Читать книгу Ullisten Getrillum (3) - Lara Elaina Whitman - Страница 16
Verleumdet
ОглавлениеBenito della Scalci, Sekretär des Kardinalpräfekten Stefano Tabori von der "Congregatio pro doctrina fidei", der Glaubenskongregation des Vatikans und die älteste der neun Kurien der römisch-katholischen Kirche, starrte wutschnaubend dem Bus hinterher, in dem Maria Lautner ihm gerade entwischte. Nervös drehte der Dominikaner seinen Ring mit den heiligen Insignien seiner Kurie darauf, dem Kreuz, einem Olivenzweig und einem Schwert. Es dauerte ein paar Minuten, bis er sich so weit im Griff hatte, dass er ruhig genug war um zu telefonieren. Was war da gerade geschehen? Wieso hatte der Busfahrer die Tür nicht geöffnet? Hastig wählte er die Nummer des Einsatzleiters für die Ermittlungen zur Akte "Exterra". Das Büro in der zweiten Etage der Glaubenskongregation war schon seit dem Hackerangriff auf das Netz des Vatikans das Hauptquartier des Heiligen Offizium. Die Ermittler waren fieberhaft dabei die Daten über die Sichtungen von angeblichen Außerirdischen zu analysieren und darüber hinaus herauszufinden, wo das Leck in ihren eigenen Reihen war. Die verschwundene DNS-Probe von Ramirez Estar, ein Büschel Haare, die ihm einer der Ermittler im Park in Jerewan hatte ausreißen können, war immer noch nicht aufgetaucht. Etwas, das ihm große Sorgen bereitete. Deshalb war es so wichtig Maria Lautner nach Rom zu bringen. In seinen Augen war sie der Schlüssel zu einigen Geheimnissen, denn sie war mit Ramirez Estar eine ganze Weile unterwegs gewesen, hatte direkten Kontakt zu dem Außerirdischen gehabt.
»Wieso konnte die Frau so einfach entkommen? Wer hat ihr dabei geholfen? Ist das vielleicht auch derjenige, der die Aufnahme von dem Mord auf der großen Kaskade gelöscht hat?«, fragte sich der Sekretär des Kardinalpräfekten stumm, korrigierte sich aber gleich wieder. Nein, das konnte nicht sein, denn dann wäre die Frau ja nicht mehr auf den Aufnahmen drauf gewesen. Das musste jemand anderer getan haben. Außerdem, wer hatte gewusst, dass er die Frau mit nach Rom nehmen wollte. Außer seinem Informanten, der ihm mitgeteilt hatte, dass Maria Lautner mit der Delegation ausreisen würde und den Geistlichen, die im Seminar der armenisch-apostolischen Kirche getagt hatten, wusste doch niemand, dass er persönlich nach Echmiadzin gekommen war. Und Letztere waren nie und nimmer in der Lage, einen Zusammenhang seiner Anwesenheit mit der von Maria Lautner herzustellen? Hatte ihn sein Informant etwa verraten? Aber an wen? Darüber hinaus war es doch recht seltsam, dass die Frau ausgerechnet mit dieser Kirchendelegation ausreisen sollte? Wie das zustande gekommen war, hatte ihm sein Informant nicht sagen wollen. All diese ungelösten Rätsel machten ihn langsam aber sicher verrückt und zerrten an seinen Nerven. Und dann auch noch die Panne mit den beiden Sonderermittlern, den Patres Diego Almaredo und Horst Lehmann, die er aus den Fängen des Syrischen Geheimdienstes befreien musste, statt Ramirez Estar weiter zu verfolgen. Deshalb hatte er selbst nach Jerewan fliegen müssen, um die Frau am Seminar in Echmiadzin in Empfang zu nehmen. Aber auf nichts konnte er sich in letzter Zeit verlassen. Auch das war schiefgegangen. Jemand musste davon Wind bekommen haben. Vielleicht auch der Gleiche der auch die DNS gestohlen hatte, oder etwa nicht?
Ungeduldig wartete Benito della Scalci darauf, dass endlich jemand ans Telefon ging. War denn das Büro in Rom nicht besetzt? Tranken die Kaffee und machten es sich gemütlich, wenn er aus dem Haus war? Er hatte die Nase gestrichen voll von all den unbeantworteten Fragen.
Endlich hob jemand ab, aber es war nur der Anrufbeantworter. Benito della Scalci musste an sich halten, um nicht unfreundlich zu werden. »Sie ist uns entwischt!«, sagte er knapp, bestand doch die Gefahr, dass jemand mithörte. Der Einsatzdienst von Exterra würde wissen, was er nun tun musste, denn von hier aus konnte er nicht viel ausrichten. Düster starrte er dem Bus hinterher, in dem Maria Lautner saß und der nun nur noch ein kleines Pünktchen war, bevor er um die Abflughalle herum seiner Sicht entschwand. Benito della Scalci wartete auf eine Rückbestätigung, aber die kam nicht. Ungeduldig wippte er auf den Füßen. Warum dauerte das so lange?
Endlich klingelte sein Visifon. Erstaunlicherweise war Kardinal Stefano Tabori selbst am anderen Ende und dessen Gesichtsausdruck spiegelte Besorgnis wieder.
»Was ist passiert?«, fragte der Kardinal.
»Irgendjemand hat ihr geholfen. Wir müssen herausfinden wohin sie fliegt und sie dann festnehmen lassen.« Benito della Scalci war etwas verdutzt, dass der Kardinal selbst am Visifon war, hatte er doch den Einsatzleiter erwartet.
Kardinal Stefano Tabori runzelte skeptisch die Stirn. »Ist das wirklich nötig?«
»Ja, Kardinal. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Frau uns etwas verschweigt. Wir müssen sie verhören«, bestätigte Benito della Scalci voller Inbrunst.
»Verhören ist doch ein wenig zu viel des Guten. Sie sollten mit ihr reden und sie nach Rom einladen«, antwortete Kardinal Stefano Tabori missbilligend.
Es klang fast wie eine Rüge. Benito della Scalci zuckte unter dem harschen Ton seines Vorgesetzten leicht zusammen. Er hatte ja nur das Beste gewollt. Schließlich herrschte in Rom der Ausnahmezustand. Da konnte er keine Rücksicht auf die Gefühle irgendeiner Frau nehmen, noch dazu, wenn sie sich so verdächtig gemacht hatte wie Maria Lautner und das sagte er dann auch. »Mit Verlaub, Eminenz, wir sollten sie suchen lassen, sonst taucht sie noch unter. Die Frau ist mit allen Wassern gewaschen.«
Der Kardinal seufzte und betrachtete das Gesicht seines Sekretärs. Ein fanatisches Leuchten stand in dessen Augen, was ihm doch mehr Sorgen bereitete, als ihm bis jetzt klar gewesen war. »Wir müssen uns an die Gesetze halten, Benito. Das ist Ihnen doch bewusst?«
»Natürlich Eminenz! Ich kümmere mich darum.« Er legte auf und würgte damit seinen Vorgesetzten einfach ab, denn ganz plötzlich war ihm eine Idee gekommen. Hastig wählte er eine andere Nummer. Ein paar Minuten später hatte er den Leiter des Kriminaldezernats, Direktor Atanasios Tashir in Jerewan am Telefon, den er persönlich kannte seit ihm der Armenier vor ein paar Tagen bei der Befreiung seiner Glaubensbrüder aus der Syrischen Haft geholfen hatte. Ohne Umschweife sagte Benito della Scalci, »Sie suchen doch auch nach dieser Frau von der großen Kaskade. Die, die mit dem Mord in Verbindung gebracht wird. Ich habe sie gesehen. Sie ist hier am Flughafen in Jerewan und versucht das Land zu verlassen. Können Sie sie aufhalten? Sie ist überaus wichtig für unsere Ermittlungen. Wir glauben, dass sie an dem Mord beteiligt war.« Letzteres war eine glatte Lüge, aber der Zweck heiligte doch die Mittel. Der Kriminaldirektor nickte erfreut, bereitete ihm dieser Fall doch eine Menge Unannehmlichkeiten. Benito della Scalci legte mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen auf. Dann drehte er sich um und stieg die Gangway des mit laufenden Triebwerken wartenden Flugzeuges hinauf, das ihn zurück nach Rom bringen würde. Maria Lautner saß in der Falle. Er war sich sicher, dass sie nicht entkommen konnte. Zufrieden lehnte er sich in seinem Sitz zurück. Das Flugzeug startete und nur wenig später genoss er durch das kleine Fenster die Aussicht auf das grandiose Panorama des Ararat, den sie gerade überflogen.