Читать книгу der verstellte Ursprung - L. Theodor Donat - Страница 13
Оглавление— Geschwister
Meinen ältesten Bruder – er ist zwölf Jahre älter als ich – lernte ich erst mit etwa acht Jahren kennen. Mit fünfzehn Jahren hatte er die Familie verlassen und war Ordensmann geworden, da war ich drei Jahre alt. Während meiner Kindheit hatte er nur alle fünf Jahre jeweils zehn Tage Urlaub in der Familie. Er spielte mit mir Monopoly und Schach. Ich freute mich auf seine Ferien, aber erst vor meiner Reifeprüfung wurden wir vertrauter. Damals machte ich mit ihm eine entscheidende Nachtwallfahrt – ich liebte das Marschieren in der Nacht mehr als die Wallfahrten – die mich zum definitiven Entschluss führte, in seine Ordensgemeinschaft einzutreten. Später habe ich ihm auf gemeinsamen Spaziergängen von meinen Freuden und Leiden in der Gemeinschaft erzählt und wir tauschten theologische Ansichten aus.
Er war verschiedentlich Oberer in unserem Orden sehr aktiv bis er mit 82 Jahren in kurzer Zeit zum Pflegefall wurde und zwei Jahre später verstarb.
Ich denke indessen nicht, dass er die wichtigsten Wandlungen in meinen Überzeugungen mitbekommen hat.
Meine zehn Jahre ältere Schwester ist für mich die wichtigste Person unter meinen Geschwistern. Zum einen war sie, als ich in der vierten Klasse war, bereits Grundschullehrerin und hatte somit einen erzieherischen Blick mir gegenüber. Sie versorgte mich mit guten Büchern. Allerdings nahm sie so weniger wahr, dass ich mit der Zeit gleichfalls erwachsen wurde! Später bildete sie sich weiter und unterrichtete Deutsch an einer Mittelschule. Sie besuchte mich als einziges Mitglied der Familie während meiner Arbeit in meinem Gastland.
Bei meinen Urlauben in der Heimat holte sie mich jeweils am Flughafen ab und begleitete mich am Ende der Ferien oft dorthin zurück.
Bei unseren gemeinsamen Wanderungen konnte ich über meine echten Probleme sprechen, was sonst nur mit Dir möglich war. Sie blieb jedoch ein kritisches, aber treues Mitglied der Rkk. Unter den Geschwistern blieben wir damals beide mager, die anderen wurden beleibter. Sie unterstützte mich immer wieder in materiellen Belangen. Und ich spürte die Liebe, die sie mir schenkte, auch wenn diese Liebe über eine gewisse Zeit – bis ich dies artikulieren und sie es erfassen konnte – etwas besitzergreifend war. Die Liebe der Mutter war es auch, ohne dass sie sich dessen bewusst war. Mit ihr konnte ich jedoch kaum darüber sprechen. Mit 37 Jahren heiratete meine Schwester einen sehr netten – in den Augen der Eltern, oh Schreck, geschiedenen und reformierten – Mann französischer Muttersprache. So traf ich ganz persönlich auf die die Problematik der Zulassung Geschiedener zu den Sakramenten. Leider starb mein Schwager schon acht Jahre später.
Mein sieben Jahre älterer Bruder war bereits Chemielaborant, als ich noch klein war. In den Kriegsspielen, die er als Knabe organisierte, spielte ich wegen meines Alters eine untergeordnete Rolle. Er wurde Chemiker und später Abteilungsleiter in einem Institut für Reaktorforschung. Er ist im Gegensatz zu mir sehr rasch im Antworten und kühl in seinen Entscheidungen. Mit seiner Frau habe ich immer noch Schwierigkeiten. Sie scheint mir viel zu sicher in ihren Überzeugungen und in ihrem Tun. Wahrscheinlich betrachtet sie mich nicht als einen sehr ernstzunehmenden Mann der Kirche. Als Präsident seiner Kirchgemeinde erwirkte mein Bruder eine Gabe, dank derer unser Kollegium den esten Fotokopierer kaufen konnte. Sonst schien ihn meine Arbeit in unserem Gastland nicht sehr zu interessieren. So ist die Beziehung mit ihm und seiner Frau nicht sehr eng.