Читать книгу Die Schule - Leon Grüne - Страница 24
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ОглавлениеSie hatte es gewusst. Er wusste nicht wie, aber sie hatte es von Anfang an gewusst, dass es so kommen würde. Er konnte es in ihrer Stimme hören, als sie ans Telefon gegangen war und fragte, wie es ihm gehen würde. Zoe, dieses kleine wundervolle, schüchterne Mädchen hatte gewusst, dass er gehen würde. Dessen war er sich sicher. Nicht erst als er angerufen hatte. Schon am Vortag, als sie beim ihm zuhause saßen und Pfannkuchen gegessen hatten. Je mehr er darüber nachdachte, desto offensichtlicher schien es ihm. Was hatte sie noch gleich gesagt? Dass sie nicht wolle, dass er gehen würde und er bei ihr bleiben solle? Aber was konnte das schon meinen. Sie war ein kleines Mädchen, das sich einfach, ohne einen triftigen Grund, um ihren besten Freund sorgte. Kleinere Kinder beginnen nun mal schnell, in Panik zu geraten oder Angst zu bekommen, wenn sie aus einer Phase heraus handelten. Das rationale Denken war noch nicht sonderlich ausgeprägt oder ausgereift. Emotionen kontrollieren und beherrschen vermehrt das Denken und haben einen größeren Einfluss auf ihre Psyche als sachliche und reelle Fakten. Ein wenig beunruhigte es ihn jedoch schon, dass sie augenscheinlich bereits gewusst hatte, dass er fortgehen würde. Doch das war nur eine der vielen Sachen, die mehr Fragen aufwarfen, als Antworten lieferten.
Des Weiteren ließ ihm Traes angebliche „Vision“ keine Ruhe. Er hatte von einer Schule inmitten eines Waldes gesprochen und von einem blutbeflecktem Mann neben ihm. Zwar hatte er mit der Schule im Wald Recht behalten, doch Mr. Brenner hatte kein Blut an seinen Händen oder an irgendeinem anderen Körperteil. Doch was hatte das zu bedeuten? Wahrscheinlich gar nichts. Es war reiner Zufall. Mehr nicht. Was sollte es auch anderes sein? Etwa eine übernatürliche Kraft, die in Trae durch einen seiner Joints eingefahren war und ihm die Zukunft zeigte? Selbstverständlich nicht. Weder gab es übernatürliche Kräfte noch etwas wie Visionen, die Realität werden würden. So etwas existierte schlichtweg nicht. Das wusste er genauso gut wie jeder normal denkende Mensch. Ebenso gut wusste er, dass es schwachsinnig war, seine Gedanken an solche Fragen zu verschwenden. Schließlich ging es bei den Personen um ein kleines emotionsgesteuertes Mädchen und um einen – so hart es nun mal klang – drogensüchtigen und halluzinierenden Teenager im Alter von 18 Jahren.
„Wenn Sie mich fragen, keine sonderlich glaubwürdigen Zeugen, ehrenwerter Richter George“, tönte es durch seine Gedanken.
„Dem stimme ich zu“, entgegnete Richter George, der etwas wie eine kleine Persönlichkeit in seinem Kopf geworden war. Wenn er Zweifel am empirischen Denken hegte, schaltete er sich ein und erklärte seine Beweggründe für ein Zeichen geistiger Verwirrtheit. Er war sozusagen derjenige, der sämtlichen Firlefanz und Aberglauben, der sich nicht beweisen ließ, abschmetterte und für surreal und dämlich erklärte. Die einzige Ausnahme stellte sein Glauben an das Leben nach dem Tod dar. Schließlich musste auch der strenge Richter George kleine Fantasien und Hoffnungen offen lassen, die er nicht sofort für schwachsinnig und Humbug erklärte, denn dies war leider eine Sache, über die selbst er nicht Bescheid wusste. Doch damit war seine Toleranzgrenze bereits erreicht. Besonders viel Spielraum ließ er ihm nicht, was seine Fantasien und Vorstellungen anbelangte.
„In Anbetracht der mangelnden Beweislage und der Unglaubwürdigkeit der Zeugen, wird der Antrag auf reinen Zufall und nichts als Spinnerei stattgegeben“, verkündete George und ließ seinen Holzhammer auf sein Richterpult knallen.
David entspannte sich ein wenig. Er war froh, dass George ihn bei klarem Verstand hielt und nicht seinen Hang zum überflüssigen Nachdenken und sich Sorgen machen befürwortete. Denn was sollte es sonst sein? Schließlich existieren Visionen und andere derartige Hirngespenste nur in der eigenen Fantasie. Real werden sie nur, wenn man anfängt daran zu glauben.