Читать книгу Der letzte Ball - Konstantin Josuttis - Страница 22
4.
ОглавлениеAuf dem Weg zur Brücke sah Fischer Annette mit einem der rumänischen Fußballspieler sprechen. Sie war an eine dunkel getäfelte Wand gelehnt und schaute lächelnd und mit glänzenden Augen auf den Mann in seinem dunkelblauen Anzug, der sich zu ihr beugte und ebenfalls lachend etwas in gebrochenem Französisch erklärte. Das wird der Papa nicht mögen, dachte Fischer und erinnerte sich daran, dass Rimet später noch die Mannschaften, die bereits an Bord waren, begrüßen wollte.
Oben auf der Brücke verabschiedete sich dann der Offizier mit militärischem Gruß und Fischer betrat den langgezogenen, hellweißen Raum mit entsprechender Ehrfurcht. In der Mitte, vor der Steuerungseinheit, stand der Kapitän, der ein paar Worte an den Mann richtete, den Fischer vorher im Maschinenraum gesehen hatte. Er wirkte trotz seiner körperlichen Größe kleiner als der Kapitän, als dieser ihm mitfühlend eine Hand auf den Arm legte und tröstende Worte an ihn richtete. „Vielen Dank, Pupo. Trampolini hatte einen echten Freund in dir.“ Dann drehte sich der Angesprochene um und verließ die Brücke auf der anderen Seite, woraufhin sich der Kapitän zu Fischer drehte und ihn mit einem traurigen Lächeln begrüßte.
„Danke, dass Sie gekommen sind, Herr Fischer. Ich weiß das zu schätzen. Vermutlich haben Sie gerade Besseres zu tun, als sich mit mir zu unterhalten.“
Fischer wiegelte ab: „Nein, keineswegs, Herr Kapitän. Wie kann ich Ihnen denn helfen. Ich nehme an, es geht um den … Vorfall?“
„Korrekt. Ich habe soeben mit dem zweiten Maschinisten gesprochen. Offensichtlich ist sein Kollege aus irgendeinem Grunde über die Absperrung gekommen. Ich vermute, dass er etwas reparieren wollte und dabei auf den Bolzen gefallen ist.“
„Was für ein schrecklicher Unfall.“
„Ja, in der Tat. Es ist nur so: Der gute Mann hat jahrzehntelange Erfahrung mit der Maschine. Es scheint unwahrscheinlich, dass er da hineingefallen wäre. Und der gute Pupo, der Mann, den Sie eben noch herauslaufen haben sehen, ist vollkommen überzeugt davon, dass es sich um keinen Unfall gehandelt haben kann.“
Fischer nickte. „Ja, das hat er heute Morgen auch angedeutet. Er brachte nur zwei Worte hervor: ‚Trampolini‘ und ‚Assassinato‘.“
„Sie haben ihn also noch im Maschinenraum gesehen?“
„Ja, richtig.“
„Ich muss das leider fragen, Herr Fischer. In welchem Zustand befand er sich?“
Fischer konnte spüren, dass der Kapitän sich für seine eigene Frage schämte. Er sah den Zwiespalt, in dem der Mann sich befand: Er musste auf der einen Seite für seine Mannschaft da sein, den Matrosen und Arbeitern vertrauen, und auf der anderen Seite die Formalia, die sein Rang mit sich brachte, einhalten.
„Er schien mir sehr aufgewühlt zu sein, Kapitän. Er wirkte fast wahnsinnig.“
Pinceti nickte. „Ja, die beiden haben von Beginn an da unten gewirkt. Sie waren unzertrennlich.“
Fischer nickte und wartete auf die Schlussformel der Unterhaltung, die ihn entlassen würde. Doch Pinceti schien noch etwas anderes zu quälen.
„Herr Fischer, ist Ihnen da unten irgendetwas aufgefallen?“
„Mir? Nein. Ich habe mich mehr oder weniger verlaufen.“
„Gut. Das wäre auch meine nächste Frage gewesen. Wie kam es, dass Sie dort in der Tiefe des Schiffes waren?“
Fischer starrte Pinceti an. Auf einmal wurde ihm klar, dass er selbst verdächtigt wurde, etwas mit dem Unfall zu tun zu haben. Er blickte durch die lange Scheibe der Brücke zum ersten Mal auf das trübe Meer und wusste nun, dass der Kapitän nicht nur als Sprecher seiner Mannschaft fungierte, sondern, angesichts der Tatsache, dass sie sich auf offener See befanden, als ermittelnde Polizeikraft.
„Es tut mir leid, Herr Fischer. Ich möchte nichts andeuten …“, sagte Pinceti, der das Entweichen der Farbe aus Fischers Gesicht richtig deutete.
„Nein. Das ist schon gut. Sie müssen …“, erwiderte Fischer. „Als ich bemerkte, dass das Schiff bald anlegen würde, haben ich mich aus dem Frühstücksraum in mein Zimmer begeben wollen. Das ganze Schiff war in Aufruhr und so habe ich irgendwie die Orientierung verloren.“
„Das geht vielen so“, ermunterte der Kapitän den Befragten.
„Und dann war ich in irgendeinem dunklen Gang und dann hörte ich die Schreie.“
„Schreie?“
„Nun, dieser Mann, Pupo. Er heulte. Er musste gerade erst bemerkt haben, dass sein Kompagnon …“
„Und dann?“
„Dann folgte ich den Schreien. Ich kam auf einen Gang und ging dann durch die schwere Eisentür, die offen stand.“
„Interessant“, bemerkte Pinceti, der nun seinerseits nach vorne auf die See schaute. „Er hat den Tod seines Freundes erst da bemerkt.“
„Wie meinen Sie das?“
Der Kapitän schaute Fischer nun wieder direkt in die Augen. „Als Trampolini auf die Turbine gefallen ist, da muss er noch gekämpft haben. Der Zwischenraum zwischen Wand und Turbine ist nicht so groß, dass man direkt hindurchpasst.“ Fischer versuchte, sich das Szenario nicht vorstellen zu müssen. „Die Schiffsschraube muss also für mindestens einen kurzen Moment gehakt haben.“
Plötzlich ging Fischer ein Licht auf.
„Der Stoß. Gestern Abend. Während der Vorstellung.“ Er musste daran denken, wie Smeraldas Hand ein kleines Stück höher an seiner Hose gerutscht war, als das ganze Schiff einen Ruck gemacht hatte.
Pinceti nickte. „Pupo hat Trampolini seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Daher war er so untröstlich. Er hat den Tod seines Freundes nicht einmal bemerkt.“