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Fluchtpläne und Vorbereitungen
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Es sei daher unerlässlich, für alle Fälle einen Fluchtplan auszuarbeiten. Wir erörterten daher alle in Betracht kommenden Chancen und suchten einen Plan festzustellen. Professor Thun nahm den lebhaftesten Anteil an unserem Gespräch und machte selbst Vorschläge. Aber, wie gesagt, keiner dieser Pläne war wirklich durchführbar. Sie hier darzustellen, hätte keinen Zweck, doch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass in allen Kombinationen Professor Thun eine sehr gewichtige aktive Rolle zufallen sollte.
Wenn ich heute, nach neunzehn Jahren, alle jene Vorgänge überlege, dann bin ich oft versucht, selbst an dem zu zweifeln, was ich in Wirklichkeit erlebt, dass nämlich ein deutscher Professor, ein Mann, der seinen Anschauungen nach zu den sehr gemäßigten Kathedersozialisten gehörte, sich erbot, einem russischen Sozialisten zur Flucht zu verhelfen, mit ihm Pläne schmiedete und dabei sich persönlich der größten Gefahr aussetzte. Und dabei hatte doch dieser Mann, ehe er mich persönlich kennen lernte, den Wunsch geäußert, dass ich der russischen Regierung ausgeliefert werden sollte!
Der Herr Staatsanwalt v. Berg, der während des ganzen Gesprächs im Zimmer blieb, spielte dabei eine furchtbar komische Rolle. Er verstand natürlich nicht ein Wort, weil wir ja russisch sprachen; da er uns aber lachen sah, lächelte er auch und tat, als wenn er seine Freude an uns habe. Dass wir uns über ihn lustig machten und unser Lachen ihm galt, ahnte er freilich nicht. Wir berieten zum Beispiel mit Professor Thun, was dieser über unser Gespräch berichten sollte, und konnten nicht umhin, uns auszumalen, welche Wut wohl diesen streng gemessenen, korrekten und formalistischen alten Herrn erfassen würde, wenn er erfahren könnte, was wir in Gegenwart seiner würdevollen Person ausheckten.
Als wir unsere Beratungen, die ziemlich lange dauerten, beendet hatten, nahm Frau Buligin ebenso zärtlich Abschied von mir, wie sie mich begrüßt hatte. Sie bedankte sich bei Herrn v. Berg, dass er uns gestattet hatte, russisch zu sprechen, und fragte ihn, wann er mich freizugeben gedenke. Wie ich mich erinnere, meinte er, dass an einem der nächsten Tage, dessen Datum er bezeichnete, das Gericht Beschluss fassen würde; allerdings fügte er hinzu, dass wenn ich freigesprochen werden würde, man mich der Polizei übergeben werde, die mich als Ausländer nach einer beliebigen deutschen Grenze schaffen könne, doch sei anzunehmen, dass man die Schweizer Grenze, als die nächstliegende, wählen würde.
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