Читать книгу Die Schule - Leon Grüne - Страница 19
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ОглавлениеMüde und mit Augenringen, die in etwa so groß waren wie die riesigen kreisrunden Ohrringe seiner Mutter, stieg David in den schwarzen Chevrolet Orlando, der vor der Haustür parkte. Hinter sich zog er einen blauen Hartschalenkoffer mit 4 Rädern aus der Tür. Auf seinem Rücken trug er einen schwarzen Rucksack, der äußerlich nicht viel hermachte, jedoch erstaunlich robust war. Der gestrige Tag war anstrengender gewesen, als er angenommen hatte. Nachdem er bei Zoe angerufen hatte, um zu fragen, wie es ihr ging und um ihr zu beichten, dass er die Ferien über doch nicht zuhause verbringen würde, hatte wie aus heiterem Himmel ihr Vater vor der Tür gestanden, um sich bei ihm zu entschuldigen. Jedoch war dieser näher am Wasser gebaut als er je hatte durchblicken lassen und ergoss seinen Scham über seine Handgreiflichkeit in wahren Niagarafällen vor Davids Augen. So musste er nicht nur Zoe trösten, sondern auch ihren weinerlichen, reuevollen Vater. Zudem stellte sich heraus, dass seine Mutter offenbar doch nicht so gut über die Schule Bescheid wusste, wie sie wohl dachte. Also packte er neben seiner Kleidung und Handtüchern auch noch Bettzeug und Geld für die Kantine ein, falls er es denn brauchen würde.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag hatte er zwar keine Begegnung mit Bobby, aber Schlaf konnte er trotzdem keinen finden. Er war viel zu nervös und aufgewühlt wegen des heutigen Tages gewesen, als dass er ans Schlafen auch nur hätte denken können. Erst in den frühen Morgenstunden war es ihm gelungen, etwas zur Ruhe zu kommen. Jedenfalls kurzfristig, bis Faye ihn vier Stunden später wieder geweckt hatte, dass er sich fertig machen konnte. Da saß er also nun. Verschlafen, mit einer Thermoskanne voll Kaffee auf dem Schoß, in dem Wagen seiner Mutter. Sein Gepäck hatte er im Kofferraum verstaut. Er hatte sich sogar entschieden, trotz der Hitze, seine Fleece Jacke von den Sacramento Kings mitzunehmen. Vielleicht sei die Sommerschule eine gut Gelegenheit, um mit der Vergangenheit abzuschließen und sich wieder auf das hier und jetzt zu konzentrieren, hatte er Trae am Vortag gesagt, als sie gemeinsam im Asia Restaurant gegessen hatten.
Trae hatte ihm vorher angeboten, dass sie eine Wohngemeinschaft gründen könnten. So könne David dem Ort entfliehen, der ihn gleichermaßen quälte, wie er ihm Sicherheit bot. Aber er hatte abgelehnt und gemeint, er wolle sehen wie sich die Situation nach den Ferien entwickeln würde. Damit war das Thema vom Tisch gewesen. Das Tragen der Jacke, die ihn so an die Ereignisse von vor drei Jahren erinnerte, war für ihn der erste Schritt zum Vergessen der Vergangenheit. Er schraubte den Deckel der Thermoskanne ab und füllte sich die erste Kappe voll. Einen Moment später hatte er sie bereits mit einem Schluck geleert und verschloss die Kanne wieder.
Die Fahrertür wurde geöffnet und seine Mutter stieg in das Auto ein. „Hast du an alles gedacht?“, fragte sie ihn hektisch.
„Ja, habe ich“, beantwortete er gähnend ihre Frage.
„Geld, Bettzeug, Klamotten?“
„Ja, und auch alles, was ich sonst brauchen könnte.“
„Hast du dir auch alle wichtigen Nummern aufgeschrieben?“
David nickte.
„Meine, die von Zoe und die von deinen Freunden?“
„Herrgott ja, ich habe alle“, antwortete er genervt.
„Hör auf, dich aufzuregen. Du hast absolut keinen Grund dazu“, ermahnte sie ihn und warf ihm einen warnenden Blick zu.
„Ich habe jeden Grund dazu“, murmelte er verdrossen und lehnte seinen Kopf an die warme Glasscheibe. Sie tat so, als hätte sie es nicht gehört und schnallte sich schweigend an. Dann drehte sie den Schlüssel im Zündschloss und legte den ersten Gang ein. Gemächlich rollte das schwarze Familienauto aus der Einfahrt hinaus und steuerte den nächsten Interstate Highway an, der Richtung Norden führte.