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Frau Speyrer

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„Guten Tag, Schwester Annika“, sagte die Besucherin, die gerade die Eingangstür des Seniorenheims betreten hatte. Routiniert verbarg Annika ihr Entsetzen und entgegnete den Gruß. Seit ihrem letzten Besuch hatte Frau Speyrer sichtbar abgenommen. Ihre Kleidung baumelte richtiggehend an den abgemagerten Gliedmaßen. Mit ihrer äußerst blassen Gesichtshaut sah sie krank aus. „Schön, Sie zu sehen, Frau Speyrer“, sagte Schwester Annika und sie meinte es auch so.

Diese Angehörige war zwar immer sehr zurückhaltend und ernst, aber auch extrem freundlich. Außerdem schätzte sie die Arbeit des Pflegepersonals und meckerte nicht andauernd herum. Frau Speyrer nickte kaum merklich: „Ich freue mich auch, dass ich endlich mal wieder herkommen konnte. Wie geht es Mama denn?“

Annika zögerte kurz. Es war immer eine Gratwanderung, die Angehörigen auf die ständig weiter fortschreitende Erkrankung der Patienten vorzubereiten, vor allem, wenn sie wie diese junge Frau beruflich sehr eingespannt waren und weit entfernt wohnten.

Bei regelmäßigen Besuchen fiel das veränderte Benehmen der Bewohner nicht so deutlich auf. Wenn man allerdings nur alle paar Monate den Weg durch die Tür des Pflegeheimes fand, sah das ganz anders aus.

Annika nickte leicht. „Alles in Ordnung, Frau Speyrer, sie müssen sich keine Sorgen machen, es geht ihrer Mutter gut.“

Von Anfang an war Frau Speyrer zugesichert worden, dass sie über jedes wichtige Detail informiert werden würde. Die Pflegeheimleitung nahm diese Vereinbarung ernst, erschreckte die Angehörigen ihrer Bewohner aber andererseits auch nicht mit jeder Verhaltensänderung. Auch dass die körperlichen Einschränkungen der Patienten krankheitsbedingt immer größer wurden, war eine Tatsache, der hier nicht zu viel Gewicht zugemessen wurde. Wichtig war einzig und alleine, dass sich die Kranken wohlfühlten und gut in die Gemeinschaft integriert waren. Und das war Frau Speyrer Senior auf jeden Fall.

„Sie ist in ihrem Zimmer“, fuhr Schwester Annika fort. „Es kann sein, dass sie gerade ihr Mittagsschläfchen macht, aber wecken Sie sie ruhig auf.“ Als sie in das fragende Gesicht der Besucherin blickte, erklärte sie; „Wenn ihre Mutter den ganzen Nachmittag verschläft, wie sie es in letzter Zeit manchmal tut, läuft sie die halbe Nacht im Flur herum und langweilt sich, weil alle anderen schlafen. Sie freut sich außerdem bestimmt sehr, Sie zu sehen!“ Cordula Speyrer zögerte einen Augenblick, dann nickte sie. „Es ist lange her“, murmelte sie „hoffentlich erkennt sie mich überhaupt noch!“ Schwester Annika sah in das traurig blickende Gesicht ihres Gegenübers und versuchte es mit Zuversicht; „Ich glaube schon. Ihr Zustand ist zurzeit recht stabil.“ Cordula verzog die Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln. „Ich werde es ja gleich sehen“ sagte sie und machte sich auf den Weg.

Schwester Annika sah ihr nach. Sie strahlte trotz ihrer fahlen Blässe Eleganz aus, diese Cordula Speyrer, alleine schon, wie kerzengerade sie den Gang entlanglief. Welch ein Unterschied zu all den Menschen, die hier lebten und, sofern sie nicht im Rollstuhl oder mit Hilfe eines Rollators unterwegs waren, auf den Gängen herumschlurften. Annika atmete tief aus, dann beugte sie sich wieder über den Stapel Formulare, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag und bearbeitet werden musste.

Eva

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