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— Eltern

Durch meine Mutter und als Jüngster der Familie war ich wahrscheinlich allzu sehr behütet. Man sagte mir, dass ich überaus pflegeleicht war und dass ich stundenlang allein spielen konnte. Ich war eher abgesondert von gleichaltrigen Kameraden. In meiner Kindheit erlebte ich meine Mutter als recht kränklich. Sie musste diverse Kur-Aufenthalte und Operationen über sich ergehen lassen. Aber sie ist fast 101 Jahre alt geworden.

„Wer jung jammert kann alt meckern“, sagte Vater manchmal in seinem Dialekt.

Ihre gesundheitlichen Schwierigkeiten erschienen mir während meiner Jugend als grosse Bedrohung, denn sie war für mich die hauptsächliche Person im Austausch von Zuneigung. Ich sah Mutter oft beten, ziemlich unbequem auf der Eckbank kniend und mit dem Gesicht zur Wand. Dies und die damals herrschende Auffassung: „Opfer bringen Spiritualität“ sowie der individualistische Katechismus prägten meine Einstellung, dass die Beziehung zu Gott etwas eher Schwieriges sei. Im Übrigen wurde in der Familie nie über Religion gesprochen, so klar war es, einfach alles mitzumachen, was in der Kirche verkündet wurde.

Meine Beziehung zu meinem Vater wurde erst während meines zweiten Studiums vertieft und während der Urlaube in der Heimat. Er, Kind armer Leute, musste mit 15, obschon sehr intelligent, in einer Schuhfabrik arbeiten. Seine Mutter soll ihm beim Frühstück immer etwas Geschriebenes neben die Tasse gelegt haben und sei es eine bedruckte Nahrungsmitteltüte. Sie fand, dass sich der Horizont eines Menschen mit jedem Lesen erweitert. Weil er selbst nach der obligatorischen Schule in die Fabrik musste, nahm sich mein Vater vor, dass alle seine Kinder eine optimale Ausbildung erhalten sollten.

Als ich geboren wurde, war er 42 Jahre alt, und ich war wahrscheinlich nicht mehr im Zentrum seines Interesses. Er wurde eher von seiner Sammlung von Mollusken-Schalen gefesselt, über die er, inzwischen Abteilungsleiter, mit Professoren im Ausland korrespondierte. Er arbeitete genau 50 Jahre in derselben Fabrik. Als er um die 60 war, wurde ein „preussischer“ Direktor eingestellt, um die Fabrik auf Vordermann zu bringen. Mein Vater war richtig gestresst. An einigen Wochenenden musste er Karteikarten nach Hause nehmen und arbeiten, anstatt die Natur, seinen Garten oder die Schnecken-Schalen geniessen zu können. Das machte mich damals sehr betroffen, es war das erste Mal, dass ich ein Unternehmen als Bedrohung empfand.

Ich glaube, dass mein Vater alle Pflanzen auf unserem Gemeinde-Gebiet, mit deutschen und lateinischen Namen kannte. Noch mit achtzig Jahren wollte er darüber ein Buch schreiben, hatte aber nicht mehr die Kraft dazu. Während meiner Jugend war er involviert in der Schulkommission und im katholischen Arbeiterverein. In seiner Jugend gehörte er der Musikgesellschaft und dem Radlerverein an. Er war Aktuar der Kommission für eine Güterzusammenlegung. Ich machte viele Spaziergänge mit ihm, und er hat entscheidend mitgeholfen, dass ich die Natur lieben lernte. Aber eben, über persönliche Probleme oder Fragen sprach man damals nicht.

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