atemstößen. Als Smeralda wieder gerade stand und sich nach der Quelle der Geräuschkulisse umdrehte, sah sie einen ganzen Trupp stattlicher junger Männer in kurzen Hosen und Unterhemden um den Swimming Pool herum laufen, um sich dann auf dem spärlichen Platz hier oben zu verteilen und breitbeinig die Arme nach oben zu strecken. Ein Mann mit weißen Hosen, einem blauen Pullover und einer weißen Kappe auf dem Kopf, deutlich älter als die anderen, stieß in kurzen Abständen in seine an einem Bändel um seinen Hals befestigte Pfeife, wonach die jungen Männer ihre Arme und Beine zusammen- oder auseinanderklappten. Nachdem die Männer zehnmal diese Übung gemacht hatten, hopsten sie, wieder nach dem Rhythmus der Pfeife, auf der Stelle herum, wobei sie bei jedem Pfiff in die Knie gingen und wieder nach oben schnellten. Ein älterer Herr mit breitem Schnurrbart stand in seinem Badeanzug im Pool und hatte die Arme auf dem Poolrand abgelegt, um den eifrigen Treiben zuzusehen. Einer der jungen Männer, auffallend hübsch mit einem kantigen Gesicht und einer verstrubbelten Frisur, schaute anfangs verstohlen, dann, bei der zweiten Umrundung des Pools, mit weniger Zurückhaltung auf Smeralda. Er hatte strahlend blaue Augen und trotz der offensichtlichen Anstrengung ein schelmisches Lächeln aufgelegt. Als sie seinem Blick nicht auswich, fing er an eine Grimasse zu ziehen: Er verdrehte die Augen nach oben und deutete an, dass er gleich umkippen müsse. Smeralda lächelte. Die jungen Herren drehten wieder eine Runde um den Pool, der Trainer rief ihnen irgendwelche Instruktionen zu und im Vorbeilaufen rief der junge Mann, der sie angesehen hatte, ihr zu: „Heute Abend – beim Konzert.“

Smeralda schaute ihm interessiert hinterher, als er erneut eine Runde um den Pool drehen musste und wieder die Stelle kreuzte, an der sie am nächsten stand.

„Halten Sie mir einen Platz frei.“

Eine neue Runde.

„Muss jetzt leider gehen.“

Dann schimpfte der Mann mit der Pfeife ein wenig herum, wobei der Trupp im Gleichschritt in Richtung Treppe nach unten abmarschierte. Smeralda schaute ihnen hinterher.

Sie versuchte wieder, sich auf die Weite des Meeres einzustellen, doch stellte fest, dass ihr das misslang. Stattdessen, so überlegte sie, würde sie die ihr noch zur Verfügung stehende Zeit nutzen, um sich auf dem Schiff umzusehen. Aber wie vorgehen?

Sie schaute vom Geländer herab und sah die Fußballer von oben im Eilschritt in Richtung achtern abwandern. Ein Schiffsjunge – zumindest sah er von oben so aus – war gerade dabei, das Deck zu schrubben. Die Blicke auf sich spürend, schaute er nach oben in das Gesicht Smeraldas. Dann nahm er seine weiße Matrosenmütze ab und machte eine tiefe Verbeugung. Smeralda musste grinsen. Sie schritt die Treppe nach unten und stellte sich vor den Jungen, der nach wie vor mit viel Liebe und Hingabe die Planken wienerte. Ein Eimer mit trübem Wasser stand neben ihm und er tauchte den Putzlappen dort hinein, zog ihn mit seinen Händen heraus, wrang ihn aus und sprach die Dame, die ihn interessiert beobachtete, in ganz passablem Englisch an: „Wenn Sie mich weiter so beobachten, Madam, dann werde ich noch ganz rot. Ich muss mich doch konzentrieren können.“ Smeralda lachte.

„Ganz schön frech für so einen jungen Kerl.“

„Ich kann ja für meine Gefühle nichts. Kommt nicht alle Tage vor, dass ich verlegen bin, das kann ich Ihnen garantieren.“

„Bei deinem Mundwerk kann ich mir das gar nicht vorstellen.“

„Tja, wo Sie es sagen, Madam, da haben Sie recht. Mein Mundwerk hat auch dafür gesorgt, dass ich hier schrubben darf.“

„Warst du etwas vorlaut deinen Vorgesetzten gegenüber?“

„So ist es, Madam. Sie kennen sich gut aus.“

„Mit manchen Dingen kenne ich mich ganz gut aus, das stimmt. Wie heißt du, junger Mann?“

Der Junge wischte sich die Hände an den Hosen ab und verbeugte sich. „Giovanni Giotta, Madam.“

„Angenehm, junger Mann. Mein Name ist Smeralda Acuna Cortazar. Sag mal, Giovanni, ist das deine erste Fahrt mit dem Schiff?“

Stolz reckte Giovanni seine Brust. „Keineswegs, Madam Cortazar. Dies ist die dritte. Dieses Schiff ist sozusagen mein zweites Zuhause.“

„Musst du denn nicht zur Schule?“

„Schule, pah. Da lernt man ja nichts Richtiges. Nein, Madam. Ich bereise die Weltmeere und dann werde ich ein Restaurant in New York eröffnen.“

„Ah, daher dein gutes Englisch.“

„Danke Madam.“

„Hör zu, Giovanni.“ Smeralda schaute nach draußen, auf die Seeseite in die Leere. Sie wusste, wie man Pausen einsetzen musste, um zu bekommen, was man haben wollte.

„Ich brauche unbedingt jemanden, der mich ein wenig herumführen könnte. Fällt dir irgendjemand ein?“

Sie sah aus den Augenwinkeln, wie der Schiffsjunge mit sich rang. Als sie ihn wieder direkt anschaute, mit einem zauberhaften Lächeln auf den Lippen, bemerkte sie, dass er errötet war.

„Madam, ich würde, so glaube ich, fast alles für Sie tun. Dummerweise muss ich hier schrubben. Und wenn Cavesi sieht, dass ich nicht da bin, wo ich sein soll, dann lässt der mich kielholen.“

Smeralda lächelte noch breiter.

„Ich mache dir ein Angebot, Giovanni. Wenn Herr Cavesi tatsächlich bemerken sollte, dass du nicht da bist, wo du sein sollst, dann werde ich ihm persönlich klarmachen, dass es mein Wunsch war, dass du mich durch dieses Schiff führst. Und wenn er nichts bemerkt, dann haben wir beide eine schöne Zeit zusammen gehabt. Was meinst du?“

Giovanni schluckte.

Der letzte Ball

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