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Von der Erde Ökonomie lernen Im Gespräch mit Novalis

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Herr Novalis, Ihre Idee vom Menschen hat nicht zuletzt die Anthro­posophie immer wieder aufs Neue inspiriert. Was ist Ihre Idee vom Menschen?

Novalis: Der Mensch hat gleichsam gewisse Zonen des Körpers. Sein Leib ist die nächste, was ihn zunächst umgibt die zweite, seine Stadt und Provinz die dritte; so geht’s fort bis zur Sonne und ihrem System. Die innigste Zone ist gleichsam das Ich, und diesem steht, als der höchsten Abstraktion, Kontraktion – die höchste Reflektion, Expansion, die Welt entgegen. So der Punkt dem atmosphärischen Raum.

Und der Mensch als Teil der Natur steht wiederum unter deren Gesetzen.

Novalis: Die Natur ist Feindin ewiger Besitzungen. Sie zerstört nach festen Gesetzen alle Zeichen des Eigentums, vertilgt alle Merkmale der Formation. Allen Geschlechtern gehört die Erde; jeder hat Anspruch auf alles. Die Frühern dürfen diesem Primogeniturzufalle keinen Vorzug verdanken. – Das Eigentumsrecht erlischt zu bestimmten Zeiten. Die Amelioration und Deterioration steht unter unabänderlichen Bedingungen. Wenn aber der Körper ein Eigentum ist, wodurch ich nur die Rechte eines aktiven Erdenbürgers erwerbe, so kann ich durch den Verlust dieses Eigentums nicht mich selbst einbüßen.

Die Toten leben ewig in unserer irdischen Behausung? Sie gehören zu unserem Behaustsein dazu?

Novalis: Der Mensch lebt, wirkt nur in der Idee fort, durch die Erinnerung an sein Dasein. Vor der Hand gibt’s kein anderes Mittel der Geisterwirkungen auf dieser Welt. Daher ist es Pflicht, an die Verstorbenen zu denken. Es ist der einzige Weg, in Gemeinschaft mit ihnen zu bleiben.

Unser irdisches Behaustsein ist mit vielerlei Risiken konfrontiert?

Novalis: Mächtige Überschwemmungen, Veränderungen der Klimate, Schwankungen des Schwerpunkts, allgemeine Tendenz zum Zerfließen, sonderbare Meteore sind die Symptome dieser heftigen Inzitation, deren Folge den Inhalt eines neuen Weltalters ausmachen wird. So nötig es vielleicht ist, dass in gewissen Perioden alles in Fluss gebracht wird, um neue, notwendige Mischungen hervorzubringen, und eine neue, reinere Kristallisation zu veranlassen, so unentbehrlich ist es jedoch ebenfalls, diese Krisis zu mildern und die totale Zerfließung zu behindern, damit ein Stock übrig bleibe, ein Kern, an den die neue Masse anschieße und in neuen schönen Formen sich um ihn her bilde. Das Feste ziehe sich also immer fester zusammen, damit der überflüssige Wärmestoff vermindert werde, und man spare kein Mittel, um das Zerweichen der Knochen, das Zerlaufen der typischen Faser zu verhindern.

Ein Wort zum Haushalt?!

Novalis: Der Hof ist eigentlich das große Muster einer Haushaltung. Nach ihm bilden sich die großen Haushaltungen des Staats, nach diesen die kleinern, und so herunter. Wie mächtig könnte nicht eine Hofreform wirken! Der König soll nicht frugal, wie ein Landmann oder ein begüterter Privatmann sein; aber es gibt auch eine königliche Frugalität, und diese scheint der König zu kennen. Der Hof soll das klassische Privatleben im Großen sein.

Welche Rolle billigen Sie der Frau zu?

Novalis: Die Hausfrau ist die Feder des Hauswesens. So die Königin die Feder des Hofs. Der Mann fourniert, die Frau ordnet und richtet ein. Ein frivoles Hauswesen ist meistenteils die Schuld der Frau. Dass die Königin durchaus antifrivol ist, weiß jedermann. Daher begreife ich nicht, wie sie das Hofleben, wie es ist, ertragen kann. Auch ihrem Geschmack, der so innig eins mit ihrem Herzen ist, muss die fade Monotonie desselben unerträglich auffallen.

Krankheiten haben Ihrer Überzeugung zufolge heilsame Wirkungen?

Novalis: Krankheiten sind gewiss ein höchst wichtiger Gegenstand der Menschheit, da ihrer so unzählige sind und jeder Mensch so viel mit ihnen zu kämpfen hat. Noch kennen wir nur sehr unvollkommen die Kunst, sie zu benutzen. Wahrscheinlich sind sie der interessanteste Reiz und Stoff unsers Nachdenkens und unserer Tätigkeit. Hier lassen sich gewiss unendliche Früchte ernten, besonders, wie mich dünkt, im intellektuellen Felde, im Gebiete der Moral, Religion und Gott weiß in welchem wunderbaren Gebiete noch.

Ihr Blick auf das große Ganze der Schöpfung scheint ökologisch geprägt?!

Novalis: Man muss die ganze Erde wie ein Gut betrachten und von ihr Ökonomie lernen.

Ich danke für das Gespräch.

Novalis, geboren am 2. Mai 1772 auf Schloss Oberwiederstedt, gestorben am 25. März 1801 in Weißenfels, eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, war ein deutscher Schriftsteller der Frühromantik und Philosoph. Seinem Roman »Heinrich von Ofterdingen« entstammt die blaue Blume, Sinnbild schlechthin der Romantik.

Der behauste Mensch

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