Читать книгу Internetlinguistik - Konstanze Marx - Страница 15
1.4.3 Klick ins Feld: Einfach einmal nachfragen?
ОглавлениеOnline-Umfragen sind ein beliebtes Instrument in der empirischen Sozialforschung. Im folgenden Abschnitt soll diskutiert werden, inwieweit sie auch für sprachwissenschaftliche Datenerhebungen nutzbar sind. Nicht jede sprachwissenschaftliche Fragestellung ist dazu geeignet, über einen FragebogenFragebogen geklärt zu werden.
Aufgabe 1-7
Überlegen Sie sich eine geeignete sprachwissenschaftliche Fragestellung, über die ein Internet-Fragebogen Aufschluss geben kann.
Der Gebrauch von Lexemen in spezifischen sprachlichen Umgebungen (Kotexten), regionale sprachliche Differenzen oder Grammatikalitätsurteile lassen sich gut über (Online-)Fragebögen erfassen. Möchte man aber z. B. wissen, welchen Einfluss Texte mit hohem Emotionspotenzial auf die Rezeption haben, ist es schwierig, Proband*innen direkt danach zu fragen. Ebenso wenig kann z. B. direkt erfragt werden, wie Menschen beten (vgl. Marx/Damisch 2013). Sobald persönliche Einstellungen oder emotionale Einflüsse auf Textproduktion und -rezeption im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen, wird die empirische Datenerhebung generell problematisch. Es bedarf einer äußerst geschickten Wahl und Formulierung der Fragen, um sich der Antwort auf solche Forschungsfragen zumindest nähern zu können. In solch diffizilen Fällen, kann der Weg über eine anonyme Online-Befragung möglicherweise fruchtbringend sein. Sogenannte Interview-Effekte werden hier (wie auch bei schriftlichen Befragungen, die nicht online durchgeführt werden) auf ein Minimum reduziert. Die Proband*innen werden nie einer Face-to-Face-Situation ausgesetzt, so dass sie möglicherweise freier agieren, falls sie Antworten bevorzugen, die weder sozialen Normen noch angenommenen Erwartungen entsprechen. Suggestivfragen beherbergen allerdings immer ein Restrisiko für Interview-Effekte auch wenn die Fragen schriftlich präsentiert werden.
Gegenüber herkömmlichen Befragungen haben Online-Fragebögen den Vorteil, dass sie dank der technologischen Bedingungen schnell auszufüllen und zu versenden sind. Damit kann die Teilnahme an der Befragung in die normalen Abläufe der Bildschirmarbeit integriert werden. Befragungen, die beispielsweise per Post verschickt werden, scheitern oftmals an einer verschwindend geringen Rücklaufquote. Einen Fragebogen aus einem Umschlag zu nehmen, ihn zu lesen, auszufüllen, anschließend wieder in einen Umschlag zu packen, eventuell noch zu frankieren und zum Briefkasten zu tragen, sind Schritte, die Proband*innen nur ungern auf sich nehmen. Angekündigte Befragungen, die in einem vereinbarten Rahmen durchgeführt werden, weisen zwar eine höhere Rücklaufquote auf, weil der*die Leiter*in der Befragung den Rücklauf unmittelbar kontrollieren kann, jedoch ergibt sich hier eine Schwierigkeit, die sich auf das Antwortverhalten auswirken kann: Der*die Proband*in kann nicht selbst entscheiden, wann er*sie die Fragen bearbeitet.
Im Online-Verfahren hingegen bestimmen die Teilnehmer*innen einer Studie den Zeitpunkt, an dem sie die Fragen bearbeiten, selbst. Versuchsleiter*innen hegen an diesem Punkt zu Recht die Hoffnung auf eine höhere Motivation und Kooperationsbereitschaft auf der Seite der Teilnehmer*innen. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit geringem Aufwand eine große Anzahl an Personen ungeachtet geographischer Distanzen erreicht werden kann. Das ist z. B. für sprachkontrastive Fragestellungen interessant. Online-Fragebögen können auch mit einer Sprachauswahl-Option ausgestattet werden, so dass der Fragebogen von Sprecher*innen verschiedener Sprachen ausgefüllt werden kann. Vorteilhaft ist auch, dass alle Daten sofort digital vorliegen und in (Statistik-)Programmen weiterverarbeitet werden können. Damit werden Kosten und Zeit gespart.
Aufgabe 1-8
Notieren Sie, welche Nachteile die Methode, Daten über Online-Fragebögen zu erheben, mit sich bringt.
Die Nachteile von Online-Fragebögen liegen vorwiegend darin, dass nicht kontrolliert werden kann, ob eine Person der Zielgruppe den Fragebogen ausfüllt oder möglicherweise jemand, der die Zielgruppenparameter nicht erfüllt, stellvertretend für eine Person agiert. Es kann ebenso wenig kontrolliert werden, ob nur eine Person den Fragebogen ausfüllt oder die Antworten Ergebnis einer gemeinschaftlichen Beratung im Rahmen einer illustren Partygesellschaft sind.
Auch die Zusammensetzung der Stichprobe kann nachteilig sein. So nehmen oftmals Personen teil, die einfach Freude an empirischen Erhebungen haben, oder Personen, die die jeweilige Thematik besonders positiv oder besonders negativ tangiert. Die Menge dieser Personen muss nicht notwendigerweise deckungsgleich mit der Stichprobe sein, die für eine repräsentative Aussage benötigt wird. Diese Gefahr kann dadurch eingegrenzt werden, dass Befragungsbögen per E-Mail verschickt werden. Hierfür müssen einer elektronischen Nachricht an eine statistisch ermittelte Auswahl an Adressat*innen lediglich Textdateien hinzugefügt werden. Dieses Vorgehen birgt wiederum eine andere Gefahr – die unsichere Rücklaufquote, weil Proband*innen eine E-Mail mit dem ausgefüllten Fragebogen zurücksenden müssen und dabei möglicherweise auch fürchten, nicht anonym zu bleiben. Eine Zugangsberechtigung zu einer Cloud, in der die ausgefüllten Fragebögen hinterlegt werden können, könnte ihnen diese Angst nehmen.
Online-Befragungen können auch über interaktive Online-Formulare via Webbrowser bearbeitet werden. Ein Versuch, dabei die Stichprobe zu steuern wäre, per E-Mail eine statistisch ermittelte Auswahl an Adressat*innen auf den entsprechenden Link zum Fragebogen aufmerksam zu machen.
Mit Hilfe der Internetseite https://www.soscisurvey.de/ ist es selbst für Ungeübte sehr einfach, ein solch interaktives Online-Formular zu erstellen.
Solange dieses Angebot nicht für kommerzielle Zwecke genutzt wird, ist es kostenlos. Nutzer*innen müssen sich lediglich registrieren und den einfachen Anweisungen folgen. Wir empfehlen, bei der Anmeldung keine private E-Mail-Adresse (yahoo, gmail etc.), sondern die Uni-E-Mail-Adresse anzugeben. Eine zusätzliche Software ist nicht vonnöten, da die Befragung auf dem Server SoSciSurvey läuft. Weitere kostenlose Anbieter sind zoomerang.com, Questionstar oder Umfrageonline (mit kostenloser Basisversion). Für größere Studien, in deren Rahmen eine Teilnehmer*innen- und Datenverwaltung und kontinuierliche Rückmeldungen über den Verlauf der Erhebung gewünscht sind, bietet sich das kostenpflichtige Angebot von rogator.de an (vgl. Döring 22003: 230).
Es ist wichtig, präzise anzugeben, wie lange die Bearbeitung des Fragebogens maximal dauert. Gerade bei zeitaufwändigeren Befragungen können potenzielle Teilnehmer*innen so den Zeitpunkt, zu dem sie die Fragen beantworten, besser festlegen. Gleichzeitig wird so einem Problem vorgebeugt, das im Zusammenhang mit Online-Befragungen häufiger auftritt: der vorzeitige Abbruch und damit die Nicht-Verwertbarkeit der Daten.