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— Überfordert

Natürlich wurden wir, wie es der Brauch so wollte, bis zum Gehtnichtmehr auch körperlich überfordert. Zum Beispiel wurden wir im Januar 1963 zum Dreschen abkommandiert. Die Aussentemperatur war unter minus zehn Grad. Oder vielleicht waren es unter zwanzig Grad, ich weiss es nicht mehr. Es war ein Winter, in dem grosse Seen gefroren. Beim Dreschen hatte ich die Aufgabe, die Spreu in der Nachbarschaft des sie ausspeienden Rohres durch ständiges Marschieren festzutreten. Deine Freunde können sich den Staub kaum vorstellen. Positiv war, dass wir in einem vom Novizenmeister vorgeheizten Raum Zwischenmahlzeiten einnehmen konnten, negativ, dass wir während der Arbeit noch Gebete verrichten sollten und jeden Abend mit Fieber in die Betten fielen. Dass meine Kameraden elegantere Aufgaben hatten, bemerkte ich, aber ich empfand keinen Neid. Unser Selbstbewusstsein wurde ja nicht unbedingt gefördert.

Während der etwa vier Wintermonate war es an den Novizen, die Kapelle am Morgen vor den morgendlichen „Übungen“ vorzuheizen. Dazu mussten wir um halb vier Uhr morgens aufstehen – die eifrigsten standen um drei Uhr auf –, um mit Holzrinden die Fehlkonstruktion eines Ofens zu befeuern. Denn nach zwei Stunden unangenehmer Beschäftigung waren die Minus-Temperaturen lediglich auf fünf, sechs Grad angestiegen. Unangenehm war die Arbeit, weil es vorne heiss und hinten kalt war, viel Zeit zum Umdrehen hatten wir nicht, da ständig Rinden nachgefüllt werden mussten. Der Novizenmeister erwartete von uns – und ich tat es selbstverständlich – dass wir während dieser Zeit noch unsere Ordensregel auswendig lernten.

Die Novizen mussten im Winter den Ofen im Speisesaal heizen. Das für mich antike Modell funktionierte mit Sägemehl. Zuerst musste man eine Art Fass mit einem runden Loch im Boden mit dem Sägemehl füllen. Dazu benutzte man einen runden Holzbalken in der Mitte, der verhinderte, dass das Brennmittel auslief, mit einem andern Holz stopfte man es ganz fest. Dann zog man den runden Holzbalken vorsichtig heraus, schloss das Fass mit einem Deckel und zündete das Sägemehl mit Zeitungen vom unteren Loch her an. Der Ofen verursachte eine grosse Hitze, allerdings brannte er ziemlich rasch aus. Die Beschäftigung damit bescherte mir den ganzen Winter hindurch offene Hände.

Die Ausbildung, die wir im Noviziat erhielten, war recht bescheiden; wir verbrachten mehr Zeit mit körperlichen Arbeiten auf dem dazu gehörenden Bauernhof. Die Erklärung unserer Ordensregel ist mir in Erinnerung geblieben sowie der „Weg zur Vollkommenheit“, nach den Schriften unseres Ordensgründers. Dabei war mir überhaupt nicht klar, welchen Einfluss die Geschichte auf die Entwicklung der Sprache hat. Ich nahm jedenfalls alles zu wörtlich und eigentlich wurden wir so trainiert. Die Zirkulare des „Guten Vaters“ faszinierten mich, waren sie doch ein geschickter Mix aus Psychologie, Zeitfragen und Spiritualität.

„Guter Vater“ war die Anrede unsern Generalobern dazumal. Das ist natürlich so schrecklich wie „Heiliger Vater“, doch das habe ich damals nicht realisiert.

Wir lernten die Geschichte unseres Ordens und das Leben des Gründers kennen. Jeden Tag mussten wir, in einem besonderen Heft, einen Bericht über die Betrachtung schreiben.

In dem Bericht mussten wir über die Gedanken Rechenschaft ablegen, die wir nebst den Zerstreuungen bei unserer persönlichen Betrachtung hatten. Diese Hefte wurden vom Novizenmeister im Laufe des Tages mit rotem Stift schriftlich kommentiert. Eine Hausaufgabe über das persönliche Gebet!

Die wöchentliche Beichte am Dienstag- oder Mittwochmorgen war ein Horror für mich. Wenn ich das Tuckern des Kleinstwagen hörte, aus dem der schwergewichtige und gutmütige Beichtvater steigen sollte, krampfte sich mein Magen zusammen. Ich habe schon erwähnt, dass ich Skrupulant war. Wieder war meine grösste Sorge, bei der Beichte nichts „Wichtiges“ zu vergessen. Meine grösste Sünde war meiner Meinung nach die „Unmässigkeit“ bei unseren bescheidenen Bauernmahlzeiten. Dazu war ich sehr mager, wie Du auf einem Foto gesehen hast. Auf ein Bekenntnis im Sinne Jesu machte uns niemand aufmerksam. Wir blieben strikt bei den Beichtspiegeln der Rkk.

Natürlich wurden uns alle Briefe, die wir erhielten, geöffnet übergeben. Von den täglichen Informationen wurden wir weitmöglichst abgeschottet. Die Tageszeitungen lasen wir – in A6-Stücke geschnitten – einige Wochen später auf der Toilette. Mit einigem Glück konnten wir sogar die Fortsetzung eines Artikels finden. So hatten wir sehr bruchstückhafte Informationen. Schlimm war, dass ich in diesem Jahr auf die Berge und auf das Klettern verzichten musste, aber durch die einzuübende Opfertmentalität überstand ich selbst das.

der verstellte Ursprung

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