Читать книгу Schockästhetik: Von der Ecole du mal über die letteratura pulp bis Michel Houellebecq - Lena Schönwälder - Страница 11

1.1.4 Zwischenfazit

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Das Konzept Bohrers bringt den Vorteil, das Phänomen des Bösen nicht allein als abstrakte, ethische Kategorie zu begreifen, sondern vielmehr als spezifisch literarisches Produkt. Gleichzeitig ist eben jener Moment der Absolutheit des imaginativen Bösen einer, der sich vor allem durch seine Gegenwärtigkeit, durch die Präsenz der Stimmung auszeichnet und sich so theoretisch der Theorie Georges Batailles annähert, der das Böse in Relation zur Transgression und zur unmittelbar-instantanen, ekstatischen Erfahrung setzt. Dass dieser Ansatz jedoch auch durchaus problematisch ist, haben die zahlreichen Kritiker Bohrers hinlänglich erläutert. Friedrich versucht demnach, das Konzept Bohrers mit dem Batailles zu kombinieren, indem sie zunächst Semantiken des Bösen im Text beschreibt und analysiert, um schließlich spezifische Vertextungsstrategien aufzudecken, die diese inhaltlichen, textu­ellen Bestim­mungen des Bösen defigurieren. Das damit in seiner Ganz­heit­lichkeit beschrie­bene litera­rische Phänomen des »ästhetischen Bösen« versteht sie als subversives, spezifisch literarisches Produkt, das bestehende Diskurse unterläuft und dekonstruiert. Auf ähnliche Weise versucht auch Alt, das Böse als spezifisch literarisches Phänomen zu beschreiben, welches im Wesentlichen auf drei Grundmodelle zurück­zuführen ist: Das literarische Böse manifestiert sich ihm zufolge in den Strukturmustern der Wiederholung, der Paradoxie und der Transgression. Das Böse in seiner Evidenz ist das Resultat einer Imaginationsleistung, bei der ein moralisch-ethisch vorgeschriebener Bedeu­tungs­kern erst durch kreative Form­gebung zur Entfaltung kommt. Wie aus den Analysen sowohl Alts als auch Friedrichs deutlich wird, kann jedoch mitnichten von einem rein ästhetischen Bösen im Sinne einer autonomen Kategorie gesprochen werden. Vielmehr bezeichnet »ästhetisch« in diesem Zusammenhang den Status des relevanten Repräsen­tationsgegenstands (Ästhetik des Bösen als Ästhetisierung des Bösen) sowie die Tatsache, dass es sich um ein ›Kunstprodukt‹ handelt, das nicht allein von außer­literarischen mora­lisch-ethischen Wertvorstellungen abhängig ist und ausschließlich daraus seine Wirkmacht bezieht, sondern durch kreativ-imaginative Formgebung in der Literatur erst seinen besonderen Reiz entwickelt. Dieses Konzept des »ästhetischen Bösen« vor dem Hinter­grund literarisch-künstlerischer Provoka­tions- und Schockstrategien erweist sich als besonders relevant für jene Literatur, die noch ihren Autonomiestatus zu beweisen hat. Besonders für Flaubert und Mirbeau, die noch gegen den an die Kunst herangetragenen Anspruch der moralischen Unterweisung anschrieben, zeigt sich eine Untersuchung spezifischer Strukturen, die den potentiell brisanten Darstellungsgegenstand in seiner ästhetischen Wirkmacht freisetzen, als besonders fruchtbar.

Schockästhetik:  Von der Ecole du mal über die letteratura pulp bis Michel Houellebecq

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