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Die erste Stunde verbrachten die beiden schweigend miteinander. David hatte bereits die dritte Kappe Kaffee getrunken, fühlte sich jedoch kein Stück wacher, geschweige denn weniger müde. Faye hingegen schien so wach zu sein wie noch nie zuvor. Trotz ihres Nachtdienstes, den sie in den Knochen hatte, wirkte sie geradezu unverschämt munter und aufgeweckt. Vermutlich konnte sie es einfach nur nicht erwarten, dass sie die gesamten nächsten Wochen ungestört ihre Stecher zu sich einladen konnte und war deswegen so aufgedreht, dachte David sich. Vielleicht reagierte er aber auch einfach nur ein wenig übersensibel aufgrund seines Schlafdefizits, und seine Mutter würde sich wirklich bessern und die Zeit zum Nachdenken nutzen. Doch wer konnte das schon so genau sagen. Fest stand nur, dass sowohl ihre Verfassung, als auch ihre Stimmung, sich deutlich von Davids abhoben.

Das Klicken eines Feuerzeuges durchbrach die Stille im Auto. David drehte den Kopf zur Seite und warf ihr einen Blick zu, der sie darauf aufmerksam machen sollte, wie sehr er ihr Rauchen, wenn sie müde war, hasste. Aber ihre Augen blieben auf dem Interstate Highway haften wie ein altes Kaugummi unter einem Turnschuh. Stöhnend entfernte er den Kopf von seinem Fenster und öffnete es zwei Handbreiten weit, um wenigstens etwas gegen den Geruch ihrer Marlboro Zigaretten anzukommen.

„Was ist los?“, fragte Faye, die sein Aufstöhnen bemerkt hatte.

„Mir wird übel bei dem Gestank“, entgegnete er knapp und ehrlich.

„Weed riecht wohl besser oder was?“, keifte sie ihn an. Kritik hatte sie noch nie gut vertragen. Die Tatsache, dass sie müder war, als sie aussah, trug nicht unbedingt zur Besserung bei. Ebenso wenig wie der Fakt, dass David ohnehin bereits ziemlich angefressen von der ganzen Situation war und die Keiferei seiner Mutter genauso wenig vertrug, wie sie seine Kritik.

„Du hängst dich echt ewig daran auf, oder? Als hättest du es früher nie auch nur ausprobiert. Ach ja, und zu deiner Information. Nein, tut es nicht“, erwiderte er und rollte mit den Augen.

„Selbstverständlich habe ich es ausprobiert und gemerkt, dass es nichts Gutes mit sich bringt“, erklärte sie ihm mit ruhiger Stimme. Dass sie dennoch aufgebracht war, konnte sie jedoch nicht verstecken.

„Aber deine Zigaretten sind besser oder was?“, stichelte er zurück. Genervt stieß sie den Qualm ihrer Kippe aus.

„Im Gegensatz dazu sind sie erstens legal, und zweitens lassen sie dich keine rosaroten Elefanten sehen, die dir nach den ersten paar Malen auf deiner Schädeldecke anfangen, herumzutanzen“, antwortete sie ihm nun in einem nicht mehr ganz so ruhigen Ton.

„Wirklich gesünder oder weniger schädlich sind sie trotzdem nicht. Auch nicht für andere, die den ekelhaften Rauch einatmen müssen.“ Damit war die Diskussion beendet, und keiner von beiden sprach mehr über das Thema. Kurze Zeit später drückte sie angegiftet ihre, nur zur Hälfte aufgerauchte, Zigarette im Aschenbecher des Autos aus. Während der gesamten Hinfahrt über verkniff sie es sich, eine weitere anzustecken und somit die Diskussion von neuem aufzurollen. Lange würde es ja nicht mehr dauern, dann konnte sie so oft und so viel quarzen, wie sie wollte, ohne sich weitere Kommentare oder sonstige Belehrungen gefallen lassen zu müssen.

„Was wirst du in den Wochen, die ich weg bin machen?“, fragte David und schloss sein Fenster wieder.

„Nun ja. Ich werde arbeiten müssen.“

„Das meine ich nicht.“

Faye überlegte einen Augenblick, ehe sie ihm antwortete.

„Ich möchte einiges im Haus verändern“, sagte sie vorsichtig.

„Okay, und was möchtest du verändern?“, fragte David überrascht.

„Bobbys altes Zimmer. Es ist jetzt schon drei Jahre her, dass er nicht mehr bei uns ist. Langsam, denke ich, ist es an der Zeit, damit abzuschließen.“

Ich hab mein Zimmer aufgeräumt, damit Mommy nicht wieder so schimpft. Gefällt es dir, David?

Da war er wieder. Sein Alptraum, der ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte. Wie eine lästige Fliege surrte er durch seinen Kopf, ohne Aussicht darauf, je wieder von dort zu verschwinden.

„Was genau schwebt dir vor?“, fragte er neugierig.

„Ich dachte, ich könnte seine Sachen einem Waisenhaus spenden und es neu einrichten. Als Gästezimmer, verstehst du?“, sagte sie, unsicher darüber, wie ihr Sohn diese Idee aufnehmen würde. Für einen kurzen Moment hatte sie vergessen, dass das ohnehin keine Rolle spielen würde.

„Ja, ich verstehe. Mir gefällt es.“

Mehr zufällig als gewollt trafen sich ihre Blicke kurzzeitig, und sie lächelten einander an. Einen Moment lang war die Welt ein Stück weit in Ordnung.

„Das freut mich. Wir könnten es vielleicht neu tapezieren und anstreichen. Was hältst du davon?“, schlug sie vor.

„Finde ich gut“, versicherte David ihr mit einem Anflug von Vorfreude auf die Zeit nach der Sommerschule. Vielleicht würde doch noch alles gut werden, dachte er sich zufrieden. Doch anders als David freute sich Faye nicht über ihre Pläne. Im Gegenteil. Innerlich hasste sie sich dafür und verteufelte ihr vorschnelles Mundwerk. Sie konnte es sich nicht erlauben, auf den letzten Metern einzuknicken und sich für das zu schämen, was sie tat. Aber schließlich musste sie irgendwie den Schein auf Veränderung und Besserung wahren. Etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Sie hatte es begonnen und würde es nun auch zum Ende bringen. In etwa anderthalb Stunden wäre es vorbei. Dann wäre ihr Sohn David nicht länger ihr Problem. Er würde für niemanden mehr ein Problem darstellen können, wenn er erst einmal dort angekommen war. Schnell verwarf sie ihren Gedanken wieder und fokussierte sich wieder auf die Straße.

„Tu mir den Gefallen und kümmere dich um Zoe, falls sie von zuhause weg muss, weil ihr Vater wieder anfängt, das Haus auseinanderzunehmen“, bat er sie mit aufrichtiger Sorge.

„Wenn ich nicht da bin, hat sie niemanden, der sich ernsthaft um sie kümmert.“

Faye nickte ein paar Mal.

„Mach dir keine Sorgen, ich werde ihr garantiert nicht die Tür vor der Nase zuknallen, wenn sie verzweifelt ist und Hilfe braucht“, versicherte sie ihm. Hundertprozentig sicher war er sich nicht, ob es auch wirklich so kommen würde oder ob sie ihr tatsächlich ihre Hilfe anbieten würde. Doch für den Moment blieb ihm nichts anderes übrig, al ihr zu glauben. Während er sich kurz, aber ehrlich, bedankte, schenkte er sich den letzten Rest Kaffee aus der Kanne ein. In einem Zug trank er die Kappe aus, in der sich nicht mehr als ein Bodensatz befand und schraubte sie wieder auf die Thermoskanne. Ein Tropfen kalter Kaffee lief aus dem Deckel über das silberne Edelstahlgehäuse und landete auf Davids Zeigefinger. Gelassen wischte er ihn an seiner hellgrauen kurzen Sporthose ab und legte die Kanne in das Fach an seiner Tür.

„Wie lange sind wir noch unterwegs?“

„Etwa eine Stunde, wenn wir Glück und keinen Stau mehr haben.“

Er warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. Es war eine schwarze Uhr mit ebenfalls schwarzem Lederarmband und Ziffernblatt. Das Einzige, was nicht schwarz war, war der rote Sekundenzeiger, welcher bereits etwas zitterte. Auf dem Ziffernblatt waren, anstelle der normalen, arabischen Zahlen, alte römische Zahlen zu sehen. Die Uhr war ein Geburtstagsgeschenk seiner ehemaligen Freundin, die sie ihm als hochwertig und teuer angepriesen hatte. Kurz nach ihrer Trennung erfuhr er jedoch von Trae, der auch sie mit dem nötigen Stoff versorgt hatte, dass die Uhr einfach aus einem Ramschladen um die Ecke stammte, und dort grade einmal die stolze Summe von fünf Dollar wert war. Doch es kümmerte ihn kein Stück weit. Selbst, wenn sie die Uhr aus einem Müllcontainer gefischt und lediglich etwas gesäubert hätte, würde er sie tragen, schließlich gefiel sie ihm ja. Geld war für ihn nie ein wichtiger Faktor, wenn es um Geschenke oder andere Gegenstände ging. Ob etwas viel oder wenig kostete war irrelevant für seine Sicht darauf, ob es ihm gefiel oder nicht.

Die Zeiger zeigten elf Uhr achtundvierzig an. Mittlerweile waren sie seit bereits etwa zwei Stunden unterwegs.

„Wieso diese Schule, Mom? Ich hätte doch auch auf eine Modernere in der Nähe gehen können. Die Colleges in Sacramento bieten doch auch Kurse über die Sommerferien an. Die Saint Mary bietet eine gute Sommerakademie an, meinte Trae. Er musste selber schon einmal dorthin“, berichtete er ihr.

„Das mag sein, aber die Lauriea Summer School ist nun mal etwas Besonderes. Dadurch, dass alle Schüler die Zeit über dort wohnen werden, habt ihr auch mehr Freizeit als auf einer normalen Sommerschule. Außerdem war es die Einzige, die deine Anmeldung noch so kurzfristig entgegengenommen hat und so freundlich war, dich trotz des späten Zeitpunktes noch anzunehmen“, erklärte sie ihm, ohne die wirklichen Beweggründe für ausgerechnet diese Wahl zu erläutern. Aber er akzeptierte ihre Antwort kommentarlos. Sein angeschwollenes Auge pochte sanft im Takt seines Pulses. Noch konnte er nicht ahnen, was die Wände der Gebäude inmitten des Waldes für ihn und alle anderen nichtsahnenden Jugendlichen bereithielten.

Die Schule

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