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Kapitel 5

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Heute Morgen ist mir dieser Robin mal wieder über den Weg gelaufen. Wir haben uns zugewinkt, und er hat mich sogar angesprochen. »Schönen Tag euch beiden«, hat er gerufen. Der wird mich nie und nimmer nach einem Date fragen, da kann ich lange warten, denke ich und setze den Schwingschleifer in Bewegung. Mit langsamen, kreisenden Bewegungen beginne ich, die Oberfläche eines nussbaumfurnierten Vertikos zu polieren.

Was weiß ich über ihn? Er ist etwa Mitte dreißig, etwa eins achtzig groß, hat dunkle Haare, dunkle Augen und keinen Bart. Ich finde, dass er ziemlich gut aussieht. Aber vor allem ist er mir sympathisch. Seine Ausstrahlung lässt auf ein angenehmes Gleichgewicht aus Sanftmut und Entschlossenheit schließen. Und er ist kein Schauspieler. Er wirkt ernsthaft und authentisch, scheint eher überlegt als spontan zu handeln. Kurz: Ich habe mich verliebt. Als ich das dritte oder vierte letzte Mal mit Micha geschlafen und mir eingestanden hatte, dass ich dabei, zumindest zeitweise, an Robin denken musste, hatte ich endlich einen Schlussstrich unter meine schon vor Monaten verstorbene Beziehung gezogen und fühle mich nun sehr wohl damit. Micha hatte nur eine Bedingung gestellt: Er will, dass ich sein altes Vertiko aufarbeite, als Abschiedsgeschenk sozusagen – typisch Micha, stets auf seinen Vorteil bedacht. Es stammt noch aus dem Nachlass seiner Eltern und ich hatte ihm leichtsinnigerweise tatsächlich irgendwann mal versprochen, das Teil auf Vordermann zu bringen. Jetzt noch die Politur, dann bin ich endlich fertig mit beiden, mit Micha und seinem Erbstück. Und anschließend werde ich mich einem neuen Projekt zuwenden, Arbeitstitel: Robin, der Mann mit dem Rucksack!

Ich stoppe den Schwingschleifer und drehe das Vertiko um neunzig Grad. Manchmal genieße ich es richtig, allein in der Werkstatt zu sein. Vor allem, wenn ich den Kopf voller Gedanken habe. Mareike ist mit dem Anhänger los, Möbel ausliefern. Danach hat sie einen Kundentermin in Lüneburg und kommt garantiert erst am Abend zurück. Luna ist mal wieder mit der Müller-Rath und Willy unterwegs. Sie machen eine große Runde, einmal um die ganze Außenalster herum.

Ich muss mir endlich darüber klar werden, was ich Waldheim sagen will. Zu schade, dass ich keinen Vaterkomplex habe und deshalb auf ältere Herren stehe. Dann würden sich all meine Probleme in Luft auflösen. Vielleicht sollte ich doch noch einmal darüber nachdenken. Waldheim ist so ein feiner Kerl, gepflegt, intelligent, charmant und wohlhabend. Außerdem kenne ich ihn bereits seit Jahren und weiß, dass er keine nennenswerten Macken hat. Das kann ich von Robin nicht gerade behaupten. Wer weiß, was für Abgründe bei ihm lauern, falls er mir je die Gelegenheit geben sollte, hineinzuschauen. Jetzt geht mir schon wieder dieser Robin im Kopf herum, dabei wollte ich mir doch Gedanken über Waldheim machen. Also, ich werde ihm einfach sagen, wie es ist, ganz unverblümt und aufrichtig. Schließlich hat er eine ehrliche Antwort verdient. Gut gemeintes Herumgeeiere würde er sowieso durchschauen, und ich will ihn nicht auch noch kränken. Schlimm genug, dass ich ihm einen Korb geben werde. Am besten gehe ich gleich rüber, dann habe ich das hinter mir. Bringt ja nichts, das vor sich her zu schieben. Ich schalte den Schwingschleifer aus, nehme die Schutzbrille ab und klopfe mir den Staub vom Overall. Ich ziehe das Arbeitszeug aus und schlüpfe in meinen hellblauen Anorak.

Wenig später habe ich die dreihundert Meter zurückgelegt. Lorenz Waldheim, Antiquitäten am Goldbekufer steht in großen goldenen Buchstaben über der Tür zum Laden. Drinnen ist zum Glück nichts los.

»Hallo, ist da jemand?«, rufe ich und bewege mich durch die Möbelausstellung in Richtung Büro.

»Emma! Hallo, meine Liebe, was führt Sie zu mir?«, fragt Waldheim, als er mich zur Tür hereinkommen sieht.

Wenig später sitze ich vor seinem Schreibtisch, einen frisch zubereiteten Cappuccino in den Händen. Ich hatte ihm gesagt, dass ich ihm noch eine Antwort schulde. Sehr richtig, hatte er geantwortet und gefragt, ob wir das bei einem Kaffee besprechen wollen. Nun muss ich Farbe bekennen.

»Lieber Waldheim«, beginne ich und spüre mein Herz klopfen, »ich beabsichtige, einen kurzen Monolog zu halten, und habe in diesem Zusammenhang einen Wunsch: Bitte unterbrechen Sie mich nicht! Es wird nicht allzu lange dauern.«

Waldheim lächelt für einen Moment, doch dann macht er ein bekümmertes Gesicht. Eine kurze Antwort wäre ihm sicher lieber gewesen.

»Offen gestanden, habe ich neulich an etwas ganz anderes gedacht, als Sie mich ins Landhaus Scherrer eingeladen haben. Ich dachte, Sie wollten sich zu Ruhe setzen, und ich befürchtete, meinen besten Kunden zu verlieren.«

Waldheim lacht kurz auf, dann flüstert er: »Gott bewahre.«

»Insofern war ich zunächst erleichtert, als klar wurde, dass meine Befürchtungen unbegründet waren. Doch die Erleichterung währte nicht lange. Denn Ihr Antrag hat mich in neuen Aufruhr versetzt. Es fällt mir nicht leicht, es zu sagen, aber eine Heirat kommt, glaube ich, nicht infrage. Es ist wirklich ein sehr verlockendes Angebot, aber ich bin wohl doch eher der romantische Typ. Jedenfalls hoffe ich nach wie vor auf die ganz große Liebe. Deshalb wäre es einfach nicht fair, Ihr Angebot anzunehmen, wohl wissend, dass da eine tiefe Zuneigung ist. Ich habe Sie nämlich sehr gern.«

Wir schauen uns in die Augen. Waldheim wirkt entspannt, er lächelt sogar.

»So, jetzt ist es raus. Ich hoffe nur eines: dass diese Sache unsere Beziehung nicht belastet. Das würde ich sehr schade finden, denn die Zusammenarbeit mit Ihnen macht mir große Freude. Was meinen Sie, bekommen wir das hin?“

Waldheim stellt seinen Kaffeebecher ab.

»Liebe Emma, zunächst einmal ganz herzlichen Dank für diese aufrichtige Antwort. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie klare Worte gefunden haben, anstatt mich hinzuhalten und so länger im Ungewissen zu lassen. Und nun zu Ihren Befürchtungen, die ich ganz unbegründet finde: Selbstverständlich wird diese Angelegenheit sich nicht negativ auf unsere Beziehungen auswirken, weder auf den geschäftlichen noch auf den privaten Teil. Sie müssen mir nur erlauben, dass ich die Hoffnung nicht ganz aufgebe. Ein großer Vorteil meines etwas fortgeschrittenen Alters ist, dass ich mehr Geduld habe als in jüngeren Jahren. Bis auf Weiteres werde ich mich also damit zufriedengeben, dass Sie mich als guten Freund betrachten. Wenn Sie damit einverstanden wären, würde mich das sehr glücklich machen.«

Mir fällt ein Stein vom Herzen. Waldheim ist ein echter Gentleman, souverän und gelassen. Ich stehe auf, gehe um den Schreibtisch herum und umarme ihn.

»Einverstanden«, flüstere ich.

Wir halten uns eine Weile aneinander fest und ich heule ihm vor Rührung ein paar Tränen auf sein Sakko. Hoffentlich gibt das keine Flecken, denke ich und tupfe mir die Augen mit einem Papiertaschentuch ab.

»Und im Übrigen freue ich mich schon auf die große Antiquitätenmesse in York. Die Newark International Antiques Fair findet in diesem Jahr schon im September statt, aber das wissen Sie ja bereits. Ich habe Ihnen die Termine gemailt, nicht wahr?«

Ich nicke und gehe wieder auf meinen Platz zurück.

»Sehr gut, dann werde ich gleich mal die Flüge und das Hotel buchen. Was meinen Sie, sollen wir wieder im Willoughby House absteigen?»

Der Beste kommt zum Schluss

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