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Kapitel 9

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»Darf ich vorstellen? – Meine Drei-Möbel-Wohnung: Ein Bett, ein Sofa und ein großer Kleiderschrank. Alles andere findet auf dem Fußboden statt«, erläutere ich in aperolgelöster Stimmung und finde mein Designkonzept ziemlich plausibel. Vor dem geistigen Auge sehe ich Robin und mich bereits alles andere auf dem Fußboden machen. Ich hole zwei Gläser aus der Küche, während der Mann mit dem Rucksack (er hat ihn im Flur abgestellt) sich um Luna kümmert, die sich ein paar Streicheleinheiten abholt.

»Aperol mit Prosecco», sage ich und halte meinem Gast ein Glas hin. Während des Salatzubereitens habe ich mir ein wenig Mut angetrunken. Außerdem musste ich ja das richtige Mischungsverhältnis herausfinden. Ich gehe vor.

»Das Abschleifen habe ich übrigens selbst gemacht – Schweinearbeit. Das muss jetzt mindestens zehn Jahre gewürdigt werden.«

Robin folgt mir ins Wohnzimmer. Er schaut sich den Fußboden an. Dann dreht er sich langsam im Kreis und nickt anerkennend mit dem Kopf. Eine Altbauwohnung in Eppendorf mit Stuck an den Wänden und abgeschliffenen Dielen, meine erste Trumpfkarte scheint ihre Wirkung zu tun. Anschließend nähert er sich der Wand mit den Fotos und bleibt vor dem Porträt stehen, das Micha von mir in Andalusien aufgenommen hat. Das Abendlicht verleiht meiner Haut einen schmeichelhaften Ton.

»Schöne Aufnahme», sagt Robin und schaut sich nach mir um, als wolle er das Foto mit dem Original vergleichen. Ich balanciere vorsichtig herüber und versuche dabei, ein Klacken meiner hohen Absätze zu vermeiden, was in leicht angetrunkenem Zustand höchste Konzentration erfordert. Er muss ja nicht gleich merken, dass ich mich um etwa zwölf Zentimeter aufgebockt habe. Zweiundsiebzig Kilogramm verteilt auf eine leicht geschönte Körpergröße von hundertachtzig Zentimetern können gerade noch als schlank durchgehen, finde ich und muss an meinen beknackten Vater denken. Hast du zugenommen? Das waren seine Worte, als er mir hinterherschaute, nachdem ich mich gestern von ihm verabschiedet hatte – Arschloch!

»Hm«, mache ich, als ich neben ihm stehe. »Das Bild hat Micha gemacht, mein Exfreund. Er arbeitet als Reporter für die MoPo, die Morgenpost. Das Fotografieren hat er früher mal richtig gelernt.«

Puh, der Aperol hat es in sich, ich hab bereits einen sitzen. Irgendwie hab ich das Gefühl, ich muss das Gespräch in Gang halten. Wahrscheinlich, weil ich immer noch nervös bin.

»Gefällt es dir bei mir?«

Robin nickt. Er lächelt: »Alles schön übersichtlich, falls du deine Einrichtung meinst. Fast ein wenig spartanisch.«

»Weniger ist mehr«, flöte ich scheinheilig und nehme die Schultern etwas zurück, um das Gegenteil zu beweisen. Befriedigt stelle ich fest, dass sich sein Blick in meinem Dekolleté verfangen hat. Ich trinke noch einen Schluck – hmm, lecker!

»Falls die Einrichtung Rückschlüsse auf deinen Charakter zulässt, könnte es bedeuten, dass du ein ziemlich aufgeräumter Typ bist.«

»Oder genau das Gegenteil«, sage ich – habe ich gerade gekichert? Fragender Blick meines Gastes.

»Na ja, es könnte auch totales Chaos herrschen hier oben«, stelle ich fest und tippe mir mit dem halb leeren Glas an den Kopf, »sodass ich in meiner Umgebung strenge Ordnung halte, um nicht völlig die Übersicht zu verlieren.«

Ich glaube, ich habe einen Schwips. Der muss doch denken, ich hab nicht alle Socken im Spind. Hab ich auch nicht, im Übrigen.

»Aber die Wahrheit ist: Ich mag keine zugestellten Räume. Zumal die Wohnung ja nicht wirklich groß ist. Und um ehrlich zu sein: Wenn man beruflich so viel damit zu tun hat, muss man nicht auch noch in seiner Freizeit Möbel um sich haben. Wenn ich die sehen will, brauche ich nur in meine Werkstatt zu gehen, da stehen reichlich davon herum.«

Immerhin, ich lalle noch nicht. Robin nickt, dann fragt er: »Du arbeitest in einer Möbelwerkstatt?«

»So ist es. Ich restauriere wurmstichiges, altes Zeug, das aus undurchsichtigen Gründen ein paar Generationen überdauert hat und jetzt als antik und erhaltenswert gilt.«

»Aha, du restaurierst alte Möbel?«

»Hm«, mache ich und beschließe das Thema zu wechseln.

»Wie wäre es, wenn wir schon mal den Salat essen? Ich muss dringend etwas in den Magen kriegen, sonst fang ich an, Unsinn zu reden. Ich glaube, ich habe bereits einen kleinen Schwips.«

»Sehr gern«, sagt Robin und begleitet mich zurück in die Küche. Wir nehmen auf den zwei Barhockern am Küchentresen Platz und machen uns über den Salat mit Avocado und Pinienkernen her. Dazu gibt es ein leckeres French-Dressing mit original Dijon-Senf und Parmesanspänen. Luna hat sich in Sekundenschnelle ihr Dosenfutter einverleibt. Sie liegt mit gestreckten Hinterläufen auf den Küchenfliesen und lässt sich den vollgefressenen Wanst wärmen. Sie hat da so eine Stelle, an der die Fußbodenheizung besonders warm ist.

»Darf ich fragen, warum du kein Fleisch isst?«, nehme ich den Faden wieder auf, nachdem Robin den Salat gelobt hat und wir eine Weile schweigend gegessen haben.

»Eigentlich mag ich Fleisch. Es liegt also nicht am Geschmack. Ich möchte nur nicht, dass Tiere sterben müssen, nur weil ich sie essen will. Schließlich kann man sich wunderbar ohne Fleisch ernähren.«

»Es sind also eher ethische Gründe.«

»Genau. Wenn jemand seinen Hund so behandeln würde, wie es einem Mastschwein gewöhnlich ergeht, würden sich alle aufregen und den Tierschutzverein alarmieren. Doch worin besteht der Unterschied?«

Luna hebt den Kopf und schaut zu Robin hoch. Die Frage scheint sie nun auch zu beschäftigen. Wir warten gespannt auf die Antwort.

»Schweine sind ebenfalls Säugetiere«, fährt unser Gast fort. »Genauso intelligent wie Hunde und entsprechend lernfähig. Sie empfinden Schmerz und Stress oder eben Glück, wenn sie viel Auslauf an der frischen Luft haben.«

Luna legt die Stirn in Falten, ihr Blick sagt: So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Dann bettet sie ihren Kopf zwischen den gestreckten Vorderpfoten und schläft weiter.

Nach dem Essen sind wir drei auf dem Fußboden gelandet. Alles wie geplant, denke ich, mit dem kleinen Unterschied, dass nicht ich, sondern Luna vor Robin auf dem Rücken liegt und gekrault wird. Eben hat sie vor Begeisterung fast sein Glas umgeschmissen. Wenn Robin es nicht geistesgegenwärtig festgehalten hätte, wäre mein schöner Fußboden mit Rotwein getauft worden. Mit der Pizza sind wir stilecht auf Chianti umgestiegen, schließlich befinden wir uns kulinarisch in Italien. Ich weiß inzwischen, dass Robin gern Segelboot fährt (kleine Jollen, keine großen Jachten), Sternzeichen Wassermann ist (passen hervorragend zu Löwen wie mir) und beruflich irgendwas mit Chemie macht. Entweder nervt ihn sein Job oder er ist stinklangweilig, jedenfalls will er offensichtlich nicht groß darüber reden. Während ich ihm praktisch die gesamte Kunst des Möbelrestaurierens erläutert habe, hat er gerade mal zwei dürre Sätze zu seinem Berufsleben herausgebracht. Na ja, ist ja seine Sache.

Zwei Stunden später hat er sich dann verabschiedet, um genau null Uhr dreißig. Nach dem Aufstehen ist mir etwas schwindelig geworden und ich musste mich kurz an Robin festhalten. Bei der Gelegenheit habe ich meinen Busen an ihn gedrückt. Ach ja, und dann war da noch ein flüchtiger Abschiedskuss, so ein ganz harmloser. Näher sind wir uns leider nicht gekommen. Erschöpft steige ich aus meinen Pumps. Wieder auf mein natürliches Ein-Meter-achtundsechzig-Mittelmaß reduziert, verliere ich leider sofort die Übersicht. Wie ist der Abend gelaufen? Konnte ich punkten? Ich lasse mich rückwärts auf mein Bett fallen. Zeit für eine Bilanz.

Auf der Plusseite gibt es zu vermerken, dass Robin …

1. Single ist,

2. ein guter Zuhörer ist (kein Wunder bei meinem Temperament heute),

3. gut aussieht (sehr gut sogar),

4. tierlieb ist (sehr tierlieb – gehört vielleicht auf die Negativseite),

5. mir einen Abschiedskuss gegeben hat (oder hab ich ihn geküsst?),

6. jetzt weiß, wann ich Geburtstag habe (er: »Löwe? Dann hast du ja bald Geburtstag«, ich: »Stimmt, am 12. August«).

Auf der Negativseite steht, dass …

1. ich zu viel getrunken und mich partiell lächerlich gemacht habe,

2. Robin nicht gern über seinen Job spricht, woraus ich nicht ganz schlau werde,

3. wir keinen Sex hatten (ich jedenfalls nicht),

4. es keine Verabredung zu unserem nächsten Date gibt,

5. ich keine Ahnung habe, ob er sich auch in mich verknallt hat,

6. Shit! Wir haben nicht einmal unsere Handynummern ausgetauscht …

Der Beste kommt zum Schluss

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