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Der Flur, in dem David sich befand, schien endlos lang zu sein. Die kalten, grauen Wände waren mit Pinnwänden und Plakaten geschmückt und gaben dem Gebäude die einzig vorhandenen Farbakzente im Meer der Eintönigkeit. Milchig trübe Glastüren trennten den langen Korridor in einzelne Abschnitte. Das Geräusch seiner Skechers, die auf die schmutzigen weißen Fliesen traten, hallte durch den Gang. Schon wenige Minuten nach offiziellem Schulschluss war die Schule wie leergefegt. Die meisten Lehrer, die keine Lust hatten, bis zur letzten Stunde zu warten, gaben die Zeugnisse bereits zu Beginn heraus und entließen ihre Schüler dann frühzeitig in die lange Sommerpause. Keiner war sonderlich scharf darauf, den halben Tag in der Schule zu vergeuden, wo der eigentliche Grund des Erscheinens lediglich eine halbe Stunde benötigte. Das Geräusch einer sich öffnenden Tür mischte sich in den Takt seiner Schritte mit ein. Kurz darauf ertönte hinter der Abzweigung, die nach rechts führte, der Klang eines weiteren Schuhpaares auf den Fliesen. Als er abbiegen wollte, stieß er mit einem großen, blassen Jungen zusammen. Er trug ein weißes Tank-Top, um das eine Bauchtasche geschnallt war. Seine langen Haare waren verfilzt und sahen aus, als wären sie seit Jahren nicht gewaschen worden.

„Verpiss dich, Kleiner“, schnauzte der ungepflegte Junge ihn an. Doch als er aufsah und David erkannte, änderte sich sein Gesichtsausdruck, und er lächelte ihn schief an.

„Ey Billy, was geht? Dachte du bist eines von diesen nervigen kleinen Kindern, die noch hiergeblieben sind, weil sie Angst vor den Typen haben, die ihnen draußen die Fresse polieren“, sagte er, was wohl gleichzeitig als Entschuldigung und als Erklärung für seinen Auftritt eben fungieren sollte. Die beiden Jungen klatschten sich ab. „Kein Problem, Trae“, sagte David, den Trae öfter Billy nannte. Das kam daher, dass Trae nicht sonderlich gut darin war, sich Namen zu merken und ihn deswegen anfangs bloß immer Billy genannt hatte. Jetzt war es jedoch nicht mehr als ein Spitzname.

„Yo Mann, was machst du hier?“, fragte Trae, während er seine umgedrehte Cap zurechtrückte.

„Ich hab einen Termin bei der Direktorin, wegen meines respektlosen Verhaltens“, antwortete er, wobei er das Wort „respektlos“ besonders lächerlich betonte. Trae begann so laut zu lachen, dass sein Echo den gesamten Flur flutete.

„Starke Sache, Kumpel“, lobte er ihn und klopfte ihm auf die Schulter.

„Ey aber mal was anderes. Willst du nicht doch bei uns einsteigen? Billy, wir könnten dich echt gut gebrauchen. Die Bezahlung ist echt nicht…“

„Danke Trae, aber ich bleibe dabei. Dieses Geschäft ist nichts für mich“, unterbrach David ihn. Trae und seine Bande hatten ihm einen Job als Drogenlieferanten angeboten, nachdem er sie vor der Polizei gedeckt hatte. Seitdem gehörte er zu ihrem vertrauten Kreis und bekam, wenn er es denn wollte, kostenlos einen Joint pro Monat. Ein Freundschaftsabo für seine Hilfe sozusagen. Das Angebot war verlockend, denn die Qualität des Weeds war gut, doch er machte sich nichts daraus und hatte bisher so ziemlich immer darauf verzichtet. Letzte Woche hatte er das Angebot das erste Mal angenommen. Er hatte sich mit seiner Mutter bis aufs Äußerste gestritten und konnte die ganze Sache nicht mehr nüchtern ertragen. „Okay, aber denk dran, meine Tür steht immer für dich offen“, versicherte Trae ihm.

„Ich weiß.“

Beide reichten, sich die Hand und waren im Begriff sich voneinander zu verabschieden.

„Ich hab dich gestern Abend gesehen“, sagte Trae und ließ seine Hand los.

„Das kann nicht sein. Ich war den ganzen Abend zuhause“, erklärte David ihm verwirrt.

„Was? Nein. Nicht in Wirklichkeit. In meinem Kopf“, erzählte er. Davids Verwirrung verschwand. Trae war einfach wieder auf einem Trip und hatte die wildesten Sachen erfunden, dachte er.

„Ich habe gesehen wie du in eine Schule gegangen bist“, erzählte er.

„Nichts ungewöhnliches oder?“, fragte David belustigt davon, dass Trae es für real hielt.

„Doch, es war ungewöhnlich. Die Schule war im Wald, und ein Mann ging neben dir her. An seinem Mund und an seinen Händen klebte Blut, weißt du? Voll der kranke Scheiß“, fuhr Trae fort.

„Ich muss langsam los. Ich hätte schon längst da sein sollen“, redete sich David aus der ihm immer unangenehmer werdenden Situation heraus und entfernte sich ein paar Schritte von ihm. Trae schien ernsthaft besorgt zu sein, weswegen David sich nun doch umdrehte, um ihn zu beruhigen.

„Mach dir keine Sorgen, Kumpel. Du warst wieder auf einem Trip und hast dir das nur eingebildet. Kein Grund zur Beunruhigung“, beschwichtigte er ihn, was sofort Wirkung zeigte.

„Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Oh Mann, dieses Zeug wird mich noch umbringen“, stellte Trae einsichtig fest.

„Fahr lieber einen Gang runter beim nächsten Mal“, riet David ihm.

„Auf keinen Fall. Das Zeug ist der Schlüssel für meine unsichtbaren Handschellen“, sagte Trae, womit er auf Charles „Haywire“ Patoshik aus Prison Break anspielen wollte.

„Der einzige Weg, um wirklich befreit zu sein von all dem Bullshit in dieser Scheiß Welt.“

„Wenn du das sagst, wird’s wohl so sein“, stimmte David ihm unterschwellig zu.

„Sehen wir uns nächste Woche?“, fragte er abschließend, um das Gespräch zum Ende zu bringen.

„Klar doch. Schreib mir, wenn du Zeit hast, dann komm ich rum und sammle dich ein“, antwortete Trae, der den Hintergrund der Frage verstand und keine Anstalten machte ein neues Thema anzufangen.

„Alles klar. Man sieht sich.“

„Yo, machs gut.“

Die beiden Jungen gaben sich ein letztes Mal die Hand und gingen ihrer Wege. Während David um die Ecke ging um bei Ms. Robinsons Büro anzuklopfen, ging Trae zwei Klassenräume weiter, um Mr. Kennington abzukassieren, der ihm noch Geld für das Crack schuldete, das er ihm besorgt hatte.

Die Schule

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