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Zusammenhängenden Wohnsitzen abhold Im Gespräch mit Tacitus

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Ihre Beschreibung meiner Vorfahren, Herr Tacitus, ist berühmt, berüchtigt, eindrucksvoll und tendenziös. Eine generelle Charakteristik der Germanen vielleicht vorab?!

Tacitus: Die Germanen möchte ich für die ureingeborenen Bewohner dieses Landes halten, für ein Volk, das sich wohl kaum mit später zugezogenen Fremdenrassen versippt hat … Daher auch ein und derselbe Körperschlag durch diese ganze, doch so zahlreiche Menschenmasse: das blaue, trotzige Auge, das rotblonde Haar, der gewaltige Wuchs. Eine Kraft allerdings nur zum stürmenden Angriff geschaffen; der anhaltenden Anstrengung, der Arbeit ist sie nicht in gleichem Maße gewachsen.

Ein Wort zum Land und was die Germanen daraus machen?

Tacitus: Das Land bietet im Einzelnen verschiedene Gestaltungen, aber der allgemeine Charakter ist schauriger Urwald und düsterer Moorgrund … Der Boden ziemlich ergiebig. Obstbäume gedeihen nicht. Das Land ist reich an Vieh, dieses aber meist von kleinem Schlag. Selbst dem Hornvieh fehlt das gewohnte stattliche Wesen und der Stolz des Hauptes. Eine zahlreiche Herde – das ist die Freude des Germanen, das Vieh sein einziger und geliebtester Reichtum.

Was wissen wir denn über die »behausten« Germanen zu Ihrer Zeit?

Tacitus: Dass die Völker germanischen Stammes keine Städte haben, ja, überhaupt zusammenhängenden Wohnsitzen abhold sind, ist allbekannt.

Was lässt sich über die Wohn-Gewohnheiten meiner Vorfahren sagen?

Tacitus: Jeder wohnt für sich und von den Nachbarn entfernt, wie gerade ein Quell, ein Feld, ein Gehölz zur Siedlung ladet. Der germanische Weiler bildet nicht die geschlossenen Häuserreihen des römischen Dorfes; jeder stellt sein Haus nach allen Seiten frei, vielleicht zum Schutz gegen Feuersgefahr, vielleicht weil man es überhaupt nicht besser versteht.

Mit welchen Materialien und wie wird denn gebaut?

Tacitus: Steinbau und Ziegeldach sind unbekannt; alles ist von Holz, plump und ohne Rücksicht auf Auge und Schönheit. Nur werden einzelne Teile des Baus mit einer feinen glänzenden Lehm­art übertüncht und erinnern so einigermaßen an Malerei und Farbenornamentik.

Mit den »Kellern« der Behausungen hat es eine besondere Bewandtnis?!

Tacitus: Unterirdische Höhlen graben sie sich, belasten die Wölbung noch mit einer dichten Dungschicht und schaffen sich so eine Zuflucht für den Winter und einen Bergungsort für Lebensmittel. Ein solcher Bau macht die Strenge der Winterkälte erträglicher.

Die germanische Wirtschaft kommt völlig ohne Geldmittel aus …?

Tacitus: Geldgeschäft und Wucherzins sind unbekannte Dinge und darum gewissenhafter gemieden, als wenn sie gesetzlich verboten wären.

Die Allmende gehörte zu den germanischen Selbstverständlichkeiten?!

Tacitus: Die Feldmarkung, je nach der Anzahl der Bebauer größer oder kleiner, gehört der ganzen Gemeinde als Gesamtbesitz, und diese verteilt die Grundstücke unter ihre Mitglieder nach Maßgabe des Ranges.

Und auch mit dem Ackerbau hatte es eine besondere Bewandtnis …

Tacitus: In den Wettkampf mit der Ertragfähigkeit und Ausdehnung des Bodens seine Arbeit einzusetzen, Obstpflanzungen anzulegen, Wiesland auszuscheiden, einen Garten zu bewässern, versteht der Germane nicht; nur seine Aussaat an Getreide soll ihm die Erde leisten.

Herr Tacitus, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Publius Cornelius Tacitus, geboren um 58 n. Chr., gestorben um 120, war ein bedeutender römischer Historiker und Senator. Zu seinen bedeutendsten Schriften gehört »De origine et situ Germanorum liber« über Geografie und Kultur der Germanen, seinen Landsleuten nicht zuletzt als Gegenbild der eigenen korrupten und dekadenten Gesellschaft vor Augen gehalten.

Der behauste Mensch

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