Читать книгу Eva - Lilian Adams - Страница 5
Vor ziemlich genau sechzehn Jahren
Оглавление„Gib mir mal die Kirschen rüber, damit ich den Nachspeise- Teller fertig anrichten kann!“ Stolz betrachte ich mein Werk. Ich kann es manchmal selbst kaum glauben, welche Verwandlung ich durchmache, sobald ich in der Küche stehe und eine saubere weiße Schürze trage. Fast wie Aschenputtel, das sich in Cinderella verwandelt hat.
„Ist der Nachtisch fertig?“ ruft Maître Claude ungeduldig in die Küche.
„Jawohl Chef, es ist angerichtet!“ witzele ich selbstbewusst und schwenke die Teller gekonnt zur Ausgabe.
„Wollen Sie, oder soll ich servieren?“
„Das machen Sie mal schön selbst Frau Glück, schließlich ist das Ihre Kreation. Außerdem bin ich überzeugt, dass die Gäste lieber von einer hübschen jungen Blondine bedient werden, als von einem alten Mann wie mir!“
Selbstbewusst laufe ich zu Tisch Nummer fünf und serviere die Teller, wie es sich gehört. Und dann trifft er mich. Bäng! Voll erwischt! Amors Pfeil hat mitten in mein Herz gezielt.
Ein chic gekleideter gutaussehender junger Mann mit rehbraunen Augen grinst mich an und leckt sich begeistert über die Lippen.
„Das ist ja die reine, pure Sünde!“ schwärmt er.
Dann nimmt er den kleinen Dessertlöffel und probiert ein Stückchen von dem Küchlein mit flüssigem Schokoladenkern, der das Herzstück meiner eigenwilligen Nachspeise darstellt. Die kandierten, exotischen Früchte, die auf einem Spiegel von Himbeer- Pfirsichcreme mit einem Hauch von Marsala angerichtet sind, kostet er verzückt.
Eigentlich sollte ich mich schon lange wieder in die Küche bewegt haben, aber ich stehe immer noch da und starre vollkommen entrückt diesen Traummann an.
Nebenbei registriere ich, dass die Gäste mein neues Dessert genießen. Das ist einer dieser Momente, die nie vorbeigehen sollten.
Gerade wurde dem Restaurant der erste Stern verliehen. Daran war ich mit meinen mutigen Vorschlägen nicht ganz unschuldig.
Ich wage noch einen Blick in die wunderschönen Augen des Gastes und mein Herz schmilzt wie Vanilleeis in heißen Himbeeren. Meine Beine fühlen sich an wie Käse-Sahne-Torte, in der man die Gelatine vergessen hat. Wie ferngesteuert reiße ich mich endlich zusammen und wünsche höflich einen guten Appetit.
Wie ich zurück in die Küche komme, weiß ich hinterher gar nicht, so „geflasht“ bin ich.
„Vergiss es, so ein toller Mann ist mit Sicherheit vergeben!“, versuche ich mich selbst zur Raison zu bringen. Aber wie einen Wünschelrutengänger zum Wasser, zieht es mich in seine Richtung. Und so laufe ich zum Vorhang, der den Küchenbereich vom Service trennt und schaue IHM beim Genießen zu.
Sein Teller ist inzwischen leer, bis auf den Fruchtspiegel, aber der Mann mit den sympathischsten Augen westlich des Urals, kratzt immer noch sorgfältig die restliche Soße vom Teller. Dabei entsteht ein fieses Quietschgeräusch, das jedem anderen megapeinlich wäre. Er hingegen zuckt nur die Schultern und grinst ein hinreißendes schiefes Lächeln, das mich endgültig umhaut.
Dann legt sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter und ich erschrecke fürchterlich. Ich war so mit Schwärmen beschäftigt, dass ich meinen Chef nicht mal bemerkt habe.
Verlegen mache ich mich auf den Weg zurück zur Küche, als mich Maître Claude zurückhält
„Die Gäste von Tisch fünf möchten sich gerne persönlich bei Ihnen bedanken. Also los Frau Glück, holen Sie sich die verdienten Lorbeeren ab!“ Mit diesen Worten schiebt er mich in den Gastraum.
Verlegen trete ich an den Tisch, lächele und höre mich sagen: „Wie schön, dass Ihnen mein Dessert geschmeckt hat!“ Mein Blick schweift hinüber zu der streng aussehenden Frau, die mir hoheitsvoll zunickt. Sie sieht nicht aus, als würde sie öfter mal einen leckeren Nachtisch genießen, so hager wie sie in dem gut sitzenden Chanelkostüm wirkt.
Ganz anders der Mann zu ihrer Linken. Obwohl er sitzt, wirkt er riesig. Er hat einen dunkelroten Kopf und das Hemd spannt so sehr über seinem Bauch, dass ich mich wundere, dass die Knöpfe nicht vor lauter Erschöpfung nur so davonspringen. Ob das wohl seine Eltern sind, frage ich mich still und lächele, als der dicke Mann laut polternd zu reden beginnt
„Welch wunderschönes Fräulein! Und kochen kann sie auch noch!“
Dann mischt sich der nette junge Mann ein und meint: „Ich hoffe Sie sind nicht vergeben, denn ich habe mich soeben unsterblich verliebt. Sie müssen die gute Fee aus dem Märchen sein, denn sonst könnten Sie niemals solche Leckereien produzieren!“
Dabei schaut er mir fragend in meine blauen Augen, als könne er darin eine Antwort finden.
Er grinst wieder dieses schiefe Lächeln, das mich vorhin schon so verzaubert hat und da ist es um mich geschehen. Er ist es, erkenne ich. Der Mann meiner Träume, mein Seelenverwandter.