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Auf dem Mond

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Die Raumfähre, die sie zur Mondorbitalstation LUNACIRCUIT bringen sollte, war in einem wirklich schlechten Zustand. Selbst jemand ohne technischen Sachverstand konnte ihr deutlich ansehen, dass sie ein paarmal zu oft repariert worden war. Ullisten Getrillum hatte auf der Erdorbitalstation SILVERCONDOR einen kurzen Blick durch eines der Bullaugenfenster auf den LUNAJET erhaschen können. Besorgt runzelte er die Stirn. Sein Magen zog sich bei dem Gedanken zusammen, gleich in dieses Ding einsteigen zu müssen. Leider konnte er jetzt nicht mehr zurück, was er mittlerweile zutiefst bedauerte. Wenn ihm etwas geschah, würden seine Leute das Siegelstück niemals bekommen, das er in der Ruine in Armenien versteckt hatte. Leider hatte er keinen besseren Konverter dabei gehabt. Seiner war zu schwach und die Energiefüllung reichte nicht bis zum Eintreffen seines Kommandanten Manri Rubellicum in diesem Sternensystem. Der Konverter war wichtig, denn er erzeugte das Eindämmungsfeld, das die Signatur des Siegelstückes tarnte. Aber eben nur ungefähr zwei Jahre lang, so genau wusste er das auch nicht. Danach musste er von außen erneut Materie zuführen. Hoffentlich wurde das nicht zu einem Problem. Ullisten Getrillum war felsenfest davon überzeugt, dass die Adschirr´arr das wertvolle Objekt niemals der UCEG übergeben würden, ja nicht einmal den Archonisii selber, sobald sie herausgefunden hatten woraus das Kultobjekt gemacht war. Sollten diese schleimigen Kanny es in ihre gierigen Finger bekommen, dann würde der Untergang allen Lebens in diesem Universum besiegelt sein. Daran wollte er auf keinen Fall schuld sein. Außerdem hatte er dem Priesterkönig Harkmenii Lurki bei seiner Ehre versprochen das Siegelstück zu retten, aber wenn ihm das nicht gelang, dann konnte er nur noch hoffen, dass er sich mit den Adschirr´arr irrte. Immerhin schien es innerhalb dieser gierigen Spezies auch solche zu geben, die nicht nur an ihren Profit dachten. Milia Karadra zum Beispiel. Sie hätte ihn ganz einfach töten können und wäre dafür vermutlich noch belohnt worden. Stattdessen hatte sie ihn gerettet. Ob sie es wohl geschafft hatte? Ob sie ihre Verletzungen, die der Eisbär ihr beigebracht hatte, überlebt hatte? Bis jetzt hatte er noch keine Zeit gehabt über ihr für eine Adschirranie sehr seltsames Verhalten nachzudenken. Eigentlich waren die Adschirr´arr für Ullisten Getrillum nichts anderes als ein Haufen räudiger Widerlinge, die es galt in jeder Lebenslage zu bekämpfen. Vielleicht musste er über dieses Bild noch einmal nachdenken, falls er auf dem Mond so etwas wie Freizeit hatte, die er dafür dann nutzen konnte. Und natürlich dafür einen Fluchtplan zu entwickeln, falls er entdeckt wurde.

Ein lautes Signal tönte durch die von unzähligen Gesprächen angefüllte Abflughalle der Orbitalstation SILVERCONDOR. Alle verstummten schlagartig und lauschten auf die Durchsage, die eine Frauenstimme machte, die so glatt und emotionslos war, dass sie nicht von einem lebendigen Wesen stammen konnte. Ihr Shuttle war fertig und sie konnten nun einsteigen. Stumm fügte Ullisten Getrillum sich in sein Schicksal und drängte zusammen mit den anderen fünfzig Arbeitern der Mondmine zur Schleuse der Wartehalle, über der ein rotes Licht nervtötend blinkte. Das rote pulsierende Auge schien ihn warnen zu wollen, hier lieber nicht einzutreten. Ullisten Getrillum erstarrte beim Anblick dessen, was ihn hinter der Schleusentür erwartete. Dieses Mal gab es keine Fahrt mit einem skiliftähnlichen System. Stattdessen wurden sie in einen langen Zug aus Viererkabinen gesetzt, die allesamt aus einer Art mit weißer Farbe überzogenen Aluminiumlegierung bestanden und mit beweglichen Kupplungen aneinanderhingen. Werbung war auf die einzelnen Kabinen aufgebracht worden und Ullisten Getrillum fragte sich wer das wohl betrachten sollte, fuhr das Transportmittel doch ständig abseits der Passagiere.

Der Zug transportierte sie in die Tiefen der Orbitalstation SILVERCONDOR. Nach einer halben Stunde hielt der ruckelnde Wagonwurm an einem Dock, das zu einem der Warenumschlagterminals gehörte. Das Terminal war im Grunde genommen nichts Anderes als eine in mehrere Segmente unterteilte riesige Halle, in der emsiges Treiben herrschte. Ullisten Getrillum schaute sich erstaunt um. Das hätte er den Menschen gar nicht zugetraut. Reihe um Reihe wurden Warencontainer von kleinen roboterähnlichen Maschinen umgeladen. Sie benötigten kaum Kraft dafür, denn im Warenterminal herrschte keine künstliche Schwerkraft. Alle Container schwebten mit einer Leichtigkeit durch den Raum, als bestünden sie aus Watte. Nur der Boden der eckigen Transportbehälter war magnetisch und hielt sie bei Bedarf auf dem Untergrund fest. Ullisten Getrillum sah zu, wie einige Container zu den langen, weit in den Weltraum hinausreichenden Tunneln geschoben wurden, wo die Verladeschleusen waren. Dort verschwanden sie schließlich im Bauch der Containershuttle. Ullisten Getrillum wusste, dass auf der Orbitalstation Produkte umgeschlagen wurden, die zum Mond gebracht wurden, aber dass es so viel war hatte er nicht geahnt. Die Firma, für die er nun arbeitete, verkaufte wiederum einen Großteil der auf dem Erdtrabanten geförderten Erzmengen an ein internationales Konsortium, das die Erze noch vor Ort aufbereiten ließ und mithilfe eines großen Scanners in Bauteile verwandelte. Mit denen wurden dann die diversen Forschungsstationen auf dem Mond gebaut. Anscheinend wurden aber auch die Erdorbitalstationen mit diesen Ersatzteilen versorgt, da es unzählige Bauteile im Warenterminal gab die die Aufschrift "Taurus Lunatec Inc. – Fertigteile, Ersatzteile, Maßanfertigungen" trugen. Je mehr er nach dem Schriftzug suchte, desto mehr Bauteile dieser Firma entdeckte er in der großen Halle. Eine Bewegung zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Einige der größeren Roboter fingen an den Inhalt eines riesigen Containers auf mehrere kleinere zu verteilen. Ullisten Getrillum warf einen neugierigen Blick auf das Material, aus dem die Teile hergestellt worden waren. Offenbar bestanden die Meisten vor allem aus Aluminium-, Silizium- und Eisenverbindungen. Er wusste von seinen ersten Analysen, die er beim Anflug auf diese Welt gemacht hatte, dass es in der bis zu einhundertfünfzig Kilometer dicken Kruste des Mondes diese Minerale in größeren Mengen gab. Ebenso wie die chemischen Elemente Titan, Kalzium und Magnesium. Sauerstoff und Wasser waren dagegen rar und nur in tieferen Schichten und in an andere Elemente gebundener Form zu finden. Jedoch sie gewinnbringend abzubauen, hatte er den Menschen nicht zugetraut. Eine erstaunliche Leistung angesichts des niedrigen Standes der irdischen Technologie, zumal der Mond für menschliche Raumschiffe auch noch ziemlich weit entfernt war. Die unbemannten Containershuttles benötigten circa acht Stunden für die etwa 384.000 Kilometer zum Mond. Die Bauteile von der Erde aus an die Orbitalstation zu liefern wäre da mit Sicherheit schneller gewesen. Doch der Zeitverzug spielte für die Menschen wohl keine große Rolle, angesichts dessen was es sie kosten würde mit ihren primitiven Mitteln die Erdanziehung zu überwinden. Sein neuer Arbeitgeber profitierte ganz gewiss davon, dass die Teile nun direkt vom Erdtrabanten kamen. Dem Konzern Los Morrenos gehörte die derzeit einzige profitabel arbeitende Erzfördermine auf dem Mond, die Oficina Montes Taurus. Außerdem gehörten auch noch weitere Firmen wie die Taurus Lunatec Inc., die die Ersatzteile bauten, zum Konzern.

Ullisten Getrillum beobachtete die anderen Arbeiter, von denen einige ebenfalls zum ersten Mal hier zu sein schienen. In ihren Gesichtern spiegelte sich ein ungläubiger Ausdruck. Für einige kam die Erkenntnis zu spät, sich für einen Hungerlohn verkauft zu haben. Die Oficina musste enorme Gewinne damit machen, hatte sie doch quasi das Monopol hier oben. Dafür wurden die Männer, die die Drecksarbeit erledigten, viel zu schlecht bezahlt. Zum Glück brauchte er den Job nur so lange, bis seine Leute hier waren. Aber das waren immer noch zwei lange Jahre, die er sich vor den Adschirr´arr verstecken musste.

Ullisten Getrillum kam nicht dazu weiter darüber nachzudenken, denn vor einer schmalen Schleuse erschien eine Stewardess, die die Männer mit freundlichem Lächeln bat ihr zu folgen. Hinter der Schleuse, die sie nur nacheinander passieren konnten, befand sich ein langer schlauchähnlicher, in mehrere Segmente unterteilter Gang, der direkt mit dem Mondshuttle, das die Menschen LUNAJET nannten, gekoppelt war.

»Einfachstes Sicherheitssystem gegen Druckabfall«, dachte Ullisten Getrillum bestürzt, während er verstohlen die Kupplungen der einzelnen Segmente betrachtete. Der LUNAJET, der sie zum Mond bringen würde, war kleiner als die Fähre, die sie in die Erdorbitalstation befördert hatte. Die Kabinenwände waren abgenutzt, ebenso der Boden. Das machte Ullisten Getrillum Sorgen, denn wenn die Außenschilde und Antriebsteile in ebenso schlechtem Zustand waren wie das Innere, dann wunderte es ihn, dass noch keines der Shuttle im All verloren gegangen war. Aber vielleicht war das ja bereits geschehen. Vermutlich würde die Firma das nicht erzählen und wer sollte darüber berichten. Journalisten hatten bestimmt keinen Zugang zur Erzmine und zu einem Raumschiff auch nicht. Die konnten alles vertuschen, wenn sie wollten. Langsam dämmerte Ullisten Getrillum das ganze Ausmaß dessen, worauf er sich eingelassen hatte. An den Gesichtern der Männer konnte er ablesen, dass sie zum gleichen Schluss gekommen waren wie er. Da nützte auch das freundlich professionelle Lächeln der Stewardess nichts. Ullisten Getrillum beschloss sich über ungelegte Eier keine Sorgen mehr zu machen und versuchte einfach ein wenig zu schlafen. Er konnte sowieso nichts mehr dagegen tun.

Zwölf Stunden später war der LUNAJET tatsächlich heil in eine Umlaufbahn um den Mond eingeschwenkt. Wenig später dockte er an der Mondorbitalstation LUNACIRCUIT an, die auf einer niedrigen Bahn den Mond umkreiste. Das Personenshuttle hatte etwas länger gebraucht als das Containershuttle, da die Passagiere den Beschleunigungsdruck überleben mussten und die Andruckdämpfer derart primitiv waren, dass Ullisten Getrillum im Nachhinein bei dem Gedanken schlecht wurde, was alles hätte passieren können. Er hatte trotzdem erstaunlich gut geschlafen und fühlte sich zum ersten Mal seit Wochen ausgeruht.

Der Transit von LUNACIRCUIT auf die Mondoberfläche hinunter dauerte nicht lange, nach menschlichen Maßstäben, aber Ullisten Getrillum war kein Mensch und besseres gewöhnt. Sehnsüchtig dachte er an seinen Raumkreuzer der einsam und verlassen im Krater Gassendi lag, etliche hundert Kilometer weiter westlich vom Gebirgsstock Montes Taurus in dem sich die Erzmine befand. Wenn er doch nur einfach hinüberfliegen konnte. Dann würde er dieses Sternensystem verlassen, auch auf die Gefahr hin, dass die Adschirr´arr ihn bemerkten. Der Gedanke daran, dass er nun für zwei lange Jahre im Dreck der Mondkruste wühlen sollte, behagte ihm ganz und gar nicht. Wenn er eine andere Möglichkeit finden würde sich vor den Adschirr´arr zu verstecken, dann würde er auf dem Absatz kehrtmachen und von hier verschwinden. Ullisten Getrillum kam nicht weiter dazu sich zu bedauern, denn der Flug hinunter auf den Mond war angstschweißtreibend. Nach einer harten Landung auf einem mehr oder weniger ebenen Rollfeld vor dem Eingang zur Mine, hoppelte das Shuttle zu einem langgestreckten Gebäude, aus dem sich bereits ein langer Schlauch herausschob, der einige Minuten später an ihrem Raumschiff andockte. Alle waren ziemlich aufgeregt, als sich die Kabinentüren endlich öffneten und sie Mann für Mann durch die Schleuse geschoben wurden. Nicht viele Menschen hatten bisher ihren Fuß auf den Mond gesetzt. Sie gehörten nun dazu.

Geschlagene zwei Stunden später waren sie endlich durch die Hauptschleuse hindurch, die in die Tiefen der Oficina Montes Taurus führte. Die Neuankömmlinge befanden sich jetzt in einem großen kahlen Raum, der von den Arbeitern ironisch "Limbus" genannt wurde, nach Dante Alighieris erstem Kreis der Hölle, in dem die sündigen Seelen darauf warteten hinab ins Höllenreich geschleppt zu werden. Die Luft roch chemisch, war aber erstaunlich frisch und sauber. Nachdem sie einen einstündigen Vortrag über sich ergehen hatten lassen, in dem es hauptsächlich um Abfallverwertung und Ressourcennutzung gegangen war, wurden sie eingekleidet und zur Ebene 5 hinuntergebracht, wo die Unterkünfte der Bergarbeiter lagen. Ullisten Getrillum hatte sich eine kleine Einzelkabine genommen, die im Gegensatz zu den größeren nicht viel kostete. Die Kabine entpuppte sich als ein Raum von zehn Quadratmetern, in der ein Bett, ein Stuhl und ein kleines Regal für seine persönlichen Dinge standen. Über dem Bett war eine Lichtanlage für seine tägliche Tageslichtration eingebaut. Der Raum sah im Grunde genommen so aus, wie die Container mit denen die Waren transportiert wurden. Gemeinschaftsduschkabinen und Toilettenanlage befanden sich am Ende des langen Flursegmentes, in dem sein Zimmer lag. In die Wand neben der Eingangstüre war ein Medienbildschirm eingelassen, der auch gleichzeitig der Kommunikation innerhalb der Mine diente. Sein Schichtplan für die kommende Woche war bereits eingeblendet worden. Die Leute hier vergeudeten keine Zeit. Vermutlich war das auch gut so, denn wenn er den Plan der Minenanlage genauer betrachtete, gab es hier nicht viel zu tun, außer zu arbeiten.

Eine Ebene tiefer befand sich ein Gemeinschaftszentrum mit Sportanlage und einer kleinen Bar, in der mit der mineneigenen Chipkarte bezahlt wurde, die sie bei ihrer Einweisungsschulung erhalten hatten und auf die auch ihr Lohn eingetragen wurde. Für die Überweisung auf sein eigenes Bankkonto war er selbst verantwortlich. Das kam Ullisten Getrillum entgegen, war es so doch leichter für ihn sich vor seinen Verfolgern zu verstecken, die sich sicher schon Zugang zu den menschlichen Netzwerken verschafft hatten. Darüber hinaus gab es auf der Ebene 3 eine große Gemeinschaftskantine, in der die Arbeiter am Anfang und Ende einer Schicht essen konnten. Die Rationen mussten einmal pro Monat im Voraus gekauft werden. Die Kosten wurden gleich vom Gehalt einbehalten. Viel Auswahl gab es nicht und es war wohl am besten, wenn er das gleich erledigte.

Nachdem er eine Weile durch sämtliche Nachrichtenkanäle gezappt hatte, die zur Verfügung standen, schaltete er beruhigt wieder aus. Es gab keine Berichte über ihn, dass er noch als Terrorist gesucht wurde. Andere Schlagzeilen beherrschten mittlerweile die Medien. Zeit sich den Rest der Anlage anzusehen. Morgen ging sein Schichtdienst los, da hatte er bestimmt weder Gelegenheit noch Lust sich mit den Freizeitmöglichkeiten zu beschäftigen. Bevor er das Zimmer verließ installierte er noch einen zusätzlichen Filter in der Klimaanlage, der Giftgase und andere gefährliche Stoffe abhalten würde. Der Filter und eine bleistiftähnliche Waffe waren das einzige, was er auf die Mondstation hatte mitbringen können. Viel besaß er ohnehin nicht mehr. Der Aufenthalt in Kanada war ziemlich teuer gewesen und hatte ihn fast sein gesamtes verdientes Gehalt gekostet. Sein Geld aus dem Goldumtausch von London war ebenfalls ziemlich zusammengeschmolzen und seine zwei verbliebenen Goldmünzen hatte er nicht einlösen können, da sie ihn damit unweigerlich aufgespürt hätten. Sie befanden sich immer noch im Innenfach seiner Stiefelsohle. Seine gesamte Kleidung hatte er aus hygienischen Gründen am Haupttor abgeben müssen, auch die Stiefel, was bedeutete, dass er nicht so einfach wieder darankommen würde. Irgendwie hatte er deswegen ein ziemlich mulmiges Gefühl im Bauch, aber er konnte nichts dagegen machen. Privatkleidung war wegen Keimen verboten. Dafür hatte er Arbeitskleidung und Freizeitkleidung von der Firma erhalten. Die Freizeitkleidung bestand aus einer einfachen dunkelblauen Hose und zwei schwarzen Sweatshirts, dazu Unterwäsche und Socken für eine Woche und bequeme Schuhe mit magnetischen Sohlen, wegen der geringen Schwerkraft auf dem Mond. Der Boden war fast überall in der Mine mit einem eisenhaltigen Material beschichtet worden. Ullisten Getrillum betrachtete mit gemischten Gefühlen die Kleidungsstücke. In der Einheitskleidung fühlte er sich, als wäre er in einer geschlossenen Anstalt. Einmal pro Woche gab es einen gewaschenen frischen Satz. Die Minenbetreiber hatten eine Höllenangst davor, dass irgendjemand Keime und Pilze einschleppte. Immer noch roch er nach dem starken Desinfektionsmittel, das aus den Duschen im Limbus geströmt war. Darauf war er nicht noch einmal scharf. Seine Haut brannte von dem Zeug immer noch wie Feuer. Kopfschüttelnd schloss er seine Zimmertür ab und ging hinunter auf Ebene 6, um sich das Unterhaltungszentrum anzusehen.

Die Sportanlage bestand nur aus einem großen Feld, auf dem ein Paar Männer ein Ballspiel spielten. Mehr gab es nicht. Ullisten Getrillum konnte sich auch nicht vorstellen, dass die Arbeiter, die stundenlang im Dreck gewühlt hatten, nach getaner Arbeit das Bedürfnis hatten sich körperlich auszuleben. Das hier konnte er getrost ignorieren. Dafür gab es gleich neben der Sporthalle ein Kino. Die Filme wechselten wöchentlich. Das war schon eher etwas, das er nutzen würde. Am beliebtesten aber war natürlich die Bar, die sich als eine dunkle Höhle mit abgewetzten Plüschsitzen um zerkratzte Tische herum, einer langen Theke, hinter der der Barkeeper Drinks mixte und ein paar Spieltischen entpuppte. Eine junge, nicht besonders hübsche Frau saß an der Theke und unterhielt sich mit einem Kerl, der sie unablässig mit feuchten Augen anstarrte. Das Auffälligste an ihr war ein ziemlich üppiger Busen, der den Eindruck machte bei jeder Bewegung aus dem engen Shirt herausspringen zu wollen. Die Frau warf Ullisten Getrillum einen kurzen Blick zu und lächelte vielsagend, dann stand sie auf und verließ zusammen mit dem Kerl die Bar.

»Eine Professionelle!«, dachte Ullisten Getrillum, setzte sich auf einen der freien Barhocker und bestellte einen Kaffee, der ungefähr so viel kostete wie ein Heuschreckenburger auf der Erde. Bei den Preisen würde er sich zurückhalten müssen.

»Neu hier? Heute angekommen?«, fragte ihn der Barkeeper in neutralem Tonfall, während er die Gläser aus der Spülmaschine räumte.

Ullisten Getrillum nickte nur, sagte aber nichts dazu. Stattdessen beobachtete er eine Gruppe Männer die gegen Geld ein Kartenspiel spielten. »Diese Raumbars sind im ganzen Universum gleich«, dachte Ullisten Getrillum leicht genervt.

Der Barkeeper war seinem Blick gefolgt und sagte mit einem leicht verächtlichen Unterton in der Stimme, »Glücksspiel. Die Meisten verlieren.«

»Ja, vermutlich. Ich spiele nicht«, Ullisten Getrillum wusste, dass er sich mit dem Mann besser gut stellte und dazu gehörte ein Minimum an Konversation. Möglicherweise bekam er dann auf Dauer günstigere Preise.

»Vernünftig!«, nickte der Barkeeper zustimmend. »Ich bin Johann Sackmüller, aber alle nennen mich einfach nur Jo.«

»Ramirez Estar«, antwortete Ullisten Getrillum und schüttelte die Hand, die ihm der Barkeeper über den Tresen reichte.

Damit war die Unterhaltung auch schon beendet, denn einige Arbeiter und ein dunkelhaariger Kerl, der ihm auf Anhieb unsympathisch war, betraten das Etablissement. Er erkannte zwei von den Arbeitern wieder, denn sie waren heute mit ihm angekommen. Die Gruppe steuerte zielstrebig auf einen der Tische am Rande der Bar zu, während der dunkelhaarige untersetzte Typ mit der ausgeprägten Stirnglatze und dem vorspringenden Kinn an die Theke herantrat und sich einfach neben ihn setzte. Nachdem der Mann einen Drink bestellt hatte, wandte er sich an Ullisten Getrillum. »Ich bin Karl Schumacher. Ich arbeite in der Verwaltung. Schichteinteilung.«

Ullisten Getrillum wusste nicht, was von ihm erwartete wurde. Was wollte der Kerl von ihm? Sich unterhalten? Hatte er möglicherweise davon gehört, dass er ein gesuchter Terrorist war? Vorsichtig sagte Ullisten Getrillum deshalb, »mein Name ist Ramirez Estar. Ich bin heute erst angekommen.«

»Ich weiß wer Sie sind. Ich schau mir nur die Leute an, um besser beurteilen zu können, wo ich sie einsetzen kann.« Karl Schumacher musterte Ullisten Getrillum ungeniert von oben bis unten. »Sie sehen ziemlich kräftig aus. Das ist gut.«

»Ja, das sagten meine Eltern auch immer«, Ullisten Getrillum schenkte ihm ein breites Grinsen und stellte sich dumm, obwohl ihm der Kerl mächtig gegen den Strich ging.

»Ich brauche immer Leute für ganz unten. Es ist der schwerste Job in der Mine, aber besser bezahlt. Es gibt auch Privilegien, mehr Urlaub und so. Wenn Sie sich eingelebt haben, dann komme ich noch einmal auf Sie zu. Überlegen Sie es sich.« Karl Schumacher nahm seinen Drink, nickte ihm noch kurz zu und ging dann zu den anderen Arbeitern hinüber, die sich an den Tisch gesetzt hatten.

Verwirrt sah ihm Ullisten Getrillum hinterher. Was sollte er davon halten?

Der Barkeeper, der mit einem Ohr zugehört hatte, warf dem Schichteinteiler einen Blick zu, aus dem unverhohlene Abneigung sprach, sagte aber nichts. Das war Ullisten Getrillum Warnung genug, vorsichtig gegenüber Karl Schumacher zu sein. Er trank seinen Kaffee aus und ging zurück auf sein Zimmer, auch wenn es dort außer der Medienwand nichts gab. Vielleicht sollte er eines dieser Computerspiele spielen, die er vorhin beim scrollen im Menü gesehen hatte. Bis zum Abendessen waren es immerhin noch drei Stunden, also Zeit genug, einmal eines dieser menschlichen Vergnügungstools auszuprobieren.

Ullisten Getrillum (3)

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