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Оглавление1.2. der Eintritt in einen Orden
Liebe Carole,
Bei der mündlichen Prüfung in Darstellender Geometrie, im Rahmen der Reifeprüfung mathematischer Richtung, fragte mich der Experte, was ich so zu studieren gedenke. Da ich nicht wusste, ob sich der Uni-Professor etwas unter einem Noviziat vorstellen konnte, antwortete ich, dass ich Theologie studieren würde. „Das ist aber schade. Sie sollten Mathematik studieren“, meinte er. Dass er prophetisch redete, konnte er nicht wissen. Damals stand für mich erst einmal fest, dass ich ins Noviziat eintreten würde. Der Provinzial hatte mir vorgeschlagen, dass ich nach dem Noviziat zwei Jahre Englisch studieren sollte. Anschliessend würde ich, gemäss meinem Wunsch, vorerst für zwei Jahre, in die Mission an eine Mittelschule gesandt werden und sodann das Priesterseminar beginnen. Die Aussicht auf ein Englischstudium begeisterte mich gar nicht, schon in der Mittelschule hatte ich nicht viel Freude an Sprachen. Aber ich wollte mich einfach „Gott“ überlassen und keinen Wunsch anbringen, ausser jenem, als Priester in die Mission zu gehen.
Nach der Reifeprüfung machte ich mit meiner Schwester, meinem nächstälteren Bruder und seiner Familie eine wunderschöne Wanderung durch die Dolomiten. Die Berge und der Grappa in den Hütten, eine gute Erinnerung!
Am 30. Oktober 1962 war es soweit, ich machte mich auf den Weg ins Noviziat. Meine Schwester begleitete mich bis zum Zug in der grossen Stadt, es war das erste Mal, dass ich allein eine lange Reise ins Ausland unternahm. Als Reiselektüre kaufte ich mir eine satirische Wochenzeitschrift und dachte, damit meinen letzten „weltlichen“ Lesestoff in den Händen zu halten. Von jenem Tag an sollte es für mich nur noch Gott geben! Es wurde Nacht, als der Zug immer weiter in die Tiefe des fremden Landes fuhr. Wenn ich aus dem Fenster schaute, war meist alles schwarz. Eine so karge öffentliche Beleuchtung hatte ich nicht erwartet. Mein Mut sank zusehends und meine Lektüre beschäftigte mich ohnehin nicht lange. Einen Aufsteller erlebte ich, als mir ein netter junger Ordensmann in der grossen fremden Stadt beim Umsteigen half. Wenig später sah ich in die Nacht hinaus, um aus den Linien am Horizont eventuelle Berge zu erahnen. Was natürlich bedeutet, dass Geographie nicht meine Stärke war! An meiner Endstation wurde ich vom Novizenmeister abgeholt, später in ein Zimmer eines grossen dunklen Gebäudes geleitet mit dem Entgegenkommen, dass ich am folgenden Tag ausschlafen könne. Geschlafen habe ich nicht gut.
Anderntags traf ich auf sechs Mitnovizen, zwei aus meiner Heimat und vier aus anderen Ländern. Sie hatten das Noviziat bereits zwei Monate vor mir begonnen. Der Novizenmeister gebot einem Landsmann, mir am Nachmittag die Umgebung zu zeigen. Es war frustrierend. Die Umgebung bestand aus vielen niedrigen Hügeln, und ich hatte auf Berge gehofft. Mein Kamerad sprach positiv von sich selbst, seiner Arbeit, seinen Favoriten und negativ von fast allem anderen.
Diese Eigenschaft hat er in seinem weiteren Leben wohl beibehalten. Welch ein Unterschied zu den Diskussionen, die ich zuhause mit meinen Freunden geführt hatte. Mein Kamerad hatte noch zwei Jahre bis zur Reifeprüfung und gab sich sehr selbstsicher. Aber er verbarg wahrscheinlich nur seine Unsicherheit.
Etwa 25 Jahre nach unserem gemeinsamen Noviziat sollte er mein direkter Oberer werden. Wir beide sind die Einzigen, die aus dem damaligen Noviziatsjahr im Ordensleben übrig geblieben sind.
Dass man die Kandidaten möglichst vor der Reifeprüfung ins Noviziat schickte, war darauf zurückzuführen, dass man sie möglichst früh an die Ordensgemeinschaft binden wollte. Mein ältester Bruder hatte mit 18 (!) Jahren die ersten Gelübde abgelegt und somit eine Entscheidung für sein Leben getroffen, ohne vorher davon etwas gesehen zu haben. Anders als ich hatten meine Mitnovizen einige Jahre in einem Postulat verbracht. Ich hatte also länger „in der Freiheit“ oder „in der Welt“ gelebt.
Die Spaziergänge in den Wintermonaten fand ich stupid. Sie fanden immer nach dem Mittagessen statt, manchmal sogar mit vorgeschriebener Route. Dabei hätte ich so gerne Tischtennis spielen gelernt. Den Tisch gab es, aber die Möglichkeit zu spielen nicht. Einige Wochen nach meiner Ankunft reduzierte sich die Anzahl der Novizen auf vier, einen Landsmann des Novizenmeisters und uns drei aus der Heimat: ein Klaviergenie, den mir weniger Sympathischen und mich. So kam es, dass in der sehr kargen Freizeit, über die wir selbst verfügen konnten, der eine Klavier spielte und sein Gesicht verzog, wenn seine weissen, gepflegten Hände über die Tasten glitten. Der mir weniger sympathische Mitnovize verkroch sich mit einem Buch; die Abwesenheit von Sympathie war übrigens gegenseitig. Ich hatte niemanden, um Pingpong zu spielen, denn der vierte Mann besuchte Bekannte in der Nachbarschaft.