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Vorwort zur ersten Auflage

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Zur EntstehungEines ist wohl sicher: Ohne das Internet hätte dieses Buch nicht entstehen können. Das liegt zum einen daran, dass das Internet die Arbeit an diesem Buch praktisch erst ermöglicht hat. Schließlich sind Berlin und Graz geographisch nicht so günstig gelegen, dass regelmäßige Arbeitsbesprechungen in der einen oder der anderen Stadt eine Option gewesen wären. Das gemeinsame Projekt wuchs und gedieh also parallel in zwei verschiedenen Ländern in Büros etwa zwölf Zug- und zwei Flugstunden voneinander entfernt. Dabei ermöglichten uns die Kommunikationsfunktionen, die uns das WWW – insbesondere das Web 2.0 – bietet, sowohl den Zugriff auf unsere Daten als auch die Illusion, uns über das Manuskript verständigen zu können als säßen wir in einem Büro. Zum anderen liegt es daran, dass es ohne das Internet keine Internetlinguistik gäbe, sondern schlicht Linguistik. Dazu jedoch haben Sie schon eine Menge Lehrbücher gelesen.

Zu den Leser*innenDas Wissen, das Sie aus diesen Büchern haben, wird Ihnen bei der Lektüre dieses Buches helfen, denn wir setzen linguistische Grundkenntnisse voraus. Dieses Buch ist also keine Einführung in die Linguistik, es richtet sich an Studierende, die auf sprachwissenschaftliches Basiswissen zurückgreifen können und Freude daran haben, dieses auf aktuelle sprachliche Phänomene im Internet anzuwenden. Dennoch werden wir nicht komplett auf Ausführungen zum theoretischen Hintergrundwissen verzichten, diese sind im Buch grau unterlegt und mit einem Häkchensymbol markiert (siehe auch die Symbolerklärungen am Ende dieser Einleitung).

Für Lehrende soll es als Inspiration für Seminarkonzeptionen dienen, mit den einzelnen Kapiteln gibt es eine Struktur für Unterrichtseinheiten vor. Zahlreiche Übungsaufgaben dienen sowohl dem Selbststudium (weil sie im Folgetext diskutiert werden) oder können Anregung für das Seminargespräch sein. Wir setzen voraus, dass die grundlegenden Funktionsweisen von Webanwendungen wie E-Mail, Sozialen-Netzwerkseiten oder Blogs bekannt sind.

Zum GegenstandAber was ist das eigentlich, Internetlinguistik? Was unterscheidet diese junge, moderne Disziplin von der Allgemeinen Linguistik, was von der Medienlinguistik? Womit beschäftigt sie sich und welche Forschungsfragen werden hier gestellt?

Beginnen wir doch an dieser Stelle gleich mit einer ersten kleinen Aufgabe: Geben Sie das Lexem Internetlinguistik einfach einmal in eine Internetsuchmaschine ein oder lassen Sie es uns anders formulieren: Googeln Sie es! In dieser Aufforderung steckt bereits ein Beispiel dafür, was im allgemeinen Verständnis mit Internetlinguistik assoziiert wird: Die Untersuchung einer sogenannten „Internetsprache“, googeln als eingedeutschtes Verb wäre entsprechend typisch dafür. In Kapitel 3 lüften wir allerdings ein offenes Geheimnis, wenn wir zeigen, dass es gar nicht die Internetsprache (oder auch netspeak oder Internetslang) gibt. Es gibt sie ebensowenig wie eine Mediensprache.

Nun, haben Sie gegoogelt? Wie sieht das Ergebnis aus? Sicherlich wurde Ihnen die Ankündigung zu diesem Buch angezeigt. Sie sind auch auf eine Tagung in Budapest gestoßen, in deren Rahmen wir einen gleichnamigen Workshop angeboten haben. Vielleicht finden Sie auch einen Hinweis auf ein Seminar, das in diesem Wintersemester an der TU Berlin stattfindet und von dessen Diskussionen dieses Buch hier profitiert. An dieser Stelle also schon der herzliche Dank an alle engagierten Seminarteilnehmer*innen.

Aber zurück zu Ihrer Suche: Eventuell sind Sie auf die „Gesellschaft für Interlinguistik e.V.“ gestoßen, ein Verein, der sich die Förderung von Plansprachen zur Aufgabe gemacht hat. Dieses Suchergebnis zeigt nur, dass selbst Google auf Nebenschauplätze ausweichen muss. Eine untergeordnete Rolle für uns spielt übrigens, wie sich die Forschungsdisziplin Linguistik im Internet präsentiert (vgl. dazu bitte Cölfen/Cölfen/Schmitz 1997).

Stattdessen steht die Sprachverwendung im Internet im Mittelpunkt dieses Lehr- und Arbeitsbuches. Internet verwenden wir hier so wie in der einschlägigen Forschungsliteratur (siehe Runkehl/Schlobinski/Siever 1998: 3) üblich, sehr weit, und meinen damit alle durch das Internet verfügbaren Internetdienste (E-Mail, WWW u. a.). Die Termini Web, WWW oder Netz verwenden wir demzufolge ebenfalls synonym.

Als Aufgabe der Internetlinguistik betrachten wir die Untersuchung der Sprachverwendung in Abhängigkeit von der spezifischen Online-Umgebung. Welche wechselseitigen Einflüsse können wir feststellen? Wie gestaltet sich die Kommunikation über die verschiedenen Internetdienste? Was ist charakteristisch wofür? Wie müssen wir die bereits existierenden linguistischen Ansätze anpassen oder erweitern, um den neuen Kommunikationsraum theoretisch adäquat beschreiben zu können?

Wir befinden uns damit mitten in der Angewandten Linguistik und können folgerichtig nicht nur genuin sprachwissenschaftlich vorgehen, sondern greifen sinnvollerweise sowohl methodisch als auch theoretisch auf Nachbardisziplinen wie die Kommunikations- und Medienwissenschaft, die Psychologie und die Soziologie zurück. Damit werden die Bausteine, die in der modernen Linguistik verwendet werden, in einer anderen Umgebung neu zusammengesetzt und mit weiteren Bausteinen interdisziplinär ergänzt, um ein modernes und stabiles Gebäude zu errichten.

Die Internetlinguistik beschäftigt sich mit der Sprachverwendung im Internet und damit mit einem spezifischen kommunikativen Kontext, dessen Charakteristika in alle Analysen einfließen. Bei der Internetlinguistik handelt es sich um eine Schnittstellendisziplin, die – wie für die Angewandte Linguistik typisch – neben linguistischen Zugängen, kommunikations- und medienwissenschaftliche Methoden kombiniert und durchaus auch sozio- und psychologische Fragestellungen motiviert.

Es ist unser Anliegen, eine Anleitung dafür vorzulegen, wie die isolierte Beobachtung sprachlicher Phänomene im Internet überwunden werden kann. Die Sprachverwendung im Internet ist nicht nur ein auf allen sprachwissenschaftlichen Beschreibungsebenen hochinteressanter Forschungsgegenstand, sondern auch über den Tellerrand der Linguistik hinaus.

Das haben viele andere vor uns bemerkt. Seit etwa 15 Jahren gibt es eine rege sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Themen wie Sprache und Kommunikation im Netz (Runkehl/Schlobinski/Siever 1998, Siever/Schlobinski/Runkehl 2005, Haase et al. 1997, Baron 2008a,b), Netzsprache (Crystal 22006, 2011, Rosenbaum 1996), Mündlichkeit/Schriftlichkeit (Dürscheid 2003, 52016, Storrer 2001a,b, Thaler 2003), Chat-Kommunikation (Beißwenger 2002, 2007, 2009, 2010a,b, 2013a,b, in press), syntaktischen Innovationen (Albert 2011, 2013), Bedeutungswandel (Dürscheid/Brommer 2013) oder den Charakteristika von Hypertexten (Storrer 2004, Jakobs/Lehnen 2005, Beißwenger/Storrer 2010, Jakobs 2011). Androutsopoulos (2003a,b) hat sich mit soziolinguistischen Aspekten auseinandergesetzt, Thimm (2000) hat eine Sammlung von Texten zur Sozialität im Netz veröffentlicht. Döring (22003) definiert eine Sozialpsychologie des Internets als Forschungsgegenstand. Jakobs/Lehnen (2006, Jakobs 2013) befassen sich mit Fragen der Usability. Bei Dang-Anh/Einspänner/Thimm (2013), Siever (2001, 2006) oder Moraldo (2009) finden wir Untersuchungen zu spezifischen Kommunikationsformen wie Twitter. Es gibt Forschung zu Diskursen im Netz (Frass/Meier/Pentzold 2013, Thurlow/Mroczek 2011), zur Online-Liebe (Döring 2002, 2003, Ze’ev 2004, Marx 2012a,b) und sprachlichen Online-Gewalt (Fawzi 2009, 22015, Gradinger 2010, Katzer/Fetchenhauer/Belschak 2009, Marx 2012a, 2013a,b, Schwarz-Friesel 2013), zur digitalen (Un-)Ordnung (Runkehl 2013), zum Online-Verhalten der verschiedenen Generationen (Feufel/Stahl/Lee 2013, Ziefle/Jakobs 2013), zu Politikerauftritten im Netz (Weidacher 2007), zu kreativen Versuchen, Filter zu umgehen (Eliaz/Rozinger 2013), zu Identitätskonstruktionen (Gallery 2000, Götzke 2002, Döring 2000b, Thimm/Ehmer 2000), zur Theologie der Social Media (Ernst/Costanza 2012) oder zu ins Internet verlegten sozialen Ritualen, wie z. B. die Trauer (Jakobs/Ziefle 2010). Ein ganzes DFG-Forschungsnetzwerk, Empirikom, wurde gegründet, um empirische Methoden in der sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Internetforschung zu diskutieren (Beißwenger 2012).

Wir könnten diese Aufzählung noch einige Seiten fortführen, die Publikationen zu allen nur vorstellbaren Facetten des Internets sind schier unüberblickbar. Das Internet erscheint wie eine Inspirationsquelle, die in absehbarer Zeit nicht versiegt. Wer von dieser Quelle trinken möchte, stellt schnell fest, dass das gar nicht so einfach ist, weil sie stark sprudelt und einen (Daten- oder auch Informations-)Strom speist, der Wellen schlägt, auf denen das Surfen durchaus eine Herausforderung darstellt. Wir haben uns mitreißen lassen von dieser Fülle an hochinteressanten Themen und Forschungsergebnissen. Um noch ein wenig im Bild zu bleiben: Es hat uns harte Ruderarbeit gekostet, schließlich am Ufer der Internetlinguistik anlegen zu können und zwar mit mehr Gepäck als zum Zeitpunkt unseres Aufbruchs. Einiges wurde zu Treibgut und das bedauern wir. Die Dinge aber, die wir retten konnten, weil sie oben schwammen oder wir schnell genug zugegriffen haben, haben wir sorgfältig aufbereitet. Dazu mussten wir sie manchmal auch miteinander verbinden, um sie wiederherstellen zu können. Ihren Eigentümer*innen danken wir. Es gab natürlich auch Dinge, die wir ersetzen mussten oder die komplett neu hinzukamen, weil sich während unseres Surfabenteuers die Notwendigkeit dazu ergab. Nun ist dieses Abenteuer vorerst bestanden und Sie halten mit diesem Buch unsere kompakte Reisedokumentation in den Händen. Natürlich müssen wir uns auch fragen (lassen), warum wir die Dokumentation im Zeitalter des Internets überhaupt noch in eine Buchform gebracht haben. Ganz einfach, wir wollten anderen die Strapazen unserer Reise ersparen, sie sollen einen Aktiv-Urlaub antreten können – angeleitet von einem handlichen Reiseführer. Zudem, da geben wir uns konservativ, sind wir Anhänger*innen des guten alten Leseprozesses. Wir glauben, dass er Wunder bewirken kann, die auch positive Effekte auf alle prozeduralen Fähigkeiten unseres Gehirns haben. Im Umkehrschluss beobachteten wir im Selbstversuch und auch bei unseren Studierenden negative Auswirkungen auf die Gedächtnisleistungen oder die Konzentrationsfähigkeit beim staccatohaften Suchen nach Stichworten, wie es für die Onlinerezeption üblich ist, siehe dazu auch den sehr anschaulichen Erklärungsversuch von Nicholas Carr (2010a,b).

Zur HandhabungJedes der folgenden Kapitel ist mit drei Leitfragen überschrieben, die die jeweilige Thematik des Kapitels aufgreifen. Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie den „Speicherinhalt“, der einer Zusammenfassung der wesentlichen Punkte entspricht, und zusätzliche Übungsfragen. Aus didaktischen Gründen wird der Text innerhalb der Kapitel mehrfach von Aufgaben oder gerahmten Informationen unterbrochen. Eine Erläuterung der Symbole finden Sie unten stehend. Die einzelnen Kapitel dieses Buches bauen zwar aufeinander auf, bilden aber jedes für sich so geschlossene Einheiten, dass sie in selbst gewählter Reihenfolge gelesen werden können.

Aufgabe, für die die Lösung im Anschlusstext gegeben wird. Für den optimalen Lerneffekt empfehlen wir dringend im Leseprozess innezuhalten und die Lösung für diese Aufgabe zunächst selbst herauszufinden. Fertigen Sie dazu Stichpunkte an.

Denkanregung. Für diese Aufgaben geben wir keine Lösung vor, sie dienen als Anregung für die gründliche und auch kreative Reflexion und können sehr gut im Anschluss an die Rezeption eines Kapitels gelöst werden. Sie sollen zu einem tieferen Verständnis der diskutierten Themen beitragen.

Formulierungsvorschlag. Im Kapitel 1 werden Vorschläge dazu unterbreitet, wie Textbausteine formuliert werden können, die für internetlinguistische studentische Arbeiten obligatorisch sind.

Zusatzinformation. Diese Kästen enthalten Informationen, die uns im entsprechenden Zusammenhang als interessant erschienen und Inspiration zum Weiterdenken sein können.

Theoretisches Hintergrundwissen. Die Informationen in den grauen Kästen beziehen sich auf linguistisches Vorwissen, das Ihnen in den Grundkursen Ihres Studiums vermittelt wurde. Es soll vorkommen, dass dieses im Laufe des Studiums wieder verdrängt wird, die grauen Boxen helfen Ihnen bei der Rekapitulation. In diesen grauen Kästen finden Sie auch Definitionen von anderen zentralen Begrifflichkeiten.

Zitat. Längere wörtliche Zitate sind ebenfalls gerahmt.

Weiterführende Literatur. Mit den Leseempfehlungen wollen wir Sie ermuntern, Ihr theoretisches Wissen zu vertiefen und ein Gespür für Kontroversen in der Forschungsdiskussion zu bekommen. In dieser als Lehr- und Arbeitsbuch konzipierten Einführung können wir diese nämlich nicht aufgreifen.

Internetadressen. Das kleine Maus-Icon am Rand kennzeichnet Verweise auf Internetadressen.

Wie in der Linguistik üblich und deshalb nicht noch einmal anhand von Symbolen erläutert, kennzeichnen einem Satz vorangestellte Fragezeichen eine zumeist semantische Markiertheit. Konzeptualisierungen sind mit Kapitälchen hervorgehoben, Großbuchstaben markieren Ergebnisse von Schlussfolgerungsprozessen.

Sie werden in diesem Buch eine Vielzahl von authentischen sprachlichen Beispielen finden, zur Kennzeichnung der Quelle im Fließtext haben wir auf Kurzzitate zurückgegriffen, d. h. dass auch die Internetadressen nur verkürzt angegeben wurden. Im Anhang dieses Buches finden Sie ein Quellenverzeichnis für die in der Arbeit verwendeten sprachlichen Belege, sofern sie nicht aus zugangsbeschränkten (privaten) Profilseiten stammen. Diese Quellenangaben sind jeweils der Beispielnummer zugeordnet, unter der sie im Fließtext erscheinen. Aus Datenschutzgründen sind bei Daten aus privaten Profilseiten alle Urheber*innen anonymisiert. Wenn innerhalb von sprachlichen Belegen Klarnamen (Vor- und Zunamen) auftauchten, die nicht veröffentlicht werden dürfen, wurden diese durch XYZ ersetzt.

Zur Illustration einiger weniger Annahmen wurden auch Beispiele konstruiert, diese sind dann daran zu erkennen, dass keine Quelle angegeben ist oder in der Quellenangabe darauf verwiesen wird, dass es sich um ein zu Veranschaulichungszwecken modifiziertes Beispiel handelt. Phänomene wie orthographische oder grammatische Fehler oder außergewöhnliche Schreibweisen treten so häufig auf, dass die Leserlichkeit gestört worden wäre, hätten wir sie jedes Mal mit einem [sic!] gekennzeichnet.

Unser DankWir danken Tillman Bub, Karin Burger, Bernd Villhauer und Celestina Filbrandt vom Narr-Verlag nicht nur für die vertrauensvolle, äußerst angenehme und vor allem konstruktive Zusammenarbeit, sondern auch für ihre Aufgeschlossenheit, ihre Geduld und Flexibilität.

Unsere Studierenden Toivo Glatz, Jonas Nölle, Isabella Knapp, Gerrit Kotzur, Julia Schirnhofer, Carina Stöckler und Alexander Zahrer gaben uns hilfreiche Rückmeldungen und stellten ihre Argusaugen zur Verfügung, ein großes Dankeschön dafür.

Unseren beiden wunderbaren Chefs, Monika Schwarz-Friesel und Paul R. Portmann-Tselikas, danken wir ebenso für die moralische und inhaltlich sehr wertvolle Unterstützung wie Thomas Wischnowski und Hildegard Weidacher-Gruber. Unseren Familien und Freunden können wir ohnehin gar nicht genug danken. Sie mussten über Monate zwei im kreativen Schreibprozess Befindliche ertragen. Obgleich sich noch Stoff für eine Fortsetzung auf unseren Schreibtischen stapelt, bleibt dieses Weihnachten der Rechner aus. Versprochen.

Berlin und Graz, im November 2013 Konstanze Marx, Georg Weidacher

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